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Max kam gegen 2 Uhr bei Monika an. Er klopfte laut an die Tür ihrer Kneipe, über der sie ihre kleine, aber feine Wohnung hatte. Klingel gab es keine. Normalerweise schlief er drüben in Thalkirchen in seiner eigenen Zweizimmerwohnung, weil Monika es nicht mochte, wenn sie so eng aneinanderklebten. Es würde ihrer Beziehung nur schaden, meinte sie.

Außerdem behauptete sie, dass er sehr laut schnarche. Das bezweifelte er allerdings. Es war bestimmt nur eine Ausrede von ihr, damit er ihr nicht zu nahe kam. Sie hatte ein echtes Problem mit dauerhafter Nähe. Bereits zwei Heiratsanträge hatte er ihr gemacht, aber sie hatte alle beide nicht angenommen. Eine Verletzung am Hinterkopf war jedoch ein guter Grund, die heutige Nacht bei ihr zu verbringen, meinte er.

»Wenn ich den Kerl erwische, der mich umgehauen hat, darf er sich auf was gefasst machen«, sagte er undeutlich zu ihr, als er mit ihr am Küchentisch der Kneipe saß. Er verzog dabei leidend das blutverkrustete Gesicht.

»Weißt du das jetzt?«

»Was?«

»Dass du niedergeschlagen wurdest?«

»Ja.« Max nickte. »Die von der Spurensicherung meinten, dass nirgends am Brunnen Blut von mir zu finden war, was eindeutig für einen Gegenstand spräche, mit dem ich niedergestreckt wurde.«

»Jetzt beruhig dich erst mal. Wie viel hast du denn getrunken?«

»So gut wie nichts.« Er sah sie verständnislos an. »Was denkst du denn von mir? Ich bin schließlich Sportler.«

»Sportler? Seit wann?«

»Tennis, Fußball, Skifahren. Ist das etwa nichts?«

»Doch, doch. Sehr sportlich.« Sie nickte. »Und warum lallst du dann?«

»Ich lalle nicht«, nuschelte er.

»Manche werden halt nie gescheit.« Sie nickte nicht mehr, sondern schüttelte missbilligend den Kopf.

»Na gut, es war heut ein bisserl mehr als normal«, gab er zu. »Aber es war wahnsinnig heiß mit dem ganzen Föhn und so. Da kriegt man Durst. Und wenn dann nichts anderes als Bier in der Nähe ist …« Er machte eine unbestimmte Geste. »Aber das ist schon etliche Stunden her.«

»Und warum lallst du dann?«

»Lalle ich wirklich?« Er sah sie ungläubig an.

»Ja.« Sie nickte entschieden.

»Vielleicht kommt’s von dem Schlag auf den Kopf?«

»Davon kriegt man Kopfweh, aber man lallt nicht.«

»Dann halt doch vom Schnaps«, räumte er nachdenklich ein.

»Ach geh. Wer wird denn vom Schnaps lallen?« Sie lachte höhnisch. »So was hat die Welt noch nicht gehört. Herrgott noch mal, Max. Warum trinkst du bei der Affenhitze denn kein Wasser?«

»Du weißt genau, dass ich kein Wasser vertrage.« Sein Gesichtsausdruck war ein einziger großer Vorwurf. »Davon krieg ich jedes Mal dieses mörderische Sodbrennen, und von dem bekommt man auf Dauer ein Magengeschwür, hat mein Arzt gesagt, wie du sehr wohl weißt. Außerdem wollten Franzi und ich die Lösung unseres letzten Falls feiern.«

»Ich höre immerzu feiern. Ich feiere doch auch nicht jedes Fleischpflanzerl, das ich in den Biergarten trage.«

»Das ist auch etwas ganz anderes. Wir hatten eine Feier nach wochenlangen anstrengenden Ermittlungen. Da trinkt man dann eben kein Wasser, sondern Bier. Niemand trinkt bei einer wichtigen Feier Wasser. Kein Mensch. Schon gar nicht, wenn ihn sein ältester Freund und Kollege einlädt.«

»Tatsächlich? Und was war das mit dem Schnaps?«

Er bemerkte, dass sie sich ein Grinsen verbeißen musste.

»Also, Franzi hat vorhin gemeint, ein Schnaps wäre das Beste nach einer Ohnmacht. Damit die Körpersäfte wieder in Schwung kämen. Da dachte ich, drei Doppelte davon wären sicher noch besser. Von wegen Heilungsprozess beschleunigen und so. War wohl falsch gedacht.« Er blickte ein wenig hilflos drein.

»Hast du ihn also erreicht?«

»Sicher. Er war längst mit Essen fertig. Hab ich das nicht gesagt?« Max zögerte, bevor er weitersprach. Sein Gedächtnis schien von dem Schlag auf den Hinterkopf tatsächlich einige Lücken zu haben. Hoffentlich kam da nicht noch etwas Schlimmeres nach. Eine Hirnblutung oder Ähnliches. Ein Koma zum Beispiel stellte sich schneller ein, als man dachte. Dann hing man dann womöglich jahrelang, ohne aufzuwachen, an den Maschinen im Krankenhaus. »Er kam mit mehreren Kollegen zu mir auf den Viktualienmarkt, nachdem ich ihn angerufen hatte. Wir suchten alle gemeinsam die Gegend nach Mathilde und Dagmar ab. Aber nix. Alle beide sind wie vom Erdboden verschluckt.«

»Wie du niedergeschlagen wurdest, hat auch keiner gesehen?«

»Zumindest niemand, den wir gefragt haben.« Er schüttelte mit schmerzverzerrtem Gesicht langsam den Kopf.

