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Kapitel 9 Gescheitert und ein Neubeginn

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Das richtige Händchen. Gott, das hatte ihm irgendwie immer gefehlt.

Karl Baumgart sah nachdenklich über den Hof hinweg. Alles hatte so leicht ausgesehen. Er war mit dem kleinen Wagenzug bis nach Louisville in Kentucky gekommen. Kentucky war ein wundervolles Land. Es schien nur aus Bäumen und Feldern zu bestehen. Ideal, um hier eine kleine Farm aufzubauen oder Holz zu fällen. Etwas außerhalb der kleinen Stadt fand er eine kleine Farm, deren Besitzer gestorben war. Die Murphys, die eigentlich selbst nicht vermögend waren, gewährten ihm einen kleinen Kredit, der ihm den Kauf des Grundes ermöglichte. Sein Interesse an der kleinen Kathy Murphy, die sein Interesse sichtlich erwiderte, hatte wohl zum Beschluss der Eltern beigetragen.

Es war eine schöne Hochzeit gewesen. Einfach, aber mit irischem Temperament, und ihm taten heute noch die Füße weh, wenn er daran dachte, wie er versucht hatte, bei diesem merkwürdigen irischen Tanz mitzuhalten, bei dem man den Oberkörper merkwürdig steif hielt und nur die Beine bewegte. Kathy war ein richtiger Rotschopf und ein unbändiges Temperament. Als einer ihrer Brüder einmal beiläufig erwähnte, Kathy hätte sich wohl besser einen ordentlichen irischen Mann erwählt, da war sie mit der Pfanne flink zur Hand gewesen.

Ja, Kathy. Er sah sie noch vor sich. Wie sie sich immer wieder gegenseitig Mut gemacht hatten. Verdammt, der Ackerboden hatte so gut ausgesehen. Er pflanzte Getreide, wie er es damals bei den Mönchen in Frankreich gelernt hatte und die erste Ernte war ganz passabel gewesen. Sie konnten sich sogar zwei Kühe leisten. Alles hatte so gut ausgesehen. Aber dann wurde Kathy schwanger. Gott, wie hatte er sich gefreut und sein Schwiegervater spottete, mit seinem breiten Grinsen werde er bald nicht mehr durch die Tür passen.

Aber dann war Kathy gestorben. Am Kindbettfieber. Auch der Kleine war so schwächlich gewesen, dass er seine Mutter nur wenige Tage überlebte. Nun lagen sie unter dem Apfelbaum hinter dem Haus. Zwei einsame Hügel, die Karl empfinden ließen, er habe furchtbar versagt. Er ließ sich gehen, obwohl seine Schwiegereltern und die ganze Familie versuchten, ihm Mut zu machen und ihm beizustehen. Aber er war zu dumm gewesen, um das zu begreifen. Hatte es versiebt. Ihre Blicke waren eine einzige Anklage gewesen, als er ihnen eröffnete, den Hof zu verkaufen. Dann war er gegangen.

Jetzt stand er im Alter von 24 Jahren auf dem Hof, der einmal der seine gewesen war und nahm Abschied von Kathy und dem kleinen Patrick.

Unten im Tal lag Louisville.

Ein Stück hinter der Stadt erhoben sich die Gebäude der Militäranlage.

Seit dem 28. Mai wurde dort das zweite Regiment der US-Kavallerie formiert. Gelegentlich wehte der Wind die schwachen Trompetensignale herüber und einige male hatte Karl bereits Trupps des Kavallerieregimentes gesehen. Er konnte nicht bestimmen, was ihn so magisch anzog. Er war kein Soldatentyp, wenn es den überhaupt gab. Aber der Anblick dieser Männer, auf ihren Pferden und in ihren blauen Uniformen, zog ihn in seinen Bann.

Er warf einen letzten Blick auf den Hof, dann wandte er sich seufzend der Stadt zu.

Er brauchte nur der Hauptstraße zu folgen. Zwei Kilometer außerhalb der Stadt erreichte er die Anlagen des Forts. Es war keine Festung, wie er sie aus Europa gewohnt war. Es war eine Ansammlung von Steinbauten. Baracken und Ställe, die sauber angeordnet und ohne Umfriedung völlig frei standen. Nur zwei Posten, an einem kleineren Gebäude, schienen den Eingang zu markieren. Hinter ihnen war ein großer freier Platz zu sehen, auf dem sich Soldaten, mit und ohne Pferd, zu Kommandos und Trompetensignalen bewegten.

Die beiden Wachsoldaten sahen ihn fragend an.

„Ich, äh, ich wollte mich bewerben“, sagte er unsicher. „Sucht ihr noch Leute?“

Einer der Männer grinste breit, doch der andere sah ihn nachdenklich an. „Sergeant der Wache? Hier ist ein Bewerber.“

In dem kleinen Gebäude ertönte ein leises Poltern. Als sich die Tür öffnete, trat ein stämmiger Mann auf den Vorbau hinaus. Seine dunkelblaue Jacke hatte einen hohen Stehkragen und war nur Hüftlang. Eine Reihe von Messingknöpfen blitzte an der einzelnen Knopfreihe. Die Jacke war gelb eingefasst und hatte drei gelbe Winkel an jedem Oberarm, deren Spitze nach unten wiesen. In der Öffnung der Winkel befand sich eine gelbe Raute. Der Mann trug eine weiche Mütze mit schwarzem Lederschild und einem breiten, umlaufenden gelben Band. Zwei gekreuzte Säbel aus Messing waren vorne am Stoff befestigt. Eine breite Schärpe aus roter Wolle lief von der rechten Schulter des Mannes zu seiner linken Hüfte und war dort verknotet. Die beiden quastenartigen Enden baumelten lose am Oberschenkel.

