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8. Die steinerne Grenze
ОглавлениеDer Nordwall, nördliche Befestigungsmauer der Grenze zum Barbarengebiet
Dampfmaschinen betrieben die Plattformen, die Material und Truppen auf die Wallkrone hinauf oder zum Boden hinunter transportierten. Die zahllosen Stufen der immer noch vorhandenen Treppen waren nun dem Fall vorbehalten, dass eine der Winden ausfiel. Doch das war nur sehr selten der Fall, denn inzwischen besaß das Pferdevolk viel Erfahrung im Umgang mit der Kraft des Dampfes und dessen Nutzung.
Vor drei Wochen war es zur ersten Begegnung mit den Bewohnern der Wolkenstadt gekommen und es war gelungen, den Handel zu beiderseitiger Zufriedenheit zu tätigen. Nedeam kannte den Stolz der kleinen Herren, wie man das Zwergenvolk gelegentlich nannte, und es war ihm gelungen, ihnen verständlich zu machen, wie wertvoll die Hilfe ihrer Schwingenflieger für die Landmark war. Vielleicht hatte es zuvor Zweifel gegeben, doch Nedeam hatte Stadtmeister Barbrot Himmelsherr und den Befehlshaber der Zwergenkämpfer, Axtmeister Grimmbart Hartschlag, zu einer Besichtigung des Walls eingeladen.
Nun waren die beiden Zwerge, Nedeam und Antarim mit einer der Aufzugsplattformen auf die Mauerkrone emporgefahren. Die beiden Menschen ließen den Anblick, der sich ihren Gästen bot, auf diese einwirken.
Der Wall war eine beeindruckende Konstruktion. Er erstreckte sich über zwanzig Tausendlängen und sperrte die gesamte Breite des einzigen benutzbaren Passes, der die beiden Teile des Kontinents miteinander verband. Rechts und links von ihm erhoben sich massive Gebirgszüge, die unpassierbar waren. Die wenigen Pfade, die es dort gegeben hatte, waren mit Muskelkraft und der Gewalt von Berstpulver zerstört worden. Dennoch gab es eine Kette von Beobachtungsposten, die auch die Berge im Blick behielten.
Der Wall war aus einer Mauer von kaum fünf Längen Höhe entstanden. Als diese errichtet worden war, kam es zu kleineren Scharmützeln mit den Walven, doch schon dieses erste Hindernis hatte sich bewährt. Nun war der Wall eine fast dreißig Längen hohe Wand, an ihrer Basis ebenso dick und oben immerhin noch zehn Längen stark. Im Grunde bestand dieses Hindernis aus zwei Wänden, die jeweils fünf Längen stark waren. Zwischen ihnen waren Erdreich und Sand eingefüllt worden. An der Vorderseite war der Wall ganz leicht nach vorne geneigt, nach hinten fiel er in steilem Winkel ab. Dort waren die Treppen und die Führungsschienen der Dampfaufzüge angebracht.
Oben besaß die Mauerkrone eine Brustwehr mit zahllos scheinenden Schießscharten. Diese Öffnungen waren hinten eng und weiteten sich nach vorne in breitem Winkel, so dass ein Schütze nur ein kleines Ziel bot, er selbst jedoch über ein großes Schussfeld verfügte. Pfeil und Bogen oder Berstpulvergewehr der Gardisten konnten hier ihre verhängnisvolle Wirkung zeigen.
Doch neben den Bogen und den Berstpulvergewehren der Fußgarde verfügte die Landmark noch über eine weitere tödliche Waffe: die Berstpulverkanone.
Einst waren weit tragende Geschütze mit Dampfdruck betrieben worden. Doch inzwischen kannte man das Geheimnis des Berstpulvers. Diese Mischung aus Holzkohle, Schwefel und Salpeter mochte beim Abschuss zwar übel riechen, auf der Zunge und in den Augen brennen und braungelbe Wolken von Pulverdampf erzeugen, doch sie hatte einen enormen Vorteil gegenüber dampfbetriebenen Waffen: Man konnte sofort feuern und musste nicht erst warten, bis der erforderliche Dampfdruck aufgebaut war.
