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1.2.1 FormulierungskompetenzFormulierungskompetenz

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Der Begriff FormulierungFormulierung nimmt Bezug auf „das Resultat in der Verwendung von Sprache durch einen Autor beim Herstellen eines Textes“ (Michel 2001: 36). Die FormulierungskompetenzFormulierungskompetenz umfasst u.a. Kenntnisse darüber, wie man Sachverhalten eine angemessene sprachliche Form geben kann. AngemessenheitAngemessenheit ist ein kommunikatives Grundprinzip; es gehört zum Kanon der Schulrhetorik (vgl. Plett 2001: 27ff.). Seine Befolgung erfordert die Wahl einer Ausdrucksweise, die

 der Persönlichkeit des Textproduzenten, darunter seinem Ethos entspricht;

 den sozialen Status, den Verstehenshorizont und die Textverarbeitungskapazität des Rezipienten berücksichtigt;

 auf den Redeanlass zugeschnitten ist;

 zur Art und Bedeutsamkeit des Redeinhalts passt.

Formulierungsleistungen sind folglich in mehrfacher Hinsicht textkommunikativ relationiert. Insofern kann es keine allgemeingültigen Grundsätze für einen guten, d.h. angemessenen Stil geben. Gerade dies wird aber häufig von praktischen Stillehren bzw. Stilratgebern postuliert. Da heißt es z.B. in einem umfangreichen populärwissenschaftlichen Zeitungsbeitrag mit dem Titel „Eine Deutsch-Stilkunde in 20 Lektionen“, verfasst von Wolf Schneider (Die Zeit, Nr. 20/2012, Beilage, 8–31): „Verachten wir den Wissenschaftsjargon“ (S. 18). Als Beispiel für diese verachtenswerte Stilform wird eine Passage aus einem Vortrag zitiert, den eine Professorin der Universität Konstanz gehalten hat:

Die emphatische Standortbezogenheit, die Affirmation von Differenz und der dekonstruktivistische Blick, der explizite Traditionen und implizite Selbstverständlichkeiten als von Interessen gesteuert durchleuchtet, enthalten ein sozialrevolutionäres Potenzial, das auch für identitätspolitische Zwecke nutzbar gemacht werden kann. (Ebd.)

Dieser Stil ist einerseits zweifellos unangemessenUnangemessenheit, denn die Professorin hat die Textverarbeitungskapazität ihres Publikums missachtet. Andererseits ist wissenschaftlicher Stil typischerweise theoretisch-abstrakt, und in dieser Hinsicht (StimmigkeitStimmigkeit zwischen FormulierungFormulierung und Redeinhalt) ist ihr Stil durchaus angemessen. Er signalisiert, dass ein intellektueller ErtragErtragintellektueller erzielt werden soll. Die Formulierungsleistung ist also insgesamt als zwiespältig zu beurteilen (und nicht pauschal zu verurteilen).

Höchst problematisch ist auch das Stilgebot, auf den NominalstilNominalstil als „Krone der Hässlichkeit“ (S. 21) zu verzichten. Als Beispiel wird ein Text aufgeführt, der im Jahre 2012 an Abfallkörben auf Autobahnparkplätzen in Deutschland zu lesen war: „Nur Reiseabfälle. Zuwiderhandlungen werden als unerlaubte Sondernutzung zur Anzeige gebracht.“ (Ebd.) Wolf Schneider nimmt erstens Anstoß am FunktionsverbgefügeFunktionsverbgefüge zur Anzeige bringen, das er durch das einfache Verb anzeigen ersetzt haben möchte, und zweitens am „Bürokratenjargon“ generell. Man könne – so der Stilkritiker – den zweiten Satz des Textes in ein „drastisch besseres Deutsch“ bringen, indem man ihn so formuliert: „Sonst kriegen Sie Ärger!“ Doch sind Schneiders Umformulierungsvorschläge wirklich echte Formulierungsalternativen? Natürlich nicht! Denn würden sie in die Tat umgesetzt, ginge etwas Entscheidendes verloren: der amtliche NachdruckNachdruck, amtlicher, mit dem auf juristische Konsequenzen eines Zuwiderhandelns hingewiesen wird. Würde die Aufschrift an Abfallkörben wie vorgeschlagen umformuliert, trüge sie Merkmale des Alltagsstils: Die Verben anzeigen und kriegen sowie das Substantiv Ärger verweisen auf EinfachheitEinfachheit, das Verb kriegen außerdem auf Umgangssprachlichkeit bei der Wortverwendung. Dies aber wäre unangemessenUnangemessenheit und brächte den anvisierten sozialen ErtragErtragsozialer in Gefahr.

Die PassivformPassivform/-konstruktion, von Wolf Schneider als „hässlichste Form des Verbs“ (S. 17) gegeißelt, ist in grammatischer Hinsicht eine morphologische Alternative zur Aktivform, in stilistischer Hinsicht ein GestaltungsmittelGestaltungsmittel. Eine Form wie werden zur Anzeige gebracht erzeugt nicht nur UnpersönlichkeitUnpersönlichkeit, sie ermöglicht es darüber hinaus, den betreffenden Sachverhalt als allgemeingültig in den Vordergrund zu rücken. Passivformen haben deshalb auch in wissenschaftlichen Texten ihren angestammten Platz. Als formulierungskompetent erweisen sich die Produzenten längerer Texte jedoch nur dann, wenn sie Ersatzformen des Passivs kennen und verwenden, um Monotonie im Stil zu vermeiden.

Wir können uns nicht mit jeder der 20 stilkundlichen Lektionen auseinandersetzen. Ein gewisser Nutzen ist textkommunikativ unspezifizierten Stilregeln nicht abzusprechen. Sie sind dabei behilflich, eigene Formulierungsleistungen auf den Prüfstand zu stellen, sie dahingehend zu prüfen, ob jedes Wort nötig, treffend und am richtigen Platz ist. Fragwürdig werden solche Stilregeln, wenn Formulierungsleistungen ohne Rücksicht auf ein konkretes textkommunikatives Umfeld als Fehlleistung bewertet und mit Auszügen aus poetischenPoetizität/poetisch Texten konfrontiert werden, die als Beispiele für stilistisch vorbildhaftes Formulieren dienen. Dies ist auch insofern ein fragwürdiges Verfahren, als sich genügend Gegenbelege ausfindig machen ließen, d.h. poetische Textpassagen, die als Verstöße gegen Regeln eines guten Stils zu bewerten wären, da sie „garstige Nominalkonstruktionen“ (S. 8), „ausgeleierte Redensarten“ (S. 15) oder „vermaledeite vorangestellte Attribute“ (S. 22) enthalten. Doch es gibt auch Formulierungsberatung der besseren Art – praktische Stillehren, die zielgruppen- und praxisorientiert verfasst sind. Verwiesen sei auf das Buch von Karl-Heinz List (2007), das sich an Führungskräfte in Unternehmen wendet und mit Mustertexten zu unternehmensrelevanten TextsortenTextsorte aufwartet, auch mit Texten zur Firmen-SelbstpräsentationSelbstpräsentation im Internet.

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