Der Mann verharrte einen Moment, bevor er seine Daumen hinter den weißen Koppelriemen hakte. „Na, Jungchen, du willst zur US-Kavallerie? Willst du dir das nicht lieber noch mal überlegen?“ Der Mann machte einen sehr freundlichen Eindruck. Er sah Karls Zögern. „Jungchen, Soldat zu sein ist kein Zuckerlecken. Lass dich durch die hübschen Uniformen nicht täuschen. Hier kriegst du wenig Geld, eine Menge Arbeit und obendrein die gute Chance, dir eine Kugel oder einen Indianerpfeil einzufangen.“

Eigentlich hätte Karl ein herzliches Willkommen erwartet. Dem Mann vor ihm schien jedoch jegliche Begeisterung zu fehlen, ihn zu rekrutieren. Ein wenig hilflos sah er auf den großen Exerzierplatz der Anlage. „Ich, äh, das schreckt mich nicht, Sir.“

„So, das schreckt dich also nicht, Jungchen“, sagte der Mann mit den drei Winkeln und der Raute lächelnd. „Zumindest nicht, solange nicht der erste Knall ertönt.“

„Man hat schon auf mich geschossen“, entgegnete Karl achselzuckend.

Die beiden Posten lachten auf. „Ich sag es ja immer“, meinte einer von ihnen. „Wir sind ein Regiment von Hühnerdieben.“

„Halt die Klappe, Prewitt“, knurrte der Winkelsoldat.

„Ich habe nicht gestohlen“, knurrte Karl. Er hatte sich die Bewerbung bei der Kavallerie ein wenig ruhmreicher vorgestellt. „Ich war bei den Demokraten in Deutschland. Die Preußen haben auf mich geschossen.“

„Ein Deutschmann?“ Der Winkelsoldat benutzte das Wort „Dutchman“, was eigentlich einen Holländer bezeichnete.

„Nein, kein Holländer“, korrigierte Karl. „Deutscher.“

„Ob Deutscher, Holländer oder sonst was, das ist egal.“ Der Mann wies hinter sich zum Exerzierplatz. „Wenn du hier rein gehst, dann bist du Amerikaner und Kavallerist. Oder wirst es eventuell einmal sein. Dann bist du kein Deutschmann mehr, sondern ein Soldat der Kavallerie der Vereinigten Staaten von Amerika.“ Der First-Sergeant lachte auf. „Hör zu, mein Jungchen. Überleg es dir noch mal. Wenn du morgen noch willst, kommst du wieder, okay?“

„Nein, Sir, ich will zur Kavallerie.“

Der Mann mit den Winkeln seufzte. „Na gut, Jungchen. Wenn ich es dir nicht ausreden kann, dann heiße ich dich bei der zweiten US-Kavallerie willkommen. Ich bin First-Sergeant Dan Tucker. Und jetzt komm mit, wenn du tatsächlich Soldat werden willst.“

Der Unteroffizier wandte sich an einen der Posten. „Okay, Prewitt, bring den Neuen zu Lieutenant Whyler.“

„Aye, Sergeant.“

Prewitt grinste Karl an. „Na los, Mann, jetzt geht es Ruhm und Ehre entgegen.“

Zunächst ging es einem weiß getünchten und langgestreckten Gebäude entgegen. Prewitt führte Karl durch einen Flur, an einem Raum vorbei, in dem verschiedene Uniformierte saßen und Schreibarbeiten ausführten. Der Soldat klopfte an eine Tür, und als die Aufforderung kam, schob er Karl in den dahinter liegenden Raum. Ein massiger Schreibtisch, beladen mit Papieren, dahinter ein schlanker Mann in blauer Uniform. „Was gibt es, Private?“

Prewitt nahm Haltung an und salutierte vor dem Offizier. „Ein neuer Rekrut, Sir.“

„Danke, Private, Sie können gehen. Warten Sie draußen.“

„Sir.“ Prewitt machte eine komische Bewegung und sah plötzlich in die Gegenrichtung. Karl sah ihm mit großen Augen nach.

„Nun, Mister...?“ Lieutenant Whyler sah Karl fragend an.

„Baumgart, Sir. Karl Baumgart. Ich bin aus Deutschland.“

„Fein, ich bin aus South-Carolina. Aber das spielt hier keine Rolle. Sie wollen Soldat werden, Baumgart? Na, dann erzählen Sie mal ein bisschen von sich.“

Der Lieutenant lehnte sich in seinem Stuhl zurück und lauschte Karls Worten. Nur gelegentlich stellte er eine Zwischenfrage. Karl fragte sich, ob er von der Marbelle erzählen sollte, doch er entschloss sich dagegen.

