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5. Scharfschnäbel!

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Eldont'haneeva, Wolkenstadt des Zwergenclans der Hanevaa

Stadtmeister Barbrot Himmelsherr verzichtete auf den zusätzlichen Antrieb durch die motorgetriebenen Propeller und so trieb die Wolkenstadt mit dem lauen Wind ganz langsam auf die Küste des neuen Landes zu. Man konnte die Bucht mit der Hafenstadt der Landmenschen in gut fünfzehn Tausendlängen Entfernung sehen. Die Höhe von Eldont'haneeva betrug konstante 2.000 Längen und man wollte diese beibehalten, da man noch nicht sicher sein konnte, mit wem man es am Boden zu tun bekam. Gelegentlich kam der Wind ein wenig von der Seite. Dann bewegten sich die großen Steuerflächen gemächlich, um den Kurs beizubehalten.

Der Stadtmeister und Handelsmeisterin Benara Klughand waren zum linken Schwingenfeld gegangen, wo die intakten Luftschiffe und Flügelschwingen standen. Eine Handvoll Zwerge belud das größere Transportfahrzeug mit Proben der Handelswaren der Stadt.

Gerlon Wolkenbezwinger und sein Freund Farold Langauge sollten eine der beiden Flügelschwingen fliegen, die als Eskorte ausgewählt worden waren.

Himmelsherr wollte nur die Handelsmeisterin mitnehmen. „Wir wissen nicht, ob uns nicht doch Gefahr erwartet und je weniger Meisterleben bedroht sind, desto besser.“

„Dann lass mich fliegen, alter Freund“, hatte Grimmbart Hartschlag prompt erwidert.

Der Stadtmeister zog gerührt an einem Bartzopf des alten Kämpfers. „Du bist der Axtmeister der Stadt. Wer soll unsere Axtschläger in den Kampf führen, wenn dies erforderlich wird? Nein, mein Freund, ich bin nur die Stimme der Stadt, du hingegen ihr Arm.“

Der Führer des großen Transportluftschiffes wachte aufmerksam über die Beladung. Obwohl die Last nicht viel wog, so musste sie doch gleichmäßig verteilt sein, um das Flugverhalten des starren Luftschiffes nicht negativ zu beeinflussen. Dabei musste der Flieger auch das Gewicht seiner Passagiere berücksichtigen.

„Nehmt nur die besten Schwingen“, hatte die Handelsmeisterin befohlen. „Wir wollen einen guten Eindruck machen und die Fremden sollen nicht sehen, wie schlecht es um unsere Stadt steht. Sie würden die Preise heraufsetzen, wenn sie unsere, äh, Engpässe erkennen.“

„Bodenbedecker sind überall gleichermaßen gierig“, seufzte Magiermeister Sternenhand.

Benara Klughand zuckte mit den Schultern. „Ich, als Handelsmeisterin der Stadt, würde an Stelle der Fremden auch nicht anders reagieren. Beim Handel zählt der Gewinn.“

„Doch er muss auch fair sein“, wandte der Stadtmeister ein. „Wir Zwerge haben einen guten Ruf zu verlieren.“

„Keine Sorge“, erwiderte Benara lächelnd, „ich habe noch keinem fremden Händler die Bartzöpfe geschnitten.“

Die Bartzöpfe zu verlieren, war die größte Schande eines wahren Zwergenmannes und nur in der Schlacht entschuldbar. Daher verknoteten die Zwerge ihre Bartzöpfe auf dem Rücken, wenn es darum ging, sie in der Schlacht vor Verlust zu schützen. So galt das Schneiden der Bartzöpfe im Wolkenvolk als ehrloses Verhalten. Tatsächlich achtete jeder Handelsmeister einer Stadt darauf, bei einem Handel nicht übervorteilt zu werden oder dies selber zu tun. Der Handel der Zwerge sollte überall geachtet und willkommen sein.

