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19.25 Uhr. Die Sonne stand bereits sehr niedrig am Himmel. Trotzdem wehte immer noch ein heißer Wind durch die belebte Münchner Innenstadt. Franz standen die Schweißperlen auf der Stirn. Max und Mathilde ging es nicht viel besser.

»Bin ich eigentlich in Afrika oder in Bayern?«, fragte Mathilde in die Runde.

»Das ist eine berechtigte Frage. Der Föhn war schon lang nicht mehr so heftig wie heute«, erwiderte Franz.

»Brutal«, meinte Max.

»Ich verstehe wirklich nicht, wo sie bleibt.« Mathilde hatte bisher mindestens zehnmal, aufs Äußerste beunruhigt, Dagmars Nummer gewählt und ihr immer wieder Nachrichten aufs Handy geschickt.

»Das wird in der Tat langsam etwas seltsam«, meinte Franz.

»Ich denke, wir sollten uns sofort auf die Suche nach ihr machen«, meinte Max. »Solange sich noch jemand an sie erinnert.«

»Ich muss, wie schon gesagt, heim zu dem Essen bei den Hubers. Gleich 19.30 Uhr.« Franz zeigte auf seine Armbanduhr. »Schafft ihr das auch ohne mich mit der Suche?«

»Sicher«, erwiderte Max. »Wenn nicht, rufen wir deine Kollegen auf dem Revier an.«

»Die melden sich aber dann sofort bei mir.« Franz klang beunruhigt. »Kann man das nicht anders lösen?«

»Vielleicht finden wir sie ja auch selbst.« Max schüttelte ungläubig den Kopf. »Dann musst du nicht deinen wertvollen freien Abend opfern.«

Manchmal war Franz wirklich kaum auszuhalten. Genau betrachtet, grenzte es nahezu an ein Wunder, wie er es mit seiner arbeitsscheuen Einstellung zum Leiter des K11, vorsätzliche Tötungsdelikte, Geiselnahme, Menschenraub, gebracht hatte.

»Das klingt gut.« Franz blickte zufrieden drein. »Es ist ja vor allem wegen meiner Sandra, weißt du?«

»Ich weiß.« Max nickte.

Natürlich ist es nicht wegen Sandra, sondern vor allem wegen dem Essen, dem Bier und dem Schnaps. Wieso glaubt er eigentlich, mich nach all den Jahren, die wir uns kennen, immer noch anschwindeln zu können?

»Aber wenn es gar nicht anders geht, dann kannst du mich gerne anrufen«, räumte Franz großzügig ein. »Nach dem Essen natürlich. Es gibt Schweinsbraten mit Semmelknödeln und Kraut. Das kann ich mir einfach nicht entgehen lassen.«

»Um wie viel Uhr wäre das dann ungefähr mit dem Anruf, Herr Hauptkommissar?« Max versuchte die Ironie in seiner Stimme gar nicht erst zu verbergen.

»So um 21.30 Uhr herum müssten sie die Nachspeise serviert haben. Du brauchst außerdem gar nicht so spitz daherreden.« Franz bedachte ihn mit einem strafenden Blick.

»Also dann kurz nach 21.30 Uhr?«

»Lieber 22 Uhr.« Franz machte ein ernstes Gesicht. »Am Schluss gibt es immer noch Espresso.«

»Ein genauer Stundenplan, Respekt.«

»Der Josef Huber war Oberstleutnant bei der Bundeswehr. Jetzt ist er pensioniert wie du.« Franz hob vielsagend die Brauen.

»Die Menschen sind, wie sie sind. Aber wie gesagt, vielleicht finden wir Dagmar bis dahin selbst.« Max hoffte inständig, dass es so wäre. Am Ende hätten sie alle beide sonst möglicherweise noch heute Nacht einen weiteren Entführungsfall oder Schlimmeres an der Backe.

»Ruf mich aber trotzdem gegen 22 Uhr an«, meinte Franz.

