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Dezember
Оглавление»Und wie steht es um Ihr nächstes Buch?«, fragt Enzensberger heiter. »Nach dem, was man so hört, sitzen Sie ja den ganzen Tag an der Schreibmaschine. Also müsste es doch bald fertig sein.«
Sogleich entstehen Angst und Paranoia. Frau K. hat ihm erzählt – »was macht denn eigentlich der R. den ganzen Tag?« –, dass sie es nicht weiß, dass sie ihn nur öfter tippen hört.
Demnächst kommen alle in das Zimmer von R., stellen sich vor ihm auf und fragen ihn detailliert aus, was er in der letzten Zeit gearbeitet habe. Dann muss er gestehen.
Den ganzen Tag lang schneit es unaufhörlich. So dauert es abends eine Stunde, bis R. von der Redaktion nach Hause kommt. Aber nicht nur ihm, auch den anderen scheint diese zögernde, vorsichtige, äußerst langsame Art des Autofahrens Spaß zu machen; »man merkt wieder, dass man fährt«, bemerkte Christel Doppler am Nachmittag.
Der Innenraum des Autos schafft unter diesen Bedingungen eine Geborgenheit und Intimität, die sonst nur in schwächeren Dosierungen zu haben ist. Als R. vom Mittleren Ring nach Schwabing abbiegt – in einer ununterbrochenen Schlange –, müssen sie wiederum stehenbleiben. Ein Auto vor R. kommt, als es erneut losgeht, nicht vom Fleck, die Reifen drehen leer auf der vereisten Straße. Ruhig schaut R. zu, wie eine junge Frau aussteigt und den Wagen anzuschieben versucht, erfolglos – geradezu gelähmt schaut er zu.
Zwar kommt ihm der Gedanke, er könnte aussteigen und ihr anschieben helfen. Aber ihm fehlt jede Vorstellung, wie er den Gedanken verwirklichen sollte. Denen, die hinter R. kommen, geht es augenscheinlich genauso. Vielleicht befürchten sie alle, angesteckt zu werden, wenn sie aus dem Auto steigen, es hinterher nicht mehr in Bewegung bringen zu können.
Erst einer, der überholt und rechts einschwenkt, traut sich und hilft beim Anschieben. Dann fahren alle weiter.
Die Mittagsrunde um den Verleger und die Herausgeberin, erzählt Michel, habe sich augenscheinlich aus dem Tivoli verlagert: in ein neu eröffnetes italienisches Spezialitätengeschäft, das auch eine Art Imbiss betreibe.
Dort habe er, erzählt Michel, die Herausgeberin darüber aufgeklärt, dass der Rechtsanwalt Illert an Wartmanns Toplitzsee-Reportage nicht präzise 50 problematische Punkte entdeckt, vielmehr nur über den Daumen gepeilt habe, dass ungefähr 50 Personen auftreten, mit denen juristische Auseinandersetzungen zu erwarten sein könnten.
Nein, habe die Herausgeberin in ihrer Kleinmädchenmanier beteuert, zu ihr habe der Rechtsanwalt Illert von genau 50 problematischen Punkten gesprochen, ganz bestimmt! 50 problematische Punkte und kein einziger mehr! Das wisse sie nun einmal ganz genau.
»Und dann muss sie immer gleich so dramatisieren: Am Ende versprach sie, der Verlag werde sogleich den Rechtsanwalt wechseln.«
Hans Paeschke, der verrentete Herausgeber, trägt eine dunkelbraune Cordhose, einen Rollkragenpullover in beige, eine Cordjacke in hellerem Braun (Freizeit-Look) und darüber eine Art Cord-Anorak, naturfarben, mit Wollpelz gefüttert.
R. macht eine seiner Visiten in Michels Zimmer. »Sagen Sie«, fragt Michel, als die Zeit zum Aufbruch kommt, »hätten Sie Lust, noch etwas zu arbeiten?« R. streckt bereitwillig die Hand nach dem Manuskript aus, das Michel in der seinen hält. »Ich will Sie zu nichts zwingen. Vielleicht macht es ja auch Spaß.« Keine Spur von Bosheit; reines Wohlwollen.