Nun standen schwere Berstpulverkanonen in regelmäßigen Abständen auf der Mauerkrone. Sie konnten massive Geschosse über viele Tausendlängen hinweg auf einen Feind werfen.
Barbrot Himmelsherr empfand durchaus Bewunderung für die bauliche Leistung der Menschen, doch zugleich konnte er auch ein Schaudern nicht unterdrücken. „Bei der Höhe des Himmels und der Tiefe des Wasser … Hochlord Nedeam, ich bin froh, dass wir Zwerge in der relativen Sicherheit der Wolken leben. Dieser Wall hier und seine Vernichtungswerkzeuge … Sie sind schrecklich.“ Er musste sich ein wenig recken, um auf die Einfassung einer Schießscharte schlagen zu können. „Ich weiß, Ihr habt beides aus gutem Grund errichtet und das zeigt mir, wie schrecklich auch jene Wesen sein müssen, wegen denen Ihr all dies hier erschaffen habt.“
Bei Grimmbart Hartschlag hob sich kurz eine der Augenbrauen. Im Gegensatz zum Stadtmeister sah er Waffen mit dem Pragmatismus eines Axtschlägers. „Jedenfalls ein massiver Wall, der jeden Gegner aufhalten dürfte.“ Er deutete auf einen langen Hebel, der aus einer Nute im Boden ragte. Alle paar Längen befanden sich identische Vorrichtungen. „Diese Stangen … Was ist ihr Zweck?“
„Unter der Mauerkrone haben wir Querstangen angebracht.“ Erster Schwertmann Antarim deutete über die Mauer hinweg. „Wenn die Walven tatsächlich einmal mit so langen Leitern kommen, betätigen wir diese Hebel. Dadurch werden die Querstangen aus der Mauer heraus geschoben. So ungefähr fünf Längen.“ Er grinste fröhlich. „Entweder wirft das ihre Leitern um oder sie sind dann so weit von der Brüstung entfernt, dass sie keine Chance haben, herüberzuspringen.“ Er lachte erneut. „Notfalls können unsere Gardisten aber auch einfache Lanzen nehmen und die Leitern umstoßen.“
Inzwischen wusste Grimmbart, dass die Landbewohner ihre berittenen Kämpfer Schwertmänner nannten und die Fußtruppen als Gardisten bezeichneten. Die Reiter trugen diese bodenlangen grünen Umhänge und die Gardisten kurze grüne Capes, die nur bis zum Waffengurt reichten. Hier oben, auf dem Wall, stand alle fünfzig Längen ein Gardist auf Wache. Unten, am Fuß der Mauer, standen mehrere Gebäude innerhalb einer kleineren Schutzmauer. Die Landmenschen nannten eine solche befestigte Anlage Reet und in diesem Wall-Reet waren 2.000 Gardisten stationiert. Sie wurden aus dem sogenannten Wall-Weiler versorgt, der zwanzig Tausendlängen weiter südlich lag. Dort wurde den Kämpfern auch allerlei zur Entspannung und Erholung geboten, denn alle vier Wochen wurde die Schutztruppe am Wall abgelöst.
Grimmbart stellte es sich schrecklich vor, über viele Wochen hinaus in die Leere des Feindeslandes zu starren und darauf zu hoffen, dass irgendetwas geschah, was einem die Langeweile vertrieb. Da war das Leben als Axtschläger doch weitaus abwechslungsreicher, denn wenn man nicht übte, kämpfte oder Wache schob, dann nahm jeder Kämpfer des Zwergenvolkes an jenen Arbeiten teil, die zum Erhalt der Wolkenstadt erforderlich waren. Grimmbart war ein Könner im Einschlagen von Schädeln, doch er verstand sich ebenso gut auf das Flicken und Spleißen von Tauwerk oder das Schmieden von Metall.