In der gesamten Stadt Eldont'haneeva herrschte Aufregung. Jeder Mann, jede Frau und jedes Kind wussten inzwischen, das nicht nur ein neues Land in Sicht, sondern dieses auch bewohnt war. Die Aussicht auf einen guten Handel ließ viele zum ersten Mal seit langer Zeit wieder lächeln. Wenn der Handel zustande kam und sich als gut erwies, würde man dies sicher gebührend zu feiern wissen.

Das Heck der Stadt war dem näher kommenden Land abgewandt. Die Aufmerksamkeit der meisten Bewohner richtete sich erwartungsvoll dem Bug entgegen. Doch es gab auch Zwerge, die dafür keine Zeit hatten, da sie ihren Pflichten nachgehen mussten. Die Arbeiter hoch oben im Netz der Ballons gehörten ebenso dazu wie die Posten, die Ausschau nach Gefahren hielten.

Die Zwergenfrau war für die rechte obere Propellergondel am Heck eingeteilt. Wie jeder Angehörige des Wolkenvolkes versah sie ihre Aufgabe mit großer Sorgfalt. Immer wieder setzte sie das kleine Langauge an, welches der jeweiligen Wache ausgehändigt wurde. Die Objektivlinse hatte einen Sprung, aber das Instrument reichte noch immer aus, ferne Dinge zu vergrößern.

Sie war nun schon eine ganze Weile auf Posten und inzwischen rechtschaffen müde. Sie freute sich auf die Ablösung, die nun bald kommen würde. Immer wieder gähnte sie ausgiebig und kniff sich gelegentlich in die Wange, um sich wach zu halten. Trotz der dick gefütterten Weste fror sie erbärmlich, was sie der wachsenden Müdigkeit zuschrieb. Ja, sie wartete sehnsüchtig auf die Ablösung. Rasch ein heißes Getränk und etwas Pilzbrei und dann, endlich, die weiche Schlafstelle, deren dicker Schlafsack ihr wohlige Wärme bieten würde.

Sie warf einen kurzen Blick auf den riesigen Propeller neben sich, der sich im Leerlauf mit der Windströmung drehte. Wenn man ihn startete, dann geriet sie wegen des Soges in größte Gefahr, deswegen war sie angeleint und man würde ihr eine Warnung zukommen lassen, bevor man den Propeller im Ruderhaus aktivierte.

Wieder einmal setzte sie das Langauge an und ließ ihren Blick über den Horizont schweifen. Der Himmel war wolkenlos, doch es roch nach Wolkenbildung und Regen. Ein Zwerg des Wolkenvolkes entwickelte ein feines Gespür für Wetterveränderungen.

Systematisch suchte sie den Himmel ab, stutzte und konzentrierte sich auf einen kleinen Abschnitt. Da waren mehrere dunkle Punkte, die langsam größer wurden und Gestalt annahmen.

Für einen Moment schnappte sie nach Luft, als sie begriff, welche Gefahr sich dort näherte.

Scharfschnäbel!

Ein ganzer Schwarm von ihnen!

Man war sich nicht sicher, ob es sich bei den Scharfschnäbeln um Vögel oder Reptilien handelte. Man wusste auch nicht, wo diese Wesen ihre Brutplätze hatten. Doch wenn es etwas gab, das ein Zwerg des Wolkenvolkes fürchtete, so war es dieser Jäger des Himmels.

Der plumpe Leib maß gute fünf Längen. Vorne war der sehr bewegliche Kopf. Er besaß eine langgestreckte Form, die ein wenig an einen Hammer auf seinem Stiel erinnerte. Die Augen wirkten winzig, gestatteten ihrem Besitzer jedoch, auf viele Tausendlängen scharf zu sehen. Der schlanke und sehr lange Schnabel war mit Reihen scharfer Zähne gespickt.

Die dreieckigen Schwingen gaben dem Tier eine Spannweite von fast dreißig Längen. Sie waren, wie der gesamte Leib, von lederartiger Haut bedeckt und muskulös. Einen Schwanz gab es nicht, dafür zwei lange Beine, die im Flug an den Leib angelegt waren und die in vier langen und tödlichen Krallen endeten.

Der Körper war von stumpfem und relativ hellem Grau, mit Ausnahme der Krallen und des Schnabels, deren Horn in seidigem Schwarz schimmerte. Männchen waren ein wenig kleiner als die Weibchen und besaßen einen roten Kehlsack, dessen Farbton in der Paarungszeit noch intensiver wurde.

Scharfschnäbel waren nicht umsonst gefürchtet. Sie waren die unbestrittenen Herren des Himmels und griffen alles an, was in ihre Reichweite gelangte. Die Größe einer Wolkenstadt schreckte sie keineswegs ab. Wahrscheinlich betrachteten sie diese als Fressfeind und so unternahmen sie alles, um diesen Feind zu töten.

Ihre Krallen und Schnäbel waren durchaus in der Lage, die dünnen Wände einer Stadt zu zerfetzen, aber weitaus gefährlicher waren sie für die zahlreichen Ballons, die einer Wolkenstadt den erforderlichen Auftritt gaben.

Jetzt sah die Wächterin einen großen Schwarm näherkommen, der an die zwanzig Exemplare zählen mochte und über dessen Absicht es keinen Zweifel gab: Die Scharfschnäbel hatten Eldont'haneeva zum Ziel.

Die Frau stieß einen instinktiven Alarmschrei aus, wirbelte herum und sprang förmlich zu der Säule, an der ein Alarmgeber installiert war. Sie presste den grellroten Knopf in seine Bettung und erwartete das grelle Pfeifen der Dampfpfeife, doch nichts dergleichen geschah. Stattdessen löste sich der Knopf und pendelte eine Weile an seinem ausgeleierten Spiraldraht.

„Bei der Höhe des Himmels und der Tiefe des Wassers“, ächzte sie benommen.

Sie hatte keine Wahl.

Der nächste Alarmgeber befand sich hundert Längern weiter, in Richtung der Mitte des Hecks. Sie spurtete los, so schnell sie nur konnte.

Wahrscheinlich bemerkte die dortige Wache die Gefahr ebenfalls, doch darauf durfte sich die Wächterin nicht verlassen. Ihre Gedanken konzentrierten sich auf den hastigen Lauf und den roten Knopf, den sie unter allen Umständen betätigen musste. Sie konnte nur hoffen, dass dieser auch funktionierte.

Sie sah den nächsten Wächter vor sich und wie dieser an die Säule trat. Erleichtert verfiel sie in Schritt und rang keuchend nach Atem, während das schrille Pfeifen des Luftalarms hörbar wurde. Nun lag das Schicksal der Wolkenstadt nicht mehr in ihrer Hand.

Am linken Schwingenfeld schien alles für einen Moment zu erstarren. Der Alarm traf sie alle völlig überraschend.

„Alarm? Ist das Alarm?“, fragte Handmeisterin Kora Eisenschmied irritiert.

„Grundgütiger, was denn sonst?“, zischte Gerlon Wolkenbezwinger und schwang sich auch schon in den Pilotensitz seiner Schwinge. „Farold, die Energiestäbe und achte drauf, dass sie geladen sind!“

Farold Langauge und die anderen Beobachter rannten bereits zu den Ladestationen der Speicherkristalle, zogen die Stäbe aus funkelndem Blaukristall aus ihnen hervor und hasteten nun zu ihren Flügelschwingen, um sie in die kleinen Sonnengeschütze einzulegen.

Arbeiter umklammerten die Halteleinen, welche die Fluggeräte auf den Startblöcken festhielten.

„Axtschläger ins Luftschiff!“, brüllte Grimmbart Hartschlag und ging mit gutem Beispiel voran. Im Lauf fing er einen Energiestab auf, den ihm ein anderer Kämpfer zuwarf, um ihn in die kleine Sonnenpistole einzulegen, die jeder Axtschläger und jeder Beobachter einer Schwinge mit sich führte.