»Sie sehen ja scheußlich aus«, so Kathrin zu Goetz. Er hat sich die Haare geschnitten: Schläfen und Hinterkopf kahl. »Wie ein Rechtsradikaler.« – »Da ist was dran.« In der U-Bahn habe ihn ein älterer Mann lange gemustert und schließlich resümiert: »Du bist doch auch ein alter Nazi.«
Später, nach dem Kino, in der Gaststätte Kaisergarten erklärt er, dass sein Parfüm Aramis heiße – Kathrin hatte danach gefragt – und dass er die Marke schon seit zehn Jahren verwende.
Regelmäßig vor Weihnachten, erzählt Michaela Raeithel, laden Franz Schneider und seine Frau die Redaktion zu einem großen Abendessen in ihr Haus ein. Und ebenso regelmäßig finden sich auf dem gedeckten Tisch für alle Mitglieder der Redaktion Weihnachtsgeschenke: die silbernen Löffel, mit denen man die Suppe aß, die Tässchen, aus denen man zum Abschluss den Mokka trank – keine standardisierten Tassen im Übrigen, vielmehr habe Frau Schneider sie einzeln bei Antiquitätenhändlern gekauft.
Freilich sagen weder Herr noch Frau Schneider, so Michaela Raeithel, was diesmal als Weihnachtsgeschenk aufzufassen sei; das müsse man selber herausfinden – zuallererst, dass überhaupt Teile des Gedecks als Geschenke zu gelten haben. Man darf also dem Chef silberne Löffel klauen – am Ende waren sie gar nicht geklaut, man hat sie geschenkt bekommen.
R. zeigt Horst Königstein den Olympiapark. Es schneit ein wenig, es dunkelt schon. Im Stadion findet ein Fußballspiel statt. Königstein übersetzt das Publikumsgeheul sogleich in Orgasmustöne, »jaaa, gib’s Mutti tüchtig«.
Auch hört man die Musik von der Eisbahn, Roland Kaiser, wie Königstein sogleich weiß, »will dich lieben, dich berühren …« Vor allem aber weiß er, dass Kaiser nicht »berühren«, sondern »beröhren« singt – und das ergibt den Slogan des restlichen Tags. Immer wieder bricht einer in dies »dich beröhren« aus, auch später, als Kathrin dazukommt.
Goetz kommt zu Besuch: Sie schauen den »Tatort« mit Götz George als Kommissar Schimanski an – Goetz hat keine Ahnung, wer Heinrich George und Berta Drews waren –, dann spielt er die Stücke von seinen Schallplatten vor, welche ihm am besten gefallen – Ideal, Palais Schaumburg, UK Subs –, und sie reden.
Irgendwann erzählt er, dass er das neue Buch von Jochen Schimmang gelesen habe, und da geschieht Seltsames. Er bekundet nämlich den tiefsten Abscheu davor, das Buch sei doch einfach unmöglich, und in R. kommt – obwohl ihm das Buch ebenfalls missfiel – ein Wutanfall hoch.
Schwer zu sagen, was geschieht – R. hat auch schon wieder zu viel getrunken – jedenfalls hält R. nichts davon ab, Goetz niederzumachen, was in höhnischen Sprüchen über seine blondgefärbten Haarsträhnen kulminiert. Am liebsten hätte R. ihn wohl in Tränen ausbrechen sehen.
Michel, Frau K., Freyermuth und R. sitzen zusammen und beraten über das nächste Heft. Alle haben Notizblöcke dabei und schreiben auf; außer R., er hat fast demonstrativ darauf verzichtet.
»Und dann kommt ja noch die Marianne Hoppe von der Herausgeberin«, sagt Michel. – »Das muss der Magnus machen«, sagt Frau K. – »Ich weiß was Besseres«, sagt Michel, »wollen wir nicht den Michael bitten …« Alles lacht entzückt.