Barbrot Himmelsherr dankte einem Gardisten, der eine Kiste brachte, so dass der Herr der Wolkenstadt endlich über die Brüstung hinweg sehen konnte. Nedeam reichte ihm sein Langauge. Erneut schauderte es den kleinen Mann. „Euer Land, Hochlord Nedeam, ist reich an Wäldern und weiten Ebenen und es ist voller Leben. Doch hier, vor der Mauer, sehe ich nichts als schreckliche Öde. Wie kann dort Leben existieren?“
„Oh, dort existiert leider jede Menge Leben“, antwortete Nedeam. „Vorzugsweise in Form von Walven, die uns feindselig gesonnen sind. Doch das Land des nördlichen Kontinents ist keineswegs so lebensfeindlich, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Ein paar Dutzend Tausendlängen nordwestlich gibt es ein ausgedehntes Waldgebiet. Als wir zum ersten Mal auf die Walven stießen, gelangten Trupps unserer Pferdelords auch ein gutes Stück ins Innere des nördlichen Kontinents und berichteten später, was sie dort entdeckt haben.“
Barbrot setzte das Instrument ab und sah Nedeam an. „Und was hat man dort entdeckt?“
„Nun, zunächst Gebirge und weitläufige Wüstengebiete. Doch es gibt scheinbar auch große fruchtbare Bereiche, in denen Pflanzen gedeihen. Genug davon, um die Horden der Walven zu ernähren.“
„Wie viele dieser Walven existieren denn?“
Nedeam zuckte mit den Schultern. „Das wissen wir nicht. Vielleicht nur ein paar Tausend, doch das glaube ich nicht. Als sie uns damals angriffen, da waren es Zehntausende von ihnen und das ist viele Jahre her.“
„Was wisst Ihr über sie?“
„Wenig genug.“ Nedeams Stimme klang grimmig. „Äußerlich ähneln sie uns in Statur und Größe, allerdings ist ihre Haut ungewöhnlich blass, obwohl sie doch in der Wüste leben. Ihre Ohren sind recht lang und spitz. Innerlich unterschieden sie sich jedoch weitaus deutlicher. Nach den damaligen Kämpfen haben wir ja einige von ihren Toten untersuchen können. Sie haben zwei Herzen und eine sehr kräftige Lunge, was vielleicht ihre Ausdauer erklärt. Sie sind verdammt gute Läufer. Das Blut ist von gelber Farbe und es ist ätzend. Wenn man es auf die Haut bekommt, dann ist es, als verbrenne man sich und die verletzten Stellen heilen nur schwer und langsam. Früher trugen wir lederne Harnische, heute tragen wir Panzer aus Metall und an unseren Helmen sind Visiere aus dickem Klarstein angebracht. Alle Rüstungen werden mit Plättchen aus Klarstein beklebt, um uns vor dem Blut der Barbaren zu schützen.“
„Oh“, meldete sich Grimmbart zu Wort, „ich dachte, ihr Landmenschen hättet diese ungewöhnlichen durchsichtigen Helmscheiben nur wegen der besseren Sicht.“
„Wir haben bittere Erfahrungen gesammelt“, antwortete Antarim an Nedeams Stelle.
„Alte Erfahrungen, nicht wahr?“ Grimmbart Hartschlag deutete um sich. „Eure letzten Kämpfe liegen weit zurück. Da dürften Eure Krieger kaum noch über Erfahrung im Kampf verfügen.“
„Wir nutzen das alte Wissen“, räumte der erste Schwertmann ein. „Doch unsere Pferdelords und unsere Gardisten üben sich beständig im Kampf.“
„Ja, das mag helfen“, brummte Grimmbart und trat von der Mauerbrüstung zurück.
Barbrot Himmelsherr stieg von der Kiste herunter. „Nun, Hochlord Nedeam, ich habe nun Euren Wall gesehen, so, wie Ihr es gewünscht habt. Jetzt sagt mir, wie das Wolkenvolk helfen kann, um seinen Handel zu erfüllen.“
„Ich zeige es Euch auf unserer Karte. Doch dazu müssen wir das Reet aufsuchen, wo auch eine Erfrischung für uns bereitsteht.“ Nedeam machte eine einladende Geste zum Aufzug und die Gruppe betrat die Plattform.
Antarim beugte sich über die Brüstung und gab dem Gardisten unter ihnen einen Wink. Der Mann stand an der kleinen Dampfmaschine. Diese wurde über einen Sonnenspiegel beheizt und verfügte über einen kleinen Energiespeicher aus Blaukristall, um nötigenfalls auch bei bedecktem Himmel und in der Nacht verfügbar zu sein. Die kleine Maschine begann zu schnaufen. Sanft begann die Plattform auf den beiden gut gefetteten Schienen nach unten zu gleiten.