Der Offizier nickte schließlich. „Nun gut, Mister Baumgart. Das sollte erst einmal reichen. Tja, über eines sollten Sie sich klar werden: Die Zweite ist ein Kampfregiment und nicht zum paradieren gedacht. Wir sind ein neues Regiment und werden bald an die Grenze gehen. Mexikanische Banditen, Indianer und Gesetzlose. Der Dienst wird hart sein. Ich sage ganz offen, wir haben im Moment mehr Rekruten, als wir vertragen können. Was bedeutet, dass wir jene ablehnen, die nicht geeignet erscheinen. Ich bin mir bei Ihnen nicht sicher, Baumgart. Sie haben einen Bruder im Süden und einen im Norden, nicht wahr?“

Karl nickte. „Äh, ja, Sir. Spielt das eine Rolle?“

Der Offizier seufzte. „Eigentlich nicht. Nun gut, versuchen wir es miteinander.“

Whyler ergriff ein Formular und einen Federhalter und begann Karls Daten einzutragen. „So, und nun hier unten unterschreiben oder ein Kreuz machen.“

„Ich kann schreiben, Sir“, erwiderte Karl automatisch und unterzeichnete. „Und jetzt?“

„Jetzt sind Sie Soldat“, sagte Whyler lakonisch. „Zumindest vorläufig. Sie erhalten jetzt eine Grundausbildung, Baumgart. Erfahrungsgemäß gibt es immer ein paar Rekruten, die es sich dabei anders überlegen. Dann müssen wir hinterher, sie einfangen, bestrafen und wieder laufen lassen. Offen gesagt, Baumgart, gefällt mir so etwas nicht besonders, und unserem Kommandeur auch nicht. Sie werden ihn noch kennenlernen. Ziemlich unkonventionell, aber ein absoluter Soldat. Na ja, falls Sie bis dahin verschwinden, lassen wir auch ihre Verpflichtung verschwinden. Das erspart uns die Mühe, hinter Ihnen herlaufen zu müssen und Ihnen erspart es die Bestrafung. Aber nach der Grundausbildung werden Sie vereidigt, Baumgart. Falls Sie dann noch abhauen, wird es ernst.“ Der Lieutenant lächelte ironisch. „Aber jetzt gehen Sie erst mal mit Prewitt in die Kleiderkammer.“ Der Offizier blickte auf eine Wanduhr. „Sie haben unverschämtes Glück. Danach beginnt Ihr Dienst nämlich direkt mit dem Feierabend.“ Whyler nahm ein Buch und blätterte ein paar Seiten nach. „Melden Sie sich nach der Kleiderkammer bei der C-Kompanie.“

Karl blieb unsicher stehen und Whyler blickte grinsend auf. „Sie können wegtreten, Private.“

Karl Baumgart fühlte sich unsicher. Was sollte er jetzt tun? Dieses merkwürdige gleiten und drehen nach hinten, welches Prewitt vorgeführt hatte, war ihm fremd.

Whyler lachte auf. „Ab, Private. Die Kleiderkammer zeigt ihnen Prewitt.“

Karl hob seine Hand in einer undefinierbaren Geste und verschwand hastig aus dem Zimmer. War er jetzt Soldat oder nicht? Und was war das für ein Offizier? Der erinnerte an Hauptmann Wenzel, aber nicht an die zackigen Berufsoffiziere, die Karl bei den preußischen Truppen gesehen hatte. Nun, vielleicht war hier in Amerika alles ein wenig legerer.

Er täuschte sich. Das Regiment hatte eine eiserne Disziplin, die Karl bald kennenlernen sollte. Und eine strenge Etikette. Aber noch trug er keine Uniform.

Private war die Bezeichnung für den einfachen Soldaten. Auch Prewitt war Private und der führte Karl zu einem Gebäude, in dem ein Zwei-Winkel-Soldat hinter seinem Tresen stand.

Karl würde die Rangfolgen beim Militär rasch erlernen. Der einfache Soldat, oder „Gemeine“ nannte sich hier in Amerika „Private“. Dann folgten der Gefreite, der „Corporal“ mit zwei Winkeln und der Feldwebel „Sergeant“ mit drei Winkeln. Der First-Sergeant war der Hauptfeldwebel der Kompanie und hatte die Raute zu den drei Winkeln. Das waren die Unteroffiziere in einem Regiment, aber es gab noch eine Reihe spezieller Funktionsträger. Ein Drei-Winkel-Sergeant mit einem waagrechten Balken zwischen den Winkeln war der „Quartermaster-Sergeant, Companygrade“ und sorgte als Quartiermeister-Feldwebel der Kompanie für deren Unterkünfte und Versorgung. Ein Drei-Winkel-Sergeant mit einem nach oben gewölbten Bogen zwischen den Winkeln war ein „Sergeant-Major, Companygrade“ und praktisch der Verwaltungs-Unteroffizier der Kompanie. Quartermaster-Sergeants und Sergeant-Majors gab es auch mit drei Balken, bzw. Bogen als Regiments-Dienstgrade.

Die Unteroffiziere trugen die Uniformen der Mannschaften und waren durch ihre Winkel gekennzeichnet, zusätzlich trugen alle Unteroffiziere ab dem Sergeant eine rote Schärpe. Im normalen Dienst um die Taille, mit den Quasten an der linken Hüfte und wenn sie Unteroffizier der Wache waren, von der rechten Schulter zur linken Hüfte.