»Also doch. Warum?«

»Das Essen ist wirklich in Ordnung. Aber die Unterhaltungen mit den Hubers sind stinkfad. Ihre Kinder, ihr letzter und ihr kommender Urlaub, ihre neue Wohnungseinrichtung, vor allem die seit zwei Jahren neue Küche. Immer dasselbe. Langweilerthemen ohne Ende. Bei starkem Föhn wie heute ist es immer besonders schlimm. Da jammern die beiden auch noch in einer Tour über ihre Wehwehchen. Der blanke Horror.«

»Da reden wir zwei natürlich über interessantere Dinge miteinander, wie zum Beispiel Mord und Totschlag oder die Bierpreise, stimmt’s?«

»Genau.« Franz nickte begeistert.

»Und deswegen soll ich dich anrufen? Nur damit du einen Grund hast, dort zu verschwinden, sobald du dir den Bauch vollgeschlagen hast?« Max schüttelte den Kopf.

»Was geht über eine überzeugende Erklärung, um sich vom Acker zu machen?« Franz grinste.

»Gehen wir dann mal?«, wandte sich Mathilde an Max. »Oder gibt es noch mehr zu klären? Vielleicht, welcher Schnaps bei den Hubers zum Espresso gereicht wird?«

»Dort gibt es meistens billigen Weinbrand«, winkte Franz ab. Ob er schlicht und ergreifend nicht mitbekam, dass sie ihn auf den Arm nahm, oder ob er es überging, war seinem Gesichtsausdruck nicht anzusehen. »Ein ekelhaftes Zeug. Dabei habe ich ihnen schon hundertmal aufgetragen, einen anständigen Enzian zu besorgen.«

»Enzian ist doch eine Blume.« Mathilde machte große Augen. »Die kenne ich aus den Heidi-Filmen.«

»Enzian ist nicht nur eine Blume, sondern auch ein Schnaps«, erklärte ihr Max mit erhobenem Zeigefinger.

»Tatsächlich?«

»Ja, ein guter sogar«, fuhr der Herr Oberlehrer Raintaler mit erhobenem Zeigefinger fort. »Mir persönlich schmeckt er jedenfalls. Natürlich darf man nicht zu viel davon trinken, sondern nur gelegentlich ein kleines Stamperl.«

»Ein ganz kleines«, meinte Franz mit ernster Stimme.

Dass er und Max bei ihren Aussagen nicht rot anliefen und ihnen dabei keine langen Nasen wuchsen, sprach für ihre jahrelange Verhörerfahrung mit Kriminellen. Von denen lernte offenkundig jeder irgendwann das Schwindeln. Zwei erfolgreiche Ermittler wie sie erst recht.

»Sachen gibt’s.« Mathilde schüttelte den Kopf.

»Dann mach’s gut, Franzi.« Max erhob sich.

Sie tat es ihm gleich.

»Bis später.« Franz stand ebenfalls auf.

Er gab Mathilde links und rechts ein Küsschen auf die Wangen. Dann nickte er Max kurz zu und entfernte sich leicht wankend Richtung Sendlinger Tor, wo er für den letzten Rest seines Heimwegs die Trambahn nehmen wollte.

Max und Mathilde sahen ihm eine Weile nach.

»Ich muss kurz noch jemandem Bescheid sagen, bevor wir losgehen«, meinte Max, sobald Franz nicht mehr zu sehen war.

Er holte sein Smartphone heraus, trat zwei Schritte beiseite, drehte sich um und schrieb Monika eine Nachricht, dass es auf jeden Fall später werden würde. Er habe es gerade möglicherweise mit einer Entführung zu tun. Da werde er dringend gebraucht. Es ginge dabei um Leben und Tod, wenn es ganz übel herging. Er käme aber trotzdem noch heute Abend zu ihr, sobald es möglich war. Sie solle sich keine Sorgen machen und ihm den Abwasch aufheben. Egal wie spät es wurde.

»Wartet deine Frau auf dich?«, fragte Mathilde, als er sich ihr wieder zuwandte.

»Ich habe keine Frau.« Er schüttelte den Kopf.

»Entschuldige, ich wollte nicht neugierig sein.«

»Kein Problem.«

Ich muss ihr ja nicht gleich auf die Nase binden, dass ich etwas locker Festes mit Monika habe. Geht niemanden außer Moni und mich etwas an.

»Dann gehen wir jetzt?«

»Du könntest mir übrigens ein Bild von Dagmar auf mein Handy schicken. Hast du eins dabei?«

Mord am Viktualienmarkt

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