Читать книгу Lebendig! - Michael Herbst - Страница 30
Der Heilige Geist kommt als Tröster: der Raum, in dem es weint
ОглавлениеIm Griechischen heißt der Heilige Geist auch »Paraklet«. Das kann man übersetzen mit »Beistand« oder »Tröster«. Trösten ist so sehr das »Amt« des Heiligen Geistes, dass es zu seinem Namen wird: der Tröster. So wird sein Wesen gekennzeichnet. Es heißt schon etwas, wenn jemand August der Starke oder Hägar der Schreckliche genannt wird. Jesus stellt uns Gott, den Heiligen Geist, als den Tröster vor. Gottes Wesen ist Trösten. Das ist keine Nebenbeschäftigung Gottes, wenn er gerade nichts anderes vorhat. Gottes Wesen ist voller Erbarmen und Nähe. So denkt er von uns: voller Erbarmen. Das können wir uns kaum vorstellen, dass Gott nicht andauernd über uns nörgelt und an uns herumkrittelt, dass er nicht völlig zu Recht unzufrieden, enttäuscht und bitter ist, sondern voller Erbarmen und Trost.
Ist er aber der Tröster, dann sind wir die, die Trost brauchen. Es gibt diesen Raum in uns, in dem es weint. Wir sind manchmal untröstlich. Unser Dasein hat manchmal etwas Trostloses. Und echter Trost, der mehr ist als billiges Vertrösten, ist eine seltene Angelegenheit. Viele kennen nur das trostlose Trösten, das den Schmerz verstärkt. Am Ende ist man einsamer als vorher. Da betet einer in Psalm 69,21: »Ich warte, ob jemand Mitleid habe, aber da ist niemand, und auf Tröster, aber ich finde keine.« Manchmal liegt es auch an uns selbst. In Psalm 77,3 muss sich einer eingestehen: »Meine Seele will sich nicht trösten lassen.«
Dabei sind wir so sehr trostbedürftig. Die großartige Krimi-Serie »Broadchurch« erzählt den schrecklichen Mord an einem Kind. Untröstliche Eltern, deren Liebe an diesem Verlust fast zerbricht. Mit der Zeit entfaltet sich das Bild eines untröstlichen Dorfes, lauter Menschen, in denen es irgendwo weint. Ein Pfarrer mit Alkoholproblemen. Eine Frau, deren Mann die gemeinsamen Töchter missbrauchte. Ein Kioskbesitzer mit dunkler Vergangenheit, voller Schuld, aber auch voller Leid. Ein kranker Kommissar, der nicht verwinden kann, einmal einen Mörder nicht dingfest gemacht zu haben. Unter dem Strich sind alle »nicht ganz bei Trost«, in vielem untröstlich, in manchem einfach trostlos. Eine Botschaft der Serie lautet: Bei jedem gibt es so etwas, das nach Trost schreit, nach neuer Lebenskraft und neuem Mut.
Aber wie sollen wir denn getröstet werden, wie macht das der Geist in seiner Hauptbeschäftigung als Tröster, wenn er in uns wohnt? Zunächst gibt es hier eine sehr nüchterne Auskunft: Der Geist zieht offenbar nicht als der Krisenvermeider und Glücksbringer bei uns ein, denn dann bräuchte es keinen Trost. Der Tröster ist kein Magier. Es bleibt dabei, dass wir ein trostbedürftiges Leben führen. Mündigkeit des Christenlebens meint nicht, dass wir fortan keinen Trost mehr brauchen.
Auch Christen erleben vieles, wo sie Trost benötigen: die schmerzliche Einsicht im Studium, dass andere besser sind und die eigene Begabung begrenzt ist; die Einsamkeit, wenn ihnen kein Partner an die Seite gestellt ist; das Unbewältigte aus manchen Dramen der Kindheit; die Not mit den eigenen Kindern, die es schwer haben oder uns durch ihre Entscheidungen das Herz schwer machen; der Kummer nach einem Verlust; die Mischung aus Wut und Verletztheit, wenn wir verlassen werden. Und so häufig sehnen wir uns nach einer Lösung. Es soll vorbei sein. Es soll weggehen. Wie wunderbar, wenn es das tut! Wie großartig, wenn Gott Türen öffnet! Aber manchmal schlagen sie nur so vor uns zu und wir sind untröstlich. Es wird nicht besser, manches wohl nie mehr. Es geht nur hindurch. Trost liegt zwischen purem Glück und letzter Trauer. Es gibt Trost nicht in der Abwesenheit von Schmerz, sondern mitten im Schmerz. Dann kommt Jesus und sagt: Ich bin immer noch da und ich werde nicht gehen. Ich packe nicht die Koffer, wenn dich Menschen im Stich lassen. Ich ziehe nicht aus, weil es bei dir ungemütlich wird. Ich bleibe. Ich halte dich. Ich bringe dich da durch. Das, was du durchmachst, hat nicht das letzte Wort in deinem Leben. Niemals werde ich dich im Stich lassen.
Der Geist ist ein Tröster. Die Behutsamkeit Gottes geht so weit, dass der Tröster sein Trösten oft tief verbirgt. Er verbirgt sich in einer freundlichen Geste, einem guten Zuhörer, einer Melodie, die mich aufrichtet. Er ist kein eiliger Tröster, der sich mit ein paar flachen Sprüchen seiner Aufgabe entledigt. Er verbirgt sich in einer aufmerksamen Karte, einem verständnisvollen Gespräch, einem starken Kaffee. Am liebsten aber tröstet der Geist durch das, was sein Ureigenstes ist: im Zuspruch eines Wortes Gottes oder im Empfang von Brot und Wein beim Abendmahl. Martin Luther wurde getröstet, wenn er an die Taufe dachte. »Ich bin getauft«, das war ihm letzter Halt in aller Krise. »Ich bin getauft«, also ist Gott mir gut. Pfingsten sagt uns: Rechne nicht mit Magie, aber mit Trost. Stell dich ein, wo der Trost zu erwarten ist. Du darfst damit rechnen, getröstet zu werden.
Wie ist das, getröstet zu werden? Die Tränen trocknen, das Schluchzen erschöpft sich. Wir heben den Kopf, wir atmen durch. Wir sehen wieder klar. Wir stehen auf. Es geht weiter. Es ist nicht zu Ende mit uns. Wir spüren ein bisschen Mut und ein wenig Kraft. Das Leben hat auch wieder helle Seiten. Wir spüren Zuversicht: Am Ende macht Gott es gut, selbst mit uns. Ein bisschen Freude lugt um die Ecke. Der Herr ist gut. Der Geist ist Tröster. Gott sei Dank!