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Eine blonde Frau ging direkt auf Franz zu, der in der Reihe vor der Schänke stand und ungeduldig darauf wartete, dass es weiterging. Schließlich war er nicht zum Vergnügen hier. Er hatte Durst. Als sie näher kam, identifizierte er sie schnell als Dagmar, die größere der beiden Urlauberinnen, die neben ihm und Max am selben Tisch saßen.

»Hallo, Herr Franz«, sagte sie.

»Franz genügt.« Er lächelte freundlich.

»Gut, Franz. Darf ich Sie nun doch um einen Gefallen bitten?«

»Wenn ich ihn erfüllen kann, gerne.« Er lächelte breiter.

»Könnten Sie Mathilde bitte ein Bier mitnehmen? Ich habe gerade einen Anruf von einem guten Bekannten bekommen und muss unbedingt persönlich ein paar Worte mit ihm wechseln.«

»Kein Problem«, erwiderte er. »Das hätten Sie aber auch gerne vorhin am Tisch sagen können.«

»Ich wollte nicht unverschämt wirken. Hier.« Sie hielt ihm einen Zehneuroschein hin.

»Lassen Sie nur.« Er winkte ab. »Das können Sie mir später geben. Ich leg es derweil für Sie aus.«

»Aber nehmen Sie doch.« Sie wedelte mit dem Geld.

»Passt schon.«

»Wirklich?«

»Ja.«

»Dann danke vielmals. Das ist wirklich sehr nett von Ihnen.« Sie schenkte ihm einen kurzen, offenen Blick, verstaute das Geld in ihrer Handtasche, verabschiedete sich von ihm und schickte sich an, Richtung Marienplatz davonzugehen.

Nach zwei Schritten drehte sie sich noch einmal zu ihm um.

»Ich bin in einer guten halben Stunde zurück«, sagte sie. »Gehe nur vor zum Rathaus. Kann ich Mathilde solange beruhigt Ihrer Obhut überlassen?«

»Selbstverständlich. Sie können meinem Freund Max und mir blind vertrauen.« Franz nickte.

»Das hört man gerne. Bis dann.« Sie winkte ihm zu und entfernte sich.

Franz blickte ihr immer noch breit lächelnd nach. Gut, dass ihn seine bessere Hälfte Sandra gerade nicht sah. Sie hätte bestimmt gleich wieder einen Grund für ihre fast schon sprichwörtliche Eifersucht entdeckt.

»Der Nächste!«, machte sich der schnauzbärtige Schankkellner mit laut schallendem Bariton bemerkbar.

»Drei Halbe, bitte. Aber gut eingeschenkt.« Franz wusste, dass sie es hier mit dem Eichstrich auf dem Glas nicht so genau nahmen. Für ihn ging so etwas gar nicht. Es kam einer Todsünde gleich, beim Bierausschank nicht korrekt vorzugehen. Da hörte jeglicher Spaß auf. Das hier war schließlich nicht Timbuktu, sondern die bayerische Landeshauptstadt. Ein Ort der altehrwürdigen Biertradition und der dazugehörigen Ernsthaftigkeit.

»Bei uns wird immer gut eingeschenkt«, erwiderte der riesige, knorrige Bursche mit den leuchtend blauen Augen.

»Da habe ich aber etwas anderes gehört.« Franz sah ihn unbeeindruckt an.

»Dann haben Sie etwas Falsches gehört.«

Der auf einmal reichlich pampige Tonfall des Bierverkäufers legte die Vermutung nahe, dass er, wie so viele andere, den starken Föhn am heutigen Tag nicht vertrug. Kunden, die ihm Widerworte gaben, offenbar erst recht nicht.

»Das glaube ich weniger.« Franz konnte es nicht leiden, wenn man ihm unfreundlich kam. Wer konnte das schon. Gleichzeitig machte er sich Vorwürfe, dass er im Moment wohl selbst nicht unbedingt der zuvorkommendste Zeitgenosse unter der Sonne war. Schließlich hatte er schon herumgemotzt, bevor der Mann überhaupt einschenken konnte. Auch nicht gerade die feine bayerische Art.

Jetzt lass ihn halt in Ruhe seine Arbeit machen. Er hat es auch nicht leicht bei dem heißen Wetter und dieser Masse an Leuten.

»Dann glauben Sie halt das Falsche.«

»Bekomme ich jetzt mein Bier, oder ist das hier neuerdings ein Debattierklub?« Franz lachte kurz über den seiner Meinung nach gelungenen Scherz, den man allerdings auch als ernst gemeint auffassen konnte.

»Wenn Sie sich weiter so aufspielen, kriegen Sie gar nichts von mir.« Der Schankkellner stemmte seine Hände in die Hüften. Er schien den Spruch von Franz nicht witzig zu finden und blickte ihn herausfordernd an.

»Da schau her. Sie wollen der Münchner Kripo also ihr wohlverdientes Feierabendbier vorenthalten«, scherzte Franz weiter.

Eines ist sicher. Der geht zum Lachen in den Keller.

»Wenn du Gartenzwerg von der Kripo bist, bin ich der Kaiser von China.« Der Schankkellner grinste höhnisch, während er mit einem abschätzigen Blick auf Franz hinunterblickte.

Der zückte nur lässig seinen Dienstausweis und hielt ihn seinem Gegenüber mit ausgestrecktem Arm unter die Nase.

»Und jetzt hätte ich gern mein Bier, Eure Majestät«, sagte er. »Gut eingeschenkt, wie gesagt. Bitte schön.« Er lächelte übertrieben liebenswürdig. Dann steckte er seinen Ausweis wieder ein.

»Äh, selbstverständlich, Herr Hauptkommissar. Das konnte ich ja nicht wissen.« Der Schankkellner deutete eine kleine Verbeugung an. Er errötete. Von einer Sekunde auf die andere standen kleine Schweißperlen auf seiner Stirn.

Franz grinste innerlich. »Jaja«, sagte er abwinkend, »schon recht.«

Schon merkwürdig, wie viele Zeitgenossen im Angesicht der Polizeimarke ein schlechtes Gewissen zur Schau tragen. Es muss mehr Leichen in den verschiedenen Kellern dieser Welt geben, als wir jemals finden können. War ich gerade ein Arschloch? Ich glaube schon. Egal.

Dann nahm er seine drei gut eingeschenkten Halben entgegen, bezahlte und ging zu Max und Mathilde zurück an den Tisch.

Mord am Viktualienmarkt

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