„Ein Luftschiff ist nicht für den Kampf geeignet!“, rief der Stadtmeister seinem Freund nach. „Es ist viel zu langsam!“

„Aber eine gute Kampfplattform“, kam die Erwiderung.

Rund dreißig Axtschläger, die als Ehreneskorte der Handelsdelegation ausersehen waren, hatten sich zwischenzeitlich mit den aufgeladenen Stäben aus Blaukristall versehen. Jetzt zogen sie die pistolenförmige kleinen Sonnenwaffen aus ihren Gürtelfutteralen, setzten die Stäbe ein und die kleinen Kristallschüsseln, welche die Mündungen der Lichtpistolen waren, glommen in sanftem Blau auf.

Wolkenbezwinger hatte seinen Stab inzwischen in eine größere Version der Lichtwaffen eingesetzt, die, rechts neben seinem Pilotensitz, außen am Rumpf der Flügelschwinge befestigt war. „Aufgeladen und bereit“, murmelte er zufrieden. „Farold?“

Der Beobachter zwängte sich vorsichtig in seinen Sitz, trotz der Eile sorgsam darauf bedacht, den Rumpf der Schwinge nicht zu beschädigen. Rasch verknotete er die Leine, die ihn am Sitz festhalten sollte und nahm dann seine eigene Sonnenpistole auf. „Bereit, mein Freund! Zeigen wir den Bestien, wie die Männer der Wolkenstadt kämpfen!“

Keine der Frauen, die zu den Schwingenbesatzungen zählten, störte sich an dieser Bemerkung. In einer Wolkenstadt entschied nicht das Geschlecht, sondern die Fähigkeit über die Funktion, die man in der Gemeinschaft ausübte.

Die Flügelschwinge von Wolkenbezwinger und Langauge hatte genug Auftrieb und zerrte an den Halteseilen.

„Leinen los!“, befahl der Pilot.

Aufziehschlaufen wurden gezogen, die Leinen lösten sich aus den Halteösen und die Flügelschwinge sprang förmlich nach oben. Schon trat Wolkenbezwinger in die Pedale. Die Luftschraube begann sich immer schneller zu drehen, kam auf Touren und das Fluggerät huschte gerade noch unter der Dachabdeckung des Schwingenfeldes hindurch und war im Freien.

Die anderen Schwingen und das Luftschiff folgten. Auch am Schwingenfeld auf der anderen Stadtseite startete, was sich in die Luft erheben konnte. Für eine der beschädigten Flügelschwingen war die Belastung des Alarmstarts jedoch zu hoch. Kaum hatte sie von ihrem Startblock abgehoben, brach eine der seitlichen Flächen. Die Schwinge schlug zu Seite, berührte noch kurz den Rand der Plattform und kippte dann vornüber. Haltlos taumelte sie in die Tiefe. Während zwei mutige Zwerge ihrem Ende hilflos entgegensahen, verdrängten die anderen ihre Trauer und suchten nach dem Feind.

Ihre Schwingen waren nicht die einzigen Waffen, welche eine Wolkenstadt einsetzen konnte.

Zu den Seiten zeigte sie ihre Zähne in Form einer Reihe von Sonnenkanonen, die seitlich und, in begrenztem Rahmen, nach oben oder unten geschwenkt werden konnten. Doch die über und unterhalb der Stadt angebrachten Auftriebballons schränkten die Schusswinkel ein. Zwar gab es auch unter der Plattform sechs Kanonentürme, aber man brauchte sehr mutige Zwerge, um nach dort hinunterzusteigen und die Waffen zu bedienen. Nach oben hin war die Stadt hingegen schutzlos, wenn man von ihren bewaffneten Flügelschwingen absah. Schon oft hatten sich die Fluggeräte dort im Kampf bewähren müssen.

Gerlon Wolkenbezwinger trat kräftig in die Pedale. „Farold, verdammt, werde deinem Namen gerecht und sage mir gefälligst, wo die verdammten Scharfschnäbel sind!“

Das Pfeifen des Luftalarms verriet ihnen, dass es sich nur um den gefürchteten Feind handeln konnte. Zwar gab es noch größere Bewohner des Himmels, doch diese waren allesamt friedfertig und mieden die Nähe einer Wolkenstadt.

Farold Langauge trug seinen Namen nicht umsonst. Von Geburt an hatte er bewiesen, dass seine Augen von ungewöhnlicher Schärfe waren. Doch diesmal konnte er keinen der Scharfschnäbel entdecken. „Wo sollen sie schon sein? Natürlich über uns und über der Stadt. Diese Bestien greifen doch immer von oben an. Tritt also in die Pedale, mein Freund, denn sie sind sicher schon dabei, mit ihren verfluchten Schnäbeln auf die Ballons einzuhacken.“

Flügelschwingen und Luftschiff folgten ihnen. Drei der Schwingen ließen sich jedoch zur Unterseite der Stadt absinken, um diese zu schützen.

Die aufmerksamen Wachen hatten den Pulk der Scharfschnäbel frühzeitig entdeckt. Erst jetzt teilte er sich und während ein Teil der Kreaturen mit hastigen Flügelschlägen an Höhe gewann, um sich von oben auf die Wolkenstadt zu stürzen, schwärmten die anderen aus. Sie waren jetzt nur noch wenige hundert Längen von Eldont'haneeva entfernt, doch der Alarm war nicht nur bei den Schwingenfliegern vernommen worden.

Axtschläger hasteten zu ihren Positionen entlang der Stadtgrenze, bewaffnet mit Sonnenpistolen und Kampfäxten. Sie waren nicht in der Lage, die Einfassung der Plattform vollständig zu schützen, daher bildeten sie Fünfergruppen, die sich an ausgewählten Standorten bereithielten, um jene Angreifer abzuwehren, die in die Stadt eindrangen. Vor drei Generationen war dies einem Scharfschnabel gelungen und er hatte zwischen den Gebäuden auf furchtbare Weise gewütet, bevor man ihn hatte erlegen können.

Andere Männer und Frauen erreichten inzwischen die Sonnenkanonen, wesentlich größere und tödlichere Ausführungen der kleinen Pistolen. Die Waffen waren auf schwenkbaren Lagern montiert. Der Schütze nahm hinter der Kanone auf einem Sitz Platz, zwei andere Zwerge packten den Holm, mit dem das Lager geschwenkt werden konnte.

Die ersten Lichtblitze zuckten aus den Kristallmündungen. Rasch gezielt und abgegeben, verfehlten sie ihre Ziele, doch das grelle Blitzen irritierte einige der Angreifer und ließ sie hastig ausweichen. Wütende Schreie ausstoßend, griffen sie erneut an.

Sie flogen nahe an die Stadt heran, versuchten sich mit den Krallen einen Halt zu verschaffen und pickten dann mit den langen Schnäbeln nach allem, was sich bewegte oder ihnen bedrohlich erschien. Einigen von ihnen gelang dies, auch wenn drei der gefährlichen Lebewesen von Lichtschüssen getroffen wurden. Zwei von ihnen stürzten in die Tiefe, das andere zog sich schrill kreischend zurück, während Qualm von der getroffenen Stelle aufstieg.

Ein Scharfschnabel landete in der direkten Nähe einer Sonnenkanone. Während die Zwerge die Waffe rasch zu schwenken versuchten, hackte der Angreifer nach ihrer Bedienung. Eine Zwergin wurde getötet, ein Zwergenmann durch einen Flügelschlag Dutzende von Längen davongeschleudert. Die Kanone feuerte, doch der Lichtblitz verfehlte und der glücklose Schütze sah sich mit dem Tod konfrontiert.

Da verschwand ein Teil des Schädels des Angreifers in einem hellen Blitz. Eine Wolke aus Blut und Gewebeteile spritzte umher, begleitet vom Gestank verbrennenden Fleisches. Die Kreatur kippte nach hinten und verschwand, während zwei Flügelschwingen sichtbar wurden, deren Flieger hastig mit den Beinen traten, um mit den Fluggeräten den nächsten Feind anzugreifen.

