Читать книгу Stil und Text - Michael Hoffmann - Страница 12
2.2 Musterbasiertheit 2.2.1 GestaltungsmusterGestaltungsmuster allgemein: Komponenten des Musters Gestalten
ОглавлениеAn unserer ersten Station auf dem Weg zu einer Stildefinition wollen wir auf die Frage eingehen, wie der Stil eines Textes eigentlich in den Text „hineinkommt“. Für die Antwort auf diese Frage erweist es sich als nützlich, wenn nicht als unumgänglich, den stilistischen Aspekt der Textproduktion mit dem Begriff Gestaltung zu erfassen. Mit Hilfe dieses Begriffs können wir Stil als ein Gestaltungsprodukt bestimmen. Wir können sagen, dass er durch einen GestaltungsaktGestaltungsakt hervorgebracht wird und dass Gestaltungsakten ein GestaltungsmusterGestaltungsmuster zugrunde liegt. Ein prägnanterPrägnanz/Prägnant-Machen stiltheoretischer Leitsatz lautet ganz in diesem Sinne: Stil beruht auf dem Muster Gestalten (vgl. Püschel 1995: 306). Da es naturgemäß viele unterschiedliche Stile gibt, müsste es eigentlich dementsprechend viele Gestaltungsmuster geben. Nun besagt der Leitsatz aber gerade, dass es ein einziges Muster gibt, nämlich das Muster Gestalten. Wie lässt sich diesem offensichtlichen Widerspruch Logik abgewinnen? Etwa so: Wenn von dem Muster Gestalten die Rede ist, dann gerät immer das Allgemeine, das allen Gestaltungsakten zugrunde liegt, in den Blick. Man kann es mit Ulrich Püschel noch deutlicher sagen und Gestalten als „das allgemeinste oder zentrale Stilmuster“ (1995: 307) bestimmen. Wenn hingegen im Plural von Gestaltungsmustern die Rede ist, dann werden einzelne, spezifizierte, konkret bestimmbare Gestaltungsakte in ihrer Musterhaftigkeit erfasst. Im Folgenden sei versucht, das Allgemeine (das Muster) und das Einzelne (die Muster) etwas ausführlicher zu beschreiben und voneinander abzugrenzen.
Gestalten heißt allgemein gesehen, einer x-beliebigen Sache (Gegenstand, Zustand, Prozess, Handlung usw.) eine bestimmte Form zu geben, und zwar – wie sogleich hinzugefügt werden muss – nach einem Formgebungsprinzip oder einer Formgebungsidee, denn nicht jede Formgebung ist per se ein GestaltungsaktGestaltungsakt. Wer eine Tasse oder einen Krug töpfert, gibt Gefäßen erst einmal eine Form, die sich als Tasse oder Krug zu erkennen gibt, ohne dass bereits ein Gestaltungsakt vollzogen sein muss. Wer einen Satz nach grammatischen Regeln produziert und Wörter nach grammatischen Regeln einbindet, gibt dem Satz und den Wörtern zweifellos einen Form, aber eben eine grammatische Form. Wer einen Text produziert, ein TextthemaTextthema abhandelt, orientiert sich bei der Textbildung zum einen an textgrammatischen Regeln, zum anderen an kommunikativen Gesichtspunkten und in diesem Zusammenhang auch an Formgebungsprinzipien. So kann man das Thema eines Textes anschaulich abhandeln (z.B. in Lehrbüchern) oder theoretisch-abstrakt (z.B. in wissenschaftlichen Aufsätzen). Vielfach ist die Gestaltung mehr oder weniger vorgeschrieben, so in Protokollen, wo es auf GenauigkeitGenauigkeit ankommt, oder in Festreden, die nach einem feierlichen Stil verlangen. AnschaulichkeitAnschaulichkeit, AbstraktheitAbstraktheit, Genauigkeit und FeierlichkeitFeierlichkeit sind Beispiele für Formgebungsprinzipien. Beispiele für Formgebungsideen findet man z.B. in Werbeanzeigen, die in Gedichtform verfasst sind, in Kontaktanzeigen, in die Märchenelemente eingeflochten sind, oder in den Laut- und Buchstabengedichten der Konkreten Poesie. Gestaltungsakte vollziehen sich nicht im luftleeren Raum. So bildet insbesondere die TextsorteTextsorte (z.B. Lehrbuch, Protokoll, Festrede, Werbeanzeige, Kontaktanzeige, Gedicht) den Rahmen für die Entfaltung von Formgebungsprinzipien und Formgebungsideen. Mit diesen beiden Stilkategorien ist eine wichtige Komponente des Musters Gestalten gewonnen: das Ziel, das anvisierte Ergebnis des Gestaltens. Um es zu erreichen, müssen geeignete Prozeduren, d.h. Formgebungsverfahren umgesetzt und geeignete Formgebungsmittel eingesetzt werden. Musterbildend sind also neben einer Zielkomponente (finalen Komponente) auch eine prozedurale und eine instrumentale Komponente. Das Muster Gestalten stellt sich mithin als eine Drei-Komponenten-Struktur dar, bei der wir, um zu verdeutlichen, dass es sich um Einheiten dieses Musters handelt, die Bezeichnung Formgebung durch die Bezeichnung Gestaltung ersetzen (siehe Tab. 1).
Finale Komponente | Prozedurale Komponente | Instrumentale Komponente |
GestaltungsprinzipienGestaltungsprinzipGestaltungsideenGestaltungsidee | GestaltungsverfahrenGestaltungsverfahren | GestaltungsmittelGestaltungsmittel |
Tab. 1: Komponenten des Musters Gestalten
Wir werden das Muster Gestalten an passender Stelle (siehe 2.5.1) zu vervollständigen haben.