Am Fuß der Mauer herrschte weitaus mehr Aktivität als auf ihrer Krone. Mehrere Gruppen Gardisten übten sich in Formationen oder der Waffenkunst. Karren waren unterwegs, um Baumaterial für die Ausbesserung der Mauer zu transportieren, Gespanne pendelten zwischen dem Reet und dem Wall-Weiler, um Nahrungsmittel zu bringen oder zu holen. Es gab mehrere Brunnen, die das Reet und die Truppen entlang des Walls mit Trinkwasser versorgten.
Das sogenannte Wall-Reet lag direkt an der Mauer und ungefähr in der Mitte des Walls. Es wurde von einer drei Längen hohen Mauer umgeben, an deren Innenseite sich ein Laufgang entlangzog. Im Inneren dieser Einfassung standen die im Quadrat angeordneten Gebäude.
Direkt gegenüber dem Eingang erhob sich die dreistöckige Kommandantur. Über ihrem flachen Dach ragte die Konstruktion eines hölzernen Turms mit dem Lichtspiegel für die Fern-Kommunikation auf. Ferner gab es die großen Unterkunftsbaracken, Wäscherei, Bäckerei, Küche, Versorgungslager und Waffendepot, dazu eine Reihe kleinerer Häuschen, in denen man seine Notdurft verrichten konnte. Alles war gemauert und auf die Unterbringung und Versorgung von bis zu 3.000 Gardisten ausgelegt.
Grimmbart Hartschlag glaubte, einen Schwachpunkt zu erkennen. „Euer Wall misst zwanzig Tausendlängen. Dieses Reet liegt in seiner Mitte.“
Antarim erkannte die unausgesprochene Frage. „Es existieren in regelmäßigen Abständen befestigte Kampftürme, in denen Gruppen stationiert sind. Keine Sorge, guter Herr Hartschlag, jede Position auf der Mauerkrone ist in kurzer Zeit besetzt.“
Neugierige Blicke galten den beiden Zwergen, während Gardisten salutierten. Die Ankunft der kleinen Herren rief verständliche Neugierde hervor, doch die Garde wahrte ihre Disziplin.
Im Untergeschoss der Kommandantur lag der große Kartenraum, in dem die Verteidigung des Walls geplant und geleitet wurde. Im Zentrum stand der Tisch mit der Karte, wobei es sich jedoch keineswegs um eine der üblichen handelte. Vielmehr hatte man in mühevoller Kleinarbeit die Landschaft der Landmark nachgebildet und dabei das Gelände modelliert. Reliefartig hoben sich Berge und Senken ab, die fruchtbaren Areale waren grün gemalt, die Wasserläufe und Seen in kräftigem Blau gehalten. Eine Unmenge kleiner hölzerner Kegel deutete die Wälder an. Siedlungen, Reets und Verkehrswege waren markiert. Man sah das Netz der Transportwege und der Signalstationen.