Es schneit, und sie machen Einkäufe. R. manövriert K. gegen ihren Widerstand zu einem Schmuckgeschäft in der Isabellastraße, das er immer schon mal beaugenscheinigen wollte. Aber Kathrin lässt sich dies und das nur lustlos zeigen; und R. hat das Gefühl, es sei alles Nepp, mehr: es sei sinnlos, so etwas überhaupt schenken zu wollen.
Als sie durch die Türkenstraße steuern, vorsichtig, gegen den Schnee, sagt eine Stimme »Grüß Gott!« R. blickt auf und versteht nicht gleich – »Frau Habermas! Guten Tag.« Sie verharren in kurzer Entfernung vor einander; keiner kann sich zum Weiter- oder zum Aufeinanderzugehen entschließen. Da ist er herbeigekommen und grüßt kurz. Was das Weitergehen bewirkt. »Sie machen also auch Weihnachtseinkäufe.«
Kathrin entdeckt im Schaufenster einer kleinen Goldschmiede einen Armreif, der einem Fingerring ähnelt, den sie schon besitzt: zwei ineinander verschränkte Hände. Sie gehen hinein und kaufen schließlich nicht diesen Reif, sondern ein goldenes Gliederarmband, das mit 450 Mark bei weitem mehr kostet, als R. eigentlich ausgeben wollte.
Aber er hat das Gefühl, einen großen Erfolg errungen zu haben.
Als Vorspeise gibt es grünen Salat mit Nüssen, Champignons und gebratenem Schinkenspeck, danach ein Gulasch mit Spätzle aus der Tüte, »Birkle als dentle«, wie Scheel spottet. R. trinkt Bier, die anderen Wein.
Bald konzentriert sich das Interesse auf die Schallplatten; Goetz legt sich aufs Sofa und hört mit geschlossenen Augen zu, während Scheel, Bernd Dürr und R. Nostalgisches über diese Musiken, die sie so lange begleiten, austauschen. Irgendwann hat sich Goetz erholt, er setzt sich zu Kathrin an den Esstisch, und R. schaut zu, wie die beiden sich intensiv unterhalten. R. hat durchgesetzt, dass Mahler gespielt wird, Stücke aus dem »Lied von der Erde« und den »Liedern eines fahrenden Gesellen«, und er hält einen langen Vortrag darüber, dass Sehnsucht die zentrale Triebkraft der Kunst sei.
Christine kommt zu ihm, umarmt ihn zärtlich und erklärt, das freue sie so außerordentlich, dass er so viel von Kunst verstehe. – »Ich? Aber ich hasse die Kunst! Ich hasse sie wirklich!«
Dann weiter mit dem Vortrag über die Sehnsucht, R. ist nicht aufzuhalten, gerade als Bildhauer müsse er, Bernd Dürr, Folgerungen aus Mahler ziehen, wahrscheinlich ist R. deshalb nicht aufzuhalten, weil er schon viel zu betrunken ist, er kann gar nicht mehr aufnehmen, was andere sagen.
Bernd Dürr ist tief beeindruckt. Beim Abschied küsst Gabi R. auf den Mund. Im Taxi schläft er ein.
Saigo hat Nicholas und dessen Freundin Yukio in eine kleine Stadt gelockt. Es kommt zu einem Kampf zwischen den beiden jungen Männern, dessen Ablauf in japanischer Kampfterminologie geschildert ist, weshalb man ihn nicht versteht, nicht verstehen will, »lohnt nicht die Mühe«.
Schließlich appliziert Saigo irgendein Nervengift, das Nicholas in Bewusstlosigkeit versetzt. Als er wieder erwacht, liegt er vor einem Bett, in dem Saigo mit der drogenbetäubten Yukio Geschlechtsverkehr hat, analen Geschlechtsverkehr, was Yukio Äußerungen höchster Lust entlockt.
Saigo verzögert seinen Orgasmus, kurz davor verlässt er Yukios Körper, wendet den gelähmten Nicholas auf den Bauch, dringt in dessen Hintern ein und entlädt sich dort. Da hört R. auf zu lesen.
R. nimmt sie nicht mit, die dunkelgrüne Schreibunterlage, er lässt sie in dem Büro, in das dann Freyermuth einziehen wird, auf dem Tisch liegen. Mag sein, dass es die ältere war, dass R. sie schon während des Studiums in Frankfurt gekauft hat.