Die Offiziere begannen beim Unterleutnant, dem Second-Lieutenant, gefolgt vom (Ober-) Leutnant, dem First-Lieutenant. Offiziersdienstgrade waren durch schmale Schulterstreifen markiert, die in Form von schmalen „Schachteln“ an der Schulternaht entlang liefen. Diese „Boxes“ waren in der Farbe der Waffengattung unterlegt. Orange Wolle für die Dragoner, gelbe für die Kavallerie, Mittelblau für Infanterie, Rot für Artillerie, Smaragdgrün für Mediziner und Dunkelblau für den Stab. Jeder der Schulterstreifen war goldbestickt eingefasst und zeigte die Abzeichen des Ranges. Beim Second-Lieutenant waren die Boxes leer, doch der First-Lieutenant trug vorne und hinten in den Boxes einen schmalen Balken. Beim Hauptmann, dem Captain, war es ein Balkenpaar. Diese Offiziere waren sogenannte Company-Grades, das heißt, Kompanieoffiziere. Jede Kavalleriekompanie hatte drei Lieutenants und einen Captain.

Zwei oder drei Kompanien wurden zu Schwadronen zusammengefasst. Diese „Squadrons“ bezeichnete man bei Fußregimentern als Bataillon. Kompanieoffiziere trugen lange Uniformröcke mit einer einzelnen Knopfleiste, Bataillons- oder Regimentsoffiziere hatten eine doppelte Knopfreihe. Jedem Bataillon oder jeder Schwadron stand ein Major vor, auf dessen Schulterstücken vorne und hinten ein goldenes Eichenblatt prangte. Ein silbernes Eichenblatt kennzeichnete den Oberst-Leutnant, den Lieutenant-Colonel, der stellvertretender Regimentskommandeur war. Geführt wurde das Regiment von Der Oberst, der Colonel trug die silbern gestickten Abzeichen des amerikanischen Adlers auf den Schulterstücken und der grimmige Blick des Adlers musste stets nach vorne, auf den Feind zeigen. Auch die Offiziere trugen die rote Schärpe, allerdings aus feinerem Material.

Der Colonel führte das Regiment. Zumindest ließen die Sergeants ihn in dem Glauben, denn die Feldwebel waren in Wirklichkeit der Leim, der ein Regiment zusammenhielt und formte, wie man Karl rasch begreiflich machte.

Doch zunächst wurde Karl in eine Liste eingetragen, dann kratzte der Soldat mit den Winkeln sich ausgiebig im Nacken. „Nun gut, wollen mal sehen, was wir alles haben.“

Der Tresen vor Karl begann sich rasch zu füllen. Zwei Paar graue Wollstrümpfe, die, wie Karl später ausgiebig feststellen konnte, mörderisch kratzten, zwei Paar weißer Baumwolleinteiler, die vorne geknöpft wurden und am Hintern eine aufknöpfbare Stoffklappe hatten, zwei lange Hosen in der Farbe des sächsischen Blau. Die Hosen wurden stets lang über Schuhen oder Stiefeln getragen und zu diesem Zweck befanden sich unten an jedem Hosenbein Knöpfe, an die zwei breite Wollstege aus dem gleichen Hosenstoff befestigt wurden. Diese Stege wurden vor den Absätzen der Schuhe oder Stiefel unter diesen durchgeführt und verhinderten so, dass die Hosenbeine nach oben rutschen konnten. Die Hose hatte einen Reitbesatz, was bedeutete, dass sie am Gesäß und an den Innenseiten der Beine eine zusätzliche Lage Stoff aufwies. Eine einzige kleine Tasche, hoch oben an der Hüfte, mochte reichen, eine Taschenuhr zu verstecken. Wenn die Uhr klein genug war. Aber Karl hatte ohnehin keine Uhr.

Zu der Hose gab es leinene Hosenträger, die durch Messingschieber längenverstellbar waren. Die Uniformjacke war dunkelblau, nur Hüftlang. Stehkragen und Außennähte waren gelb paspeliert. An den Ärmeln befand sich eine zusätzliche Winkelartige Paspel, deren Spitze zum Oberarm wies.

Der Soldat mit den zwei Winkeln wies sichtlich stolz auf die gelben Paspeln. „Das sind unsere Farben. Gelb für die US-Kavallerie. Nicht orange, wie bei den Dragonern. Das sind ohnehin nur berittene Fusslatscher.“

Karl hatte keine Ahnung, was das heißen sollte, aber er nickte zustimmend und das schien den anderen zu gefallen. Dann kam die weiche Mütze, die an die Feldmützen der preußischen Milizen erinnerte, mit dem breiten gelben unteren Rand und den gekreuzten Säbeln aus Messing.

Doch damit nicht genug. Karls Augen wuchsen in dem Maß, in dem sich auch der Stapel zusehends vergrößerte. Ein langer Mantel in sächsischem Blau mit einem Cape, das bis zu den Hüften reichte, eine graue Wolldecke, ein Schnappsack, Feldflasche, ein weißes Bandelier mit einer großen Messingplakette vorne, das den amerikanischen Adler zeigte und ein weißer Koppelriemen mit einem ovalen Schloss und den eingegossenen Buchstaben U.S. darin. Oben auf den ganzen Haufen legte der Soldat einen Säbel, der Karl gewaltig und äußerst unhandlich vorkam.