»Und jetzt?«

»Franz lässt gerade weiterhin in der ganzen Umgebung des Viktualienmarktes nach Mathilde und Dagmar suchen. Sogar mit Hunden.« Max hoffte, dass Franz mit seiner Suche Erfolg hatte. Er fühlte sich von dem ganzen Theater im Moment schlicht überfordert.

»Es wird eine große Suchaktion eingeleitet, nur weil zwei Touristinnen in der Nacht verschwunden sind? Vielleicht amüsieren sie sich ja einfach irgendwo.« Monika schüttelte ungläubig den Kopf.

»Nein, weil ihr Verschwinden mit der Körperverletzung eines Ex-Kommissars in Verbindung gebracht wird, weil beide nicht der Typ Frau waren, der unverantwortlich handelt, und weil alles zusammen mehr als mysteriös ist.«

»Mit der Platzwunde am Kopf musst du auf jeden Fall ins Krankenhaus«, fuhr sie, milder gestimmt, fort. »Aber zieh dich vorher um. Deine Jacke und dein Hemd sind voller Blut.«

»Kein Krankenhaus.« Er winkte rigoros ab.

»Warum nicht?«

»Schon mal was von Krankenhauskeimen gehört?«

»Was ist das?« Sie sah ihn neugierig an.

»Die holst du dir nur im Krankenhaus, und sie sind tödlich. Hunderttausende sterben pro Jahr daran. Ohne mich. Ich bin zu jung zum Sterben.«

»Und was soll ich jetzt tun?« Sie legte ihre Hände in den Schoß und sah ihn erwartungsvoll an.

»Die Wunde reinigen und ein Pflaster draufkleben.« Er senkte seinen Kopf, damit sie die verletzte Stelle besser sehen konnte.

»Auf die Haare?«

»Natürlich nicht.«

»Soll ich sie etwa wegrasieren? Dabei reiß ich doch bloß alles wieder auf. Mein Gott, hättest du dir denn keinen ungefährlicheren Beruf aussuchen können?«

»Drum herum.« Er kreiste mit dem rechten Zeigefinger über seinem Hinterkopf.

»Was, drum herum?« Sie hörte sich zunehmend ungeduldig an.

»Um die Wunde drum herum rasieren.«

»Was soll das bringen?« Sie schüttelte den Kopf.

»Dort, wo du rasiert hast, kannst du dann das Pflaster festkleben.«

»Und das soll auf den Stoppeln halten?«

»Dann musst du halt gründlich rasieren, Herrschaftszeiten noch mal.« Er klang nun ebenfalls ungeduldig. Obwohl sie kein altes Ehepaar waren, benahmen sie sich oft wie eines.

»Und die Haare, die auf der Wunde bleiben? Die wachsen sich doch ein.« Sie sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an.

»Dann rasier sie halt in Gottes Namen auch weg.« Er stöhnte genervt. »Ich werde es hoffentlich überleben.«

»Ich hole Pflaster und dein Rasierzeug von oben.« Monika drehte sich um.

»Ich gieße mir solange noch einen Schnaps ein.«

»Hast du nicht schon genug Alkohol intus?«

»Betäubung vor der Operation.«

»Aha.« Sie stieg kopfschüttelnd die knarrende Holztreppe hinter dem Tresen zu ihrer Wohnung hinauf. »Wie hat sie denn ausgesehen, deine Begleiterin, die zuletzt verschwunden ist?«, wollte sie noch wissen und blieb stehen.

»Normal.« Er blickte verständnislos drein.

»Was heißt das, normal?«

»Normal heißt normal. Kopf, Bauch, Beine, Arme. Was eine Frau halt so hat.«

»Sehr interessant.« Sie ging, ohne noch einmal zurückzublicken, weiter die Stufen hinauf.

Das Gespräch war für sie beendet. So wie ihre Gespräche jedes Mal dann beendet waren, wenn sie es für richtig hielt.

»Bist du etwa eifersüchtig?«, rief er ihr nach.

Keine Reaktion. Logisch. Er wusste, dass sie es, selbst wenn es so wäre, nicht zugeben würde.

»Okay, Max. Du brauchst jetzt wirklich dringend einen Schnaps«, sagte er zu sich selbst, stand schwankend auf, schlurfte in den Schankraum hinüber hinter den Tresen, nahm ein Flasche Grappa aus dem Regal dahinter und schenkte sich einen Dreifachen ein.

Bei einer Narkose, die wirken sollte, durfte man auf keinen Fall mit dem medizinischen Wirkstoff sparen. Das hatte er einmal in so einer Arztserie im TV gehört. Die Drehbuchautoren dort mussten es schließlich wissen.

Vielleicht hatte Monika recht und er sollte den Beruf wechseln. Zu oft war er in den letzten Jahren entweder angeschossen oder anderweitig verletzt worden. Aber was sollte er stattdessen tun? Ermitteln konnte er nun mal am besten, und außerdem hatte er erwiesenermaßen Erfolg damit.

Mord am Viktualienmarkt

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