Der Befehlshaber des Wall-Reets war sichtlich stolz, während er die Karte mit einem Zeigestock erläuterte. „Wir haben viel Mühe darauf verwendet, alles im richtigen Maßstab zu halten. So können wir die Entfernungen einschätzen und die Dauer der Verlegung unserer Truppen besser kalkulieren.“
Grimmbart Hartschlag nickte anerkennend. „Ja, ihr Landbewohner habt euch wirklich eine Menge Mühe gemacht. Alle diese Feinheiten sind anerkennenswert und sicher recht nützlich.“ Er strich mit breitem Grinsen über seine Bartzöpfe. „Ich denke allerdings, dass die Wolkenstadt euch nun eine Menge zusätzlicher Arbeit bescheren wird.“
Barbrot Himmelsherr lächelte ebenfalls. „Ihr habt dies alles vom Boden aus gemessen und alle Sorgfalt walten lassen. Doch der Blick aus unseren Schwingen wird wohl manches verändern.“
Antarim erwiderte das Lächeln. „Jedoch nur, wenn die Augen eurer Schwingenflieger scharf genug sind und sie auch die Gabe haben, ihre Beobachtungen exakt in eine Karte zu übertragen.“
„Seid unbesorgt, Lord Antarim, die haben sie.“
Nedeam räusperte sich. „Das wird sicher von Nutzen sein, Stadtmeister, doch in der Hauptsache geht es mir nicht um die Beschaffenheit unserer Landmark, sondern um das, was sich jenseits des Walls befindet. Wie Ihr sehen könnt, zeigt unsere Karte auch die Landbrücke und rund zwanzig Tausendlängen des dahinter liegenden Kontinents. Wir wissen recht gut, wie es auch in dem dahinter folgenden Land aussieht. Aber ich will nicht wissen, wie die Gegend beschaffen ist.“
„Ich verstehe. Der Hochlord interessiert sich mehr für die Vorgänge jenseits der Grenze.“
„So wurden wir uns im Handel einig.“
„Der Hochlord der Landmenschen braucht mich nicht daran zu erinnern.“ Das Lächeln von Barbrot Himmelsherr schien für einen Moment zu gefrieren. „Wir vom Wolkenvolk erfüllen immer die Bedingungen eines Handels.“
„Dessen bin ich mir absolut gewiss“, versicherte Nedeam versöhnlich. „Ich wollte den Herrn der Wolkenstadt auch nicht an den Inhalt unseres Handels erinnern, sondern lediglich hervorheben, welche Bedeutung er für uns hat und wie dankbar wir für die Gelegenheit sind, auf die Dienste der Himmelsschwingen zugreifen zu können.“
Nedeam hatte das Recht des ersten Handels beansprucht und auf eine Weise genutzt, welche die Zwerge des Wolkenvolkes, zumindest nach Antarims Überzeugung, gegenüber der Landmark bevorzugten. Man hatte der Wolkenstadt Stoffe, Tauwerk, Leinen, Mehl und gegossene Eisenbarren in relativ großen Mengen zugestanden. Auf das Angebot des Blaukristalls der Zwerge hatte der Hochlord verzichtet, da er im Gespräch mit dem Handelsherrn des Wasservolkes erfuhr, dass die Zwerge selber großen Bedarf hatten. Nedeam beschränkte sich auf zwei der von den Antari angebotenen Säulen und überließ es den Zwergen, die anderen beiden einzuhandeln. Zu welchem Preis dies geschehen war, wusste Antarim nicht, doch er vermutete, dass das Wolkenvolk auch hier seine einzigartigen Schwingen ins Spiel gebracht hatte.
In den vergangenen Wochen waren die Waren zur fliegenden Stadt gebracht worden und dort war mit dem typischen Fleiß und Können des kleinen Volkes damit begonnen worden, die dortigen Schäden auszubessern. Das Wolkenvolk konzentrierte sich vor allem auf die Flugfähigkeit von Eldont'haneeva und die der Flügelschwingen. So erhielt die Stadt ihre Wehrkraft zurück und war nun auch in der Lage, die vereinbarten Schwingenflüge aufzunehmen.
Barbrot und Grimmbart waren hier, um die Einzelheiten hierfür festzulegen.
Lord Antarim tat, als betrachte er intensiv die Karte. Er war verlegen. Ein geschickter Diplomat hätte sicher andere Worte gewählt als die seinen. Doch Nedeams Erläuterung besänftigte offensichtlich die kurze Unstimmigkeit, die sich abgezeichnet hatte.