Schon eilten Zwerge heran, die sich um den Verwundeten kümmerten und die Waffe neu bemannten.

Wolkenbezwinger und Langauge erreichten endlich mit ihrer Flügelschwinge die Oberseite der Stadt. Hier waren bereits vier Angreifer dabei, sich auf dem Netz festzukrallen und mit den Schnäbeln auf die Ballons darunter einzuhacken. Vier weitere machten sich in größerer Höhe bereit, sich ebenfalls auf die Beute zu stürzen. Zwei Scharfschnäbel kreisten über allen, um ihre Gefährten gegen mögliche Gefahren aus der Luft zu schützen. Diese beiden waren es auch, welche die heranfliegenden Zwerge als Erste entdeckten. Ohne zu Zögern legten sie die Flügel an die Seiten und gingen in den Sturzflug über.

„Schieß sie ab!“, schrie Langauge erregt. „Schieß sie ab!“

Der Beobachter hoffte auf die Stabilität der Halteleinen, hielt sich mit einer Hand am Rahmen seines Sitzes fest und begann mit seiner Sonnenpistole auf den vordersten Angreifer zu schießen.

Für Wolkenbezwinger war dies wesentlich schwieriger, da seine größere Waffe fest montiert war und er mit der gesamten Flügelschwinge zielen musste. Da die Angreifer steil von oben herabstießen, war es nahezu unmöglich für ihn, sie vor die Mündung zu bekommen.

Doch Wolkenbezwinger hieß nicht umsonst Wolkenbezwinger. Er war für seine überaus gewagten Flugmanöver berühmt und durchaus auch berüchtigt.

„Festhalten!“, rief er dem Freund zu.

Während er weiter in die Pedale der Luftschraube trat, zog er mit einer Hand an dem Hebel, der den Winkel der Flügel verstellte, um sein Gefährt nach oben zu ziehen. Er wusste, dass dies bei Weitem nicht ausreichen würde und so entschied er sich für eine Maßnahme, die bei seinem Freund hinter ihm einen entsetzten Aufschrei auslöste. Mit der anderen Hand betätigte er hastig die Kurbel, welche die Eisengewichte unter dem Gastank bewegte, der sich in der Rumpfmitte zwischen den beiden Zwergen befand. Er kurbelte die Gewichte nach unten, dem Heck entgegen und der Schwerpunkt der Flügelschwinge verlagerte sich auf dramatische Weise. Das Heck sackte immer weiter nach unten, während der Propeller immer weiter nach oben kam und mit ihm die Mündung der Sonnenwaffe.

„Bist du wahnsinnig?“, brüllte sein Freund Langauge, der Mühe hatte, sich im Sitz zu halten. „Wir stürzen ab!“

„Tun wir nicht!“, rief Wolkenbezwinger und betätigte endlich den Auslöser des leichten Geschützes.

Der vordere Scharfschnabel war nur noch wenige Längen entfernt und die beiden Zwerge konnten in den weit aufgerissenen Schnabel hineinsehen, dessen Zahnreihen ihnen den Tod verhießen.

Es war ein Glückstreffer, auch wenn Wolkenbezwinger und Langauge dies niemals zugeben würden, sondern den Erfolg ihrem Können zuschrieben.

Der tödliche Energieimpuls traf den Rachen des Wesens, verbrannte große Teile des Schädels, den kurzen Hals und einen Teil des Rumpfes. Qualmend und stinkend stürzte die tote Kreatur an der Schwinge vorbei. So nahe, dass der Sog vorbeiströmender Luft das Gefährt zur Seite drückte.

Der zweite Scharfschnabel war fast heran und die beiden tapferen Zwerge wären niemals in der Lage gewesen, seiner Attacke zu entgehen, doch einer anderen Flügelschwinge war es gelungen, auf Höhe zu gelangen und der Schuss aus ihrem Geschütz beendete das Leben der Kreatur.

„Ich glaube, ich habe unter mich gemacht“, keuchte Farold Langauge verschämt.

Das Herz von Gerlon Wolkenbezwinger schlug rasend schnell. Adrenalin durchströmte seine Adern. Es war keine Zeit, über das nachzudenken, was sich gerade ereignet hatte. Unter ihnen kämpften nun drei Flügelschwingen und das Luftschiff gegen sieben Scharfschnäbel. Vier der Wesen hackten noch immer auf die Ballons ein, die anderen lieferten sich einen Kampf mit den Zwergen.

Die Schwinge von Wolkenbezwinger stand noch immer fast senkrecht in der Luft und nun kurbelte er in Gegenrichtung, um die schweren Gewichte nach oben und zur Mitte des Rumpfes zu ziehen. Farold unterstützte den Freund, in dem er sich mit den Füßen gegen sie stemmte. Langsam sank der Bug nach unten, begleitet vom Knacken des beanspruchten Rumpfes und dem Singen der bis zum Zerreißen gespannten Drähte.

„Bei der Höhe des Himmels und der Tiefe der See …“ In Langauges Stimme schwang Panik mit. „Sie zerstören die Ballons!“

Es war den Angreifern gelungen, mehrere der Ballonhüllen zu beschädigen. Zwei der Auftriebballons begannen in sich zusammenzufallen. In einem dritten erschien ein Riss. Der dort sitzende Scharfschnabel krächzte erschrocken, als ihn die dort austretende heiße Luft traf. Hastig hüpfte das Wesen zur Seite und begann an anderer Stelle mit seinem Zerstörungswerk.

An der Unterseite der Stadt hatten Zwerge die Luken geöffnet, die zu den dortigen sechs Kanonenständen führten. Sie stiegen die Leitern hinunter, erreichten die Waffen, die noch zwanzig Längen unterhalb der Auftriebsballons angebracht waren und feuerte auf jene Scharfschnäbel, die sich unter der Stadt bewegten. Die Geschütze konnten frei nach unten und zu den Seiten geschwenkt werden, aber der Schusswinkel nach oben war stark eingegrenzt. Die Gefahr, dass die Lichtimpulse einen der wichtigen Ballons zerstörten, war hoch.

Nur drei der Scharfschnäbel gelangten nach hier. Zwei wurden von den Geschützen verbrannt, der letzte landete unter einem Ballon und konnte nicht beschossen werden. Eine Flügelschwinge erlegte das Raubwesen. Die Abwehr des Feindes kostete die Zwerge unterhalb der Stadt einen zerstörten und einen beschädigten Ballon sowie einen zerstörten Waffenturm und das Leben von fünf Zwergen.

Inzwischen fanden sich Gerlon Wolkenbezwinger und Farold Langauge in einem heftigen Luftkampf wieder, der oberhalb der Stadt zwischen den Flügelschwingen und dem einzelnen Luftschiff auf Seiten der Zwerge und inzwischen nur noch sechs Scharfschnäbeln ausgetragen wurde.

Soeben gelang es dem Piloten einer Schwinge, eine der Kreaturen mit dem Sonnengeschütz zu töten, doch nur Augenblicke später stürzte sich eine andere von oben auf das Fluggerät. Die Krallen packten Bug und Heck, dann hackte der Schnabel von oben in die Rumpfmitte. Die Flügelschwinge wurde förmlich zerrissen. Während das Raubwesen die Teile fallen ließ, packte es mit dem Schnabel geschickt einen der herausstürzenden Zwerge, tötete ihn und verschlang die Überreste des Opfers.

„Habe dich!“, brüllte Wolkenbezwinger triumphierend.

Sein Lichtschuss traf die Seite der Kreatur. Diese riss den Schnabel auf, ließ einen Teil des Zwerges fallen und drehte sich dann träge auf die Seite. Aus dem faustgroßen Loch stieg fettiger Qualm auf, während sich der Körper weiter auf den Rücken drehte und dann haltlos auf das Haltenetz der Ballone fiel.