„Okay, Private“, sagte der Zweiwinkelsoldat zufrieden. „Gaul und Sattel bekommst du später. Hier ist noch dein Feldbesteck. Ich denke, du wirst gelegentlich essen wollen.“

Prewitt war so freundlich und half ihm, das ganze Zeug zu einem anderen Gebäude zu tragen. Es war ein langgestreckter Bau mit zwei Geschossen. Prewitt legte die Sachen auf der Veranda ab und wies nach oben. „C-Kompanie liegt im Obergeschoss. Lass dich von Sergeant O´Malley einweisen. Der ist dein Zug-Sergeant, okay?“

Prewitt verschwand und Karl musste zweimal gehen, bis er die Sachen im Obergeschoss hatte. Inzwischen wusste er, dass ein Sergeant drei Winkel am Ärmel hatte und so machte er sich auf den Weg, O´Malley aufzutreiben. Nicht nur der Name verriet den Iren. Auch seine fuchsroten Haare und das rollende R mit dem er sprach.

Er zeigte Karl das Bett und die davor stehende Kleiderkiste. Karl stopfte die Sachen in die Kiste, schob den Säbel unter das Bett. Er hatte das Glück, im unteren zu schlafen. Sofern der über ihm liegende kein Bettnässer war, was O´Malley mit einem süffisanten Grinsen angedeutet hatte. Der Raum beherbergte eine komplette Kompanie. Zumindest die Mannschaften davon. Rund 50 Kavalleristen, wobei die Sergeants in separaten Kammern schliefen und die Offiziere eigene Unterkünfte besaßen.

Karl setzte sich auf das Bett, stieß sich den Kopf am oberen Rahmen an, fluchte unterdrückt und blickte die lange Reihe der Doppelbetten entlang. Nun war er also US-Kavallerist. So dachte er zumindest. Eine Reihe von Sergeants und einige Wochen auf dem Exerzierplatz belehrten ihn eines Besseren.

Die Ausbildung zu Fuß erinnerte ihn tatsächlich ein wenig an die Freischarkompagnie von Hauptmann Wenzel. Auch wenn Gottfried Wenzel nie so akribischen Wert darauf gelegt hatte, dass der Öffnungswinkel der aneinander gestellten Füße im „Achtung“ exakte 37 Winkelgrade zu betragen hatte. Karl lernte es. Ebenso wie das Exerzieren zu Fuß und mit dem Säbel. Der Kavalleriesäbel Modell 1840, mit der leicht gekrümmten Klinge, war eine mörderische Waffe. Wenn nicht für den Angegriffenen, so doch auf jeden Fall für jenen, der die schwere Klinge führte. Nicht umsonst nannte man den Säbel spöttisch den alten Handgelenksbrecher. Säbel und Scheide waren aus blankem Stahl, der Fangkorb mit dem Handschutz aus Messing. Am Korb war ein Fangriemen aus weißem Leder mit einer geflochtenen Quaste befestigt. Man legte den Riemen um das Handgelenk, damit der Säbel im Gefecht, wenn er aus der Hand geschlagen wurde, nicht verloren gehen konnte.

Was Karl erstaunte, war die Tatsache, dass die Klinge des Säbels nicht geschärft war. Als er den ausbildenden Sergeant darauf ansprach, sah der ihn spöttisch an. „Willst du dich damit rasieren, Private? Der Säbel ist eine Stoßwaffe, mein Freund. Natürlich kannst du damit auch Hauen. So wie du gebaut bist, wird dir wohl auch gar nichts anderes übrig bleiben. Aber mit einem Hieb erreichst du nicht viel. Ein paar Beulen oder gebrochene Knochen. Wir sind hier keine mexikanischen Grenzbanditen, die alles aufschlitzen, was ihnen begegnet. Nein, mein Junge, ein sauberer Stoß, eröffnen und zurückziehen, und die Sache ist erledigt. Da ist eine scharfe Klinge nur hinderlich. Außerdem haben wir gerne ein paar Gäule im Regiment, die noch einen vollen Satz Ohren haben.“

Da war etwas Wahres dran. Denn beim Säbeldrill zu Pferd, wenn der Säbel aus der Scheide zischte, musste man darauf achten, ihn gerade nach oben zu zücken. Die fehlenden linken Ohren etlicher Kavalleriepferde wiesen darauf hin, dass dies nicht jedem auf Anhieb gelang.