Barbrot Himmelsherr stieg auf einen der umstehenden Stühle, um die Karte besser überblicken zu können. „Das Schweben einer Flügelschwinge ist kein Problem. Die Füllmenge an Gas im Auftriebsbehälter hält sie nahezu unbegrenzt in der Luft, es sei denn, dieser wird undicht oder der Flieger verringert die Gasmenge über das Ventil“, erklärte er. „Was nur in einem absoluten Notfall geschieht, wie ich euch versichere. Kein Zwerg setzt den Fuß bereitwillig auf gefährlichen Boden oder fällt gerne ins Wasser.“ Barbrot lachte leise und klatschte in die Hände. „Für die Strecke, die eine Schwinge zurücklegen kann, ist die Beinkraft des Fliegers entscheidend. Sie treibt den Propeller an, welcher die Schwinge durch den Himmel zieht. Dabei kann der Schwingenflieger niemals zum Äußersten gehen, denn er muss immer vor Augen haben, zur Stadt zurückkehren zu können.“
Grimmbart Hartschlag nickte bestätigend. „Was wahrlich nicht leicht ist, ihr guten Herren. Dort oben gibt es Luftströmungen und Winde, die gegen die Schwinge stehen.“
„Ich verstehe. Eine Schwinge kann also nicht beliebig weit fliegen“, fasste Nedeam die Worte der Zwerge im Kern zusammen. Er trat an Barbrots Seite. „Was meint Ihr, Herr der Wolkenstadt, wie weit Ihr die Schwingen entsenden könnt?“
Barbrot sah Grimmbart an. „Was meinst du, alter Freund?“
Der Axtmeister zog nachdenklich an seinen Bartzöpfen. „Aus der Sicht eines Axtschlägers sehe ich die Sicherung dieser Grenze unter zwei Gesichtspunkten: Was tut sich im Hinterland des Walls und gibt es tatsächlich keinen Weg, ihn zu umgehen.“
„Die Pässe über die Gebirge wurden zerstört.“
Grimmbart sah den ersten Schwertmann Antarim freundlich an. „Was der Hände Werk zerstört, dass kann der Hände Werk auch wieder aufbauen. Oder auch Neues erschaffen.“
Nedeam leckte sich über die Lippen. „Es könnte tatsächlich nicht schaden, in den Bergen nach Wegen zu suchen, Antarim. Der Axtmeister des Wolkenvolkes hat recht. Möglicherweise suchen sich die Walven schon längst einen neuen Pfad über die Berge, um uns dort anzugreifen, wo wir nicht mit ihnen rechnen. Zumindest können wir diese Möglichkeit nicht ausschließen. Ja, ich stimme Euch zu, Stadtmeister Himmelsherr. Des Weiteren will ich wissen, was sich jenseits des Walls tut, doch das erwähnte ich schon. Wenn ich Eure Worte recht verstanden habe, dann ist der Flug entlang der Grenze unproblematisch, da Eure Schwingen rasch auf befreundetem Boden landen können. Nur das Vordringen, weit nach jenseits der Grenzmauer, ist wirklich gefährlich.“
„So ist es, Hochlord der Landmark. Wobei ich nicht verschweigen darf, dass auch der Flug über die Berge große Gefahren in sich birgt. Dort gibt es aufsteigende und abfallende Winde, die nahezu unberechenbar sind. Doch keine Sorge, Eldont'haneeva verfügt über die besten und erfahrensten Schwingenflieger aller Wolkenstädte.“
Gerade als Nedeam instinktiv nach der Zahl der fliegenden Städte fragen wollte, kam ihm Antarim mit einer Zwischenbemerkung zuvor. „Wenigstens sind die Küsten vor diesen Barbaren sicher. Sie scheinen, Wüstenbewohner, die sie nun einmal sind, das Meer wie eine Seuche zu meiden. Vom Wasser aus droht keine Gefahr. Wenigstens nicht durch die Walven.“
„Sicher würde Euch doch das Wasservolk vor jeglicher Bedrohung warnen, nicht wahr?“, erkundigte sich Himmelsherr hintergründig.
„Wir treiben freundschaftlichen Handel und das seit Gründung unserer Mark“, antwortete Nedeam. „Ja, sie würden uns darauf hinweisen, wenn vom Wasser aus Gefahr droht. Doch bei aller Freundschaft … Wir können nicht im Wasser kämpfen und sie nicht an Land.“
„Ja, die Lebensräume sind sehr unterschiedlich“, räumte Grimmbart verständnisvoll ein.
„Nun, Barbrot Himmelsherr, zurück zu der Frage, wie wir die Fähigkeiten Eurer Schwingen zum größten Vorteil der Landmark einsetzen“, erinnerte Nedeam.
Barbrot nickte und ließ sich den Zeigestab aushändigen. „Also, ich schlage Euch Folgendes vor …“