Jedenfalls markierte sie während der ganzen Zeit präzise den Raum im Büro, der ganz und gar sein eigener war. Schon an den Grenzen begann das Aus- oder gar Feindesland.
Den ganzen Tag über meldet sich immer wieder mit großer Klarheit die Phantasie, Freyermuth werde auf seiner Autofahrt nach Hannover schwer, wenn nicht sogar tödlich verunglücken, weshalb die Notwendigkeit entsteht, für R. ein Arrangement zur weiteren festen Mitarbeit bei der Zeitschrift zu finden.
Den ganzen Tag beunruhigt R. aufs tiefste die Phantasie, dass er von nun an jeden Tag mit nichts als Schreiben ausfüllen könne. Als er abends auf der fünften Seite aufhört, ist das zugleich zu wenig und zu viel.
Sie gehen diesmal im Englischen Garten spazieren. Es schneit. Eine Frau fotografiert ein älteres Ehepaar (ihre Eltern oder Schwiegereltern), das sich an ein Brückengeländer lehnt. »Das ist das Schöne«, hört R. sie sagen, »dass ich euch ganz nah heranholen kann.«
»Sie hat zu Weihnachten eine Tele-Zoom-Objektiv geschenkt bekommen«, erklärt R. »Irgendwann kaufe ich mir mal ein Dreihunderter-Tele.« – »Das wird schön.«
Die Sonne scheint, der Schnee glitzert, und es sind viele Spaziergänger unterwegs an der Isar, beinahe noch mehr Skiläufer, die sich auf den markierten Loipen voranbewegen.
R. erfüllt Existenzangst. Was sich ihm hier darbietet, das ist die Menschheit, aus der er herausgefallen ist, wobei man Die Menschheit = Die Angestellten schreiben muss. Dass Kathrin und R., wie üblich bei den Spaziergängen, den Hund mit seinem Ball beschäftigen (insbesondere Kathrin beschäftigt ihn), erscheint R. als Ritual, das sie irrtümlicherweise nach der Katastrophe fortsetzen, als wäre sie ausgeblieben.
Sie erzählen einander die prähistorischen Liebesgeschichten. In dem Dänen Nils, berichtet Kathrin, habe sie sogleich die große Liebe ihres Lebens erkannt; es sei ihr auch gelungen, ihn zu interessieren, schließlich sei er gründlich in sie verliebt gewesen – aber als die Liebesidee wirklicher werden sollte, habe sie Pappmaché zu berühren gemeint.
R. erzählt von Senta Hauser, wie er mit ihr Blöckflöte geblasen habe und schwer verliebt gewesen sei – aber der Gedanke, sie zum »Ficken« zu bewegen (anders sah der Gedanke nicht aus), blieb unfassbar.
Nein, sagt Goetz immer wieder, bei ihm habe das ganz anders ausgeschaut. Er sei überhaupt ohne jede Vorstellung vom Geschlechtsverkehr gewesen – »zusammen schlafen«: wie können dabei Kinder entstehen? Als es dann dazu kam, als er es herauszufinden lernte mit seiner Freundin Annette, sei bei jedem Schritt »alles yellow« gewesen.
R. hat sich schlafen gelegt, Kathrin will im Fernsehen noch einen Film gucken: deshalb sind die Türen der beiden Zimmer geschlossen. R. kann aber nicht einschlafen, erwägt das Wiederaufstehen, als er das Telefon klingeln hört. Er geht hinüber. Kathrin spricht mit Achim, »weine dich ordentlich aus!« Um halb elf ist Iris Merker mit dem Zug nach Berlin zurückgefahren, »du zerstörst mein Leben«.
Gegen zehn versucht R. zum ersten Mal, Achim zu erreichen, das Telefon wird aber nicht abgenommen. R. ruft im Büro an: Achim, sagt Ruth Salzmann, habe sich abgemeldet, er mache heute blau.