Der Sergeant zeigte es ihnen und er drillte sie unbarmherzig, bis sie die Waffe beherrschten. Besonders überzeugt war Karl trotzdem nicht. „Äh, Sergeant, das mit dem Säbel ist ja ganz nett. Aber wäre es nicht sinnvoller, wenn wir ein paar ordentliche Pistolen oder Karabiner hätten?“

Der Sergeant sah ihn an, als mache er sich ernsthafte Sorgen um Karls Gesundheit. „Junge, fühlst du dich nicht wohl bei uns? Möchtest du lieber zu den Dragonern? Oder zu den Fußlatschern von der Infanterie?“

„Äh, nein, Sergeant“, stammelte Karl verwirrt. „Es, äh, gefällt mir ganz gut hier.“

„Fein, mein Junge, fein.“ Der Unteroffizier blickte die Gruppe an, die schwitzend vor ihm stand. „Möchte noch jemand in der Gegend herumknallen? Nein? Na, keine Sorge, Schießeisen bekommt ihr auch noch. Weiß einer von euch, wie weit ein Infanteriegewehr schießt? Ich meine, eine Entfernung bei der so ein Ding noch trifft?“

„So um die 180 Meter“, meldete sich ein anderer Private.

„So um die 180 Meter“, wiederholte der Sergeant bedächtig. „Und ein guter Infanterist, sofern es so etwas überhaupt gibt, kann drei Schuss in der Minute abfeuern, wobei seine Muskete kaum auf hundert Meter ernstlich trifft.“

Karl hätte dem Sergeant gerne ein Bataillon englischer oder preußischer Linieninfanterie vorgeführt, dann hätte der Unteroffizier sicherlich anerkannt, dass es verdammt gute Infanteristen gab. Und das waren nicht einmal Schützenregimenter. Aber es war jetzt sicher nicht der Zeitpunkt, den Sergeant zu unterbrechen. Es gab sicher ein paar Latrinen zu reinigen oder Ställe auszumisten, und der Sergeant sah so aus, als könne er sich bei einem Widerspruch an diese Tatsachen erinnern.

„Also, Jungs, 180 Meter und drei Schuss in der Minute. Was meint ihr, wie schnell ihr bei vollem Galopp diese Distanz überbrücken könnt? Im Schritt reitet ihr 90 Meter in der Minute, im Trab sind es 180 Meter und beim Galopp 360 Meter. Eine halbe Minute, Jungs, dann sind wir in der Infanterie. Die kommt zu zwei Schuss, dann bekommt sie unsere Klingen.“

Karl empfand das als etwas optimistisch. Sein Vater hatte damals in den napoleonischen Kriegen in der Landwehr gedient. Da hatte die Infanterie bei einem Kavallerieangriff einfach ein Viereck, ein Karree gebildet. Vier Seiten, die also nach allen Seiten feuern konnten und die Männer standen in vier Reihen, die nacheinander feuerten. Sein Vater hatte behauptet, kein Kavallerieangriff könne ein formiertes Karree zerschlagen.

Der Sergeant schien allerdings doch nicht so unbedarft. „Natürlich kann sich die Infanterie zu einem Karree formieren. Was bedeutet, dass aus der langen Gefechtslinie ein Viereck wird und wir können den Schlammfüßlern nicht einfach in den Rücken reiten. Aber durch ein Karree haben die auch nur ein Viertel der Feuerkraft. Die Infanterie steht dann ziemlich dicht gedrängt, Jungs. Und dafür bekommen wir Rifle-Karabiner. Dafür sind eure hübschen Bandeliers da. Eine Salve in die dichtgedrängte Masse, die Klinge frei und hinein ins Getümmel.“

„Haben Sie das schon mal gemacht, Sergeant?“, fragte einer der anderen Privates.

Karl sagte sich, dass der Mann entweder Mut hatte oder Langeweile. Oder die Latrinen und Ställe schlicht vergessen hatte.

Aber der Sergeant blieb ganz ruhig. „Ja, mein Junge, das habe ich. Gegen mexikanische Linieninfanterie. Aber ich denke, wir haben genug geschwätzt. Ihr wollt mich nur von der Arbeit abhalten. Also los, Männer, den Säbel in Grundstellung.“

Nach einigen Wochen bekamen sie ihre Pferde. Pferde kannte Karl schon, nicht aber die mörderischen Sättel, welche die US-Kavallerie benutzte.

Sie waren ganz neu und Sergeant O´Malley pries sie ihnen derart an, dass sie schon glaubten, der Hersteller gebe dem Unteroffizier eine Gewinnbeteiligung. „Nagelneu, Männer. McClellans. Wie ihr seht, unterscheiden sich die Sättel ein wenig von den bisher genutzten.“ Ja, das konnte man ohne Frage behaupten. Im Grunde bestanden die Sättel aus zwei Seitenteilen, die mit Stegen verbunden waren. Somit lag der Sattel auf dem Widerrist der Pferde überhaupt nicht auf. „Gute Sache“, sagte O´Malley, „das schont die Pferderücken.“

„Aber nicht die Ärsche“, knurrte einer der Männer und er behielt Recht, obwohl er für diese Bemerkung die Latrine reinigte.

Karl Baumgart und die anderen lernten auf die harte und schonungslose Weise, was man mit einem Pferd alles anstellen konnte und das in der Kavallerie das Wohl des Pferdes noch vor dem des Reiters kam. Sie lernten die Formationen und lebten förmlich nach den Trompetensignalen. Die Pferde waren manchmal besser als die Reiter. Ein guter Kavallerist mit einem gut trainierten Kavalleriepferd konnte mühelos bei der Parade im Sattel schlafen und die Bewegungen seinem Pferd überlassen.