Hinter Wolkenbezwingers Schwinge schwebte das größere Luftschiff. Normalerweise kämpfte man mit ihnen nicht gegen einen Scharfschnabel, da der Ballon, der das Gefährt trug, ungeschützt war. Doch Eldont'haneeva verfügte nicht mehr über viele Schwingen und so machten die Axtschläger der Stadt das langsame Luftfahrzeug zu ihrer Waffenplattform. Entlang der Reling des unter dem Ballon hängenden Bootes blitzte das Feuer ihrer Sonnenpistolen. Zwei Angreifer fielen ihnen zum Opfer.

Wolkenbezwinger war es, der das letzte Raubwesen mit einem Lichtschuss verletzte.

Obwohl die Kreatur in ihrem Zustand keine Chance mehr hatte, den Kampf zu gewinnen, tat sie, was für ihre Art typisch war: Sie kämpfte bis zum Sieg oder Tod. Hier war Letzteres der Fall.

Wolkenbezwinger sah dem brennenden Kadaver nach, der taumelnd in die Tiefe fiel. „Das war es wohl, Farold, mein Freund. Der letzte Scharfschnabel stürzt in den Tod. Es ist Zeit, wieder zum Schwingenfeld zu fliegen. Kehren wir um.“

Jetzt, nach dem Ende der letzten Luftbestie, meldete sich die Alarmpfeife erneut. Diesmal mit einer Serie kurzer Pfiffe, die davon kündeten, dass die Gefahr vorüber war.

Diszipliniert machten sich die Bewohner der Wolkenstadt daran, die Verletzten zu versorgen, ihre Toten zu bergen, wo dies möglich war, und die Schäden der Stadt zu beheben.

Die Stadt hatte fünfzehn Leben eingebüßt und die Schäden waren erheblich. Die Hüllen mehrerer Auftriebsballons waren so schwer beschädigt worden, dass sie als zerstört gelten mussten. Drei weitere würde man flicken können, sofern man genug Stoff dafür fand. Das Haltenetz musste an zahlreichen Stellen geflickt werden. Fünf Kristallschüsseln der Lichtsammler waren geborsten, mehrere Flügelschwingen mit ihren Besatzungen verloren.

„Unsere Verluste wären geringer, wenn die Schwingen in einwandfreiem Zustand gewesen wären“, meinte Wolkenbezwinger mit bitterer Stimme.

Werkmeisterin Kora Eisenschmied erhielt die ersten Meldungen über die Schäden an der Stadt. Sichtlich betroffen wandte sie sich den anderen Meistern zu. „Wir haben viel Auftrieb verloren. Wir können die Stadt noch auf Höhe halten, doch wenn wir noch einen oder zwei Ballone verlieren, kann ich nicht mehr dafür garantieren.“

„Können wir…?“, begann Magiermeister Ronulf Sternenhand zögernd.

Kora ahnte, was er fragen wollte und schüttelte den Kopf. „Nein, wir können nicht. Unsere Mittel reichen nicht mehr aus, alle Schäden zu beheben.“

Axtmeister Grimmbart Hartschlag löste mit düsterem Gesicht den Knoten in seinem Nacken und legte die Enden seiner Bartzöpfe wieder nach vorne. „Und die Zahl unserer Flügelschwingen ist gering. Selbst ein kleines Rudel der Scharfschnäbel würde unserer Stadt nun den Tod bringen.“

Stadtmeister Barbrot Himmelsherr nickte mitfühlend. „Auch wenn ich mich nun lieber um die Stadt selbst kümmern würde, so sehe ich keine andere Wahl, als nun schnellstens mit den Landmenschen in Verbindung zu treten. Wir brauchen einen guten Handel, sonst ist die Wolkenstadt Eldont'haneeva verloren.“

Wolken, Land und Wasser

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