Bis zum Mittag versucht R. es immer wieder in seiner Wohnung, vergebens. Um 13 Uhr ruft er noch einmal Ruth Salzmann an, ob er sich heute Morgen abgemeldet habe? Nein, schon gestern. R. erklärt ihr die Lage.
Dann fährt er in die Ainmillerstraße: die Fenster sind zugezogen, Klingeln bleibt erfolglos. (Es gehen zwei Dachlawinen nieder.) Schwer zu sagen, ob R. sich wirklich Sorgen macht, es könnte ein Ritual sein.
Gegen 22 Uhr klingelt das Telefon, es ist Achim. Ja, er habe nicht abgehoben, er habe die Tür nicht aufgemacht, er habe den ganzen Tag im Bett verbracht, schlafend und lesend. Wie das alles denn gekommen sei? Sie seien davon ausgegangen, ihr Verhältnis sei geklärt.
Er auch. Am Montag habe er einen Spaziergang vorgeschlagen, und Iris reagierte mit Abweisung, »immer bestimmst du, was geschieht.« Daraus sei dann allmählich die gewohnte Auseinandersetzung entstanden. Sie könne einfach nicht mit einem Mann zusammenleben; das Kapitel sei für sie schon abgeschlossen gewesen, als sie ihn kennenlernte; ohnehin habe sie nur bis zum 3. Januar in München bleiben und ihm dann aus Berlin schreiben wollen, dass Schluss sei.
»So, jetzt gehe ich wieder ins Bett.«
Am Straßenrand, im Schnee liegen auf Silberpapier einige Scheiben feiner Aufschnitt. Den Hund verblüfft der Fund so gründlich, dass er gar nicht richtig zufassen kann.
Später erklärt Kathrin, warum die Leute das machen. »Vielleicht sind sie verreist und wollten den schönen Aufschnitt nicht wegwerfen.« Neulich habe sie eine Frau aus ihrem Küchenfenster einen Knochen auf die Straße werfen sehen. Das solle man nicht tun, habe sie ihr erklärt. Hunde sollten im Freien nichts zu fressen finden. Aber es wäre so schade drum! habe die Frau geantwortet.
Beim Silvesterball in der Alabamahalle sieht man auch einen Mann im Rollstuhl. Ende 30, nur noch wenige Haare, in einem grauen Rollkragenpullover mit Muster, so mager, dass man ihn für einen Fall von Anorexia nervosa halten möchte. Wenn die Musik kommt, die ihm gefällt, streift er sich dunkelbraune Lederhandschuhe über und setzt seinen Rollstuhl in Bewegung, fährt Schleifen, hin und her, Drehungen. Dabei wippt er im Rhythmus mit dem Oberkörper.
»Er hat ja nur noch ein paar Stunden«, spottet Bernd Dürr düster. »Dann ist das Jahr der Behinderten vorbei. Und er wird von den anderen Tänzern gelyncht.«
1 Die Aufzeichnungen folgten einer Regel, die ich in Anna Freuds Londoner Zentrum für die Psychoanalyse von Kindern aufgeschnappt zu haben meinte, »to write a card«. Hospitanten sollten, fiele ihnen eine Szene oder eine Einzelperson deutlich auf, diese Beobachtung niederschreiben. Jeden Tag – unterstellten die Aufzeichnungen – findet sich eine solche Beobachtung.
2 Das Zeitungsarchiv wurde zu diesem Zeitpunkt nur noch sporadisch geführt. Die angesammelten Materialien, streng chronologisch geordnet, durchnummeriert und in Jurismappen abgelegt, die ihrerseits durchnummeriert waren, gaben schon längst nicht mehr die Weltgeschichte wieder, kein Universalsortiment allen möglichen Wissens, sondern entsprachen begrenzten Interessen – die ich heute nicht immer wiedererkenne.
3 R. hatte im Spiegel die erste Folge von Ernst Jüngers Alterstagebüchern, »Siebzig verweht«, rezensiert. Daraufhin schickte ihm die Herausgeberin eine Abmahnung: Laut Vertrag habe er seine gesamte Arbeitskraft der Zeitschrift zu widmen. Und überhaupt …