Bei der US-Armee schien alles durch Trompetensignale oder Trommeln und Pfeifen geregelt zu sein. Vom Wasserholen über den Stalldienst bis zum Gottesdienst. Für alles gab es ein besonderes Trompetensignal. Jede Kompanie hatte zwei Trompeter, die an ihren Uniformjacken zusätzliche quer verlaufende Litzen vor der Brust hatten. Am Anfang dachte Karl sich manchmal, dass diese besondere Uniform vielleicht nicht schlecht war. Ein aufmerksamer Feindschütze könnte den Lärm rasch beenden. Aber irgendwann ertappte er sich dabei, dass er die Trompetenklänge tatsächlich lieben lernte.

Er lernte auch die verschiedenen berittenen Truppen der US-Armee zu unterscheiden. Die Kavallerie war eine sehr neue Waffengattung. Die beiden Regimenter der ersten und zweiten US-Kavallerie waren erst 1855 gegründet worden. Bis dahin hatte es zwei Dragonerregimenter und ein Regiment berittener Schützen gegeben. Die Uniformen waren im Wesentlichen identisch, nur dass die Dragoons Orange als Waffenfarbe trugen und die „Mounted Rifles“ Grün. Dragoner waren Reiter mit Schützenbefähigung. Sie konnten gleichermaßen zu Pferde und zu Fuß kämpfen, wohingegen die berittenen Schützen die Pferde nur benutzten, um rasch den Kampfplatz zu erreichen und dort abgesessen zu kämpfen. Die Kavallerie sollte nun jene Waffengattung sein, die ausschließlich zu Pferde kämpfte. Die Idee gefiel Karl. Er ging immer weniger gern zu Fuß. Leider musste er es oft tun. Selbst wenn eine Kavallerieeinheit ausritt, kam auf jede Stunde Reiten mindestens eine Stunde Fußmarsch, bei dem die Pferde geführt wurden.

„Das hält sie jederzeit schön frisch für eine rasche Attacke“, erklärte O´Malley. Danach, wie frisch die Reiter waren, fragte er nicht.

Das Regiment war in drei Schwadronen zu je vier Kompanien gegliedert.

Jeden Morgen und Abend trat das Regiment an, die Vollzähligkeiten beim „Roll Call“ wurden überprüft und die Tagesbefehle ausgegeben. Kommandeur war ein Colonel. Albert Sidney Johnston, der Colonel des zweiten Kavallerieregiments, war ein preußisch wirkender Soldat, der die Paraden mit einer eleganten Selbstverständlichkeit abnahm. Ansonsten trat er kaum in Erscheinung.

Anders war das mit seinem Stellvertreter, Lieutenant-Colonel Robert E. Lee.

Lee war ein Gentleman mit angegrauten Schläfen und mit einer väterlichen Ausstrahlung. Die meisten Männer des Regiments wären wohl versucht gewesen, ihn „Daddy“ zu nennen. Was vor allem darauf zurückzuführen war, dass er sich um jeden Vorgang im Regiment kümmerte. Er hatte seine Augen überall und gehörte irgendwie zu den Offizieren, denen man das nicht übel nahm. Vor allem die taktischen Formationen schienen es Lee angetan zu haben. Nie hörte Karl, dass der Mann einen Untergebenen ungerecht oder unhöflich behandelt hätte. Das war bei Lee einfach undenkbar. Es sei denn, man hatte etwas ausgefressen. Lee sah zwar eher aus wie ein Universitätsprofessor, aber er war ebenso Soldat. Und er war es auch, der Karl schließlich zu einem wirklichen Angehörigen der US-Kavallerie machte.

Am frühen Morgen hörte Karl den kurzen Trompetenstoß, der die Trompeter zum Sammeln rief. Kurz darauf ertönte die Reveille, das Wecksignal. Alle Signale, mit Ausnahme des Flaggensignals Call to Colors wurden zweimal geblasen. Karl hatte also noch genug Zeit, dem über ihm liegenden Jack Robbins freundschaftlich in den Hintern zu treten. Die Reveille war ein Signal, das man von den französischen Truppen übernommen hatte. Eine Menge Franzosen hatten ja beim Unabhängigkeitskrieg der Vereinigten Staaten mitgemacht. Als Militärberater oder später auch mit vollen Kampftruppen. Bei Fußtruppen wurde das Wecksignal mit Trommlern und Pfeifern gegeben und es wäre eine sehr hübsche Melodie gewesen, wenn sie nicht den Zweck gehabt hätte, die Männer unbarmherzig aus dem Schlaf zu reißen. Was die Melodie nicht schaffte, das brachten die Sergeants und Corporals zu Ende. Hier und da ein freundlicher Knuff und in einem Fall ein Eimer Wasser und die Männer sahen halbwegs munter einem neuen Tag entgegen. Aber man gewöhnte sich an den Tagesablauf, der strikt reglementiert war. Es gab für alles feste Zeiten und irgendwann war es so weit, dass die Männer automatisch erwachten, selbst wenn der Trompeter verschlafen hätte.

Vor dem Frühstück ging es immer zum Roll Call. Niemand musste dabei besonders ausgeschlafen oder ordentlich uniformiert aussehen. Hauptsache, man schleppte sich schnell genug auf den Paradeplatz, fand seinen richtigen Platz in der Kompanie, und war in der Lage zu antworten, wenn der First-Sergeant der Kompanie den Namen aufrief.

Dan Tucker, den Karl ganz am Anfang bereits am Tor kennengelernt hatte, war der Hauptfeldwebel der C-Kompanie. Als der Roll Call an diesem Morgen beendet war, erwarteten alle, dass er sein Notizbuch zuklappte und sie zum Frühstück wegtreten ließe. Aber Tucker wippte leicht auf den Absätzen und grinste sie breit an.

„Nun gut, Gentlemen, Heute ist der Tag, an dem Sie den Eid auf die Fahne leisten werden. Ich bitte mir also aus, dass jeder nach dem Frühstück dafür sorgt, dass er wie aus dem Ei gepellt aussieht.“ Tucker wusste, dass sie bei einer Dress Parade, wie das Antreten in voller Parade genannt wurde, immer wie aus dem Ei gepellt aussahen. „Kompanie – Achtung.“

Automatisch gingen sie in Grundstellung und sahen durch Tucker hindurch. „Weggetreten.“

Sie lösten sich auf. Beim Roll Call konnten sie einfach von der Stelle wegtreten. Nachher, bei der Parade würde das anders sein. Ein Fuß nach hinten versetzt und eingedreht, eine gleitende Drehung, den Fuß nachgezogen und schon würden sie in Gegenrichtung stehen.

Es gab den starken Armeekaffee und Karl schaufelte Schinken und Eier in sich hinein. Gerüchte besagten, der Armeekaffee sei so stark, damit die Schuhsohlen sich ordentlich kräuselten und später beim Drill wieder platt getreten werden konnten.

Sie traten in voller Paradeuniform auf dem Exerzierplatz an. Jede der Kompanien beritten und in zwei Gliedern.

Rechts außen an den Formationen flatterten die Kompaniezeichen an ihren langen Lanzen. Rund siebzig Zentimeter hoch und einen Meter lang. Hinten waren sie knapp vierzig Zentimeter eingeschnitten. In der oberen roten Hälfte des Kompaniezeichens standen die weißen Buchstaben U.S. und in der unteren weißen Hälfte der rote Kennbuchstabe der Kompanie. An der Lanze befand sich oben eine Spitze aus blitzendem Messing, die an ein umgedrehtes Herz erinnerte. Das Ende der Lanze hatte einen stumpfen Bodendorn aus Messing, der vom Wimpelträger in eine Halterung am Steigbügel gestellt wurde.

Das Paradefeld war groß genug, so dass die fast 600 Männer des Regimentes mit ihren Pferden nur zwei Seiten des Platzes einnahmen. Vor der Kommandantur stand die berittene Color Guard, die Fahnenwache mit dem Regimentszeichen. Bislang hatte Karl die Regimentsfahne noch nicht zu Gesicht bekommen. Sie war erstaunlich klein. So hoch wie ein Kompaniezeichen, aber nur rund neunzig Zentimeter lang. Ein dunkelblaues Tuch mit gelben Fransen eingefasst. Die Fahne zeigte den US-Adler und zwei rote Schriftrollen, auf denen der Name des Regimentes stand. Karl sah Lee aus der Kommandantur treten. Er bestieg seinen Rappen und plötzlich hallte der Paradeplatz von Kommandos wieder.

Es gab eine typische Art, Befehle zu vermitteln. Die Ankündigungsbefehle, welche jeden darauf vorbereiteten, was er zu tun hatte, wurden von oben nach unten durchgereicht. Vom Regimentskommandeur bis zum Lieutenant des einzelnen Zuges. Dann kam immer das Ausführungskommando, das vom ranghöchsten Befehlshaber gegeben wurde. In diesem Fall vom kommandierenden Major, denn Lee, als Lieutenant-Colonel, nahm die Parade ja ab.

Als Karl Baumgart an den ersten Paraden teilgenommen hatte, war die Befehlsgebung mitunter ein heilloses Stimmengewirr gewesen. Die Wochen und Monate der Ausbildung hatten dies geändert.

„Regiment“, die Stimme des kommandierenden Majors, „Bataillon“, die Stimmen der anderen beiden Majore, „Company“, die Stimmen von zwölf Captains, „Platoon“, das Ankündigungskommando der Zugführer. Das machte jedem klar, das alle gemeint waren.

Erneut erhob der kommandierende Major die Stimme. „Draw“. Rund sechshundert Hände umschlossen die Griffe der Kavalleriesäbel. „Sabre“. Nur dieses eine laute Kommando und in einer einzigen Bewegung zischten die Klingen aus ihren Scheiden, wurden für einen Sekundenbruchteil im exakten Winkel von 45 Grad schräg nach vorne gerichtet und dann mit einer gleitenden Bewegung an die rechte Schulternaht gelegt.

Keiner patzte. Zum einen waren sie inzwischen perfekt gedrillt und zum anderen wollte keiner die Parade schmeißen. Heute galt es.

Lieutenant-Colonel Robert E. Lee ritt an und die Regimentsfahne, geschützt von drei ausgesuchten Sergeants des Regiments, folgte ihm dichtauf. Lee hatte eine tragende Stimme und konnte sich mühelos verständigen. Mit klarer Stimme nahm er ihnen den Eid auf die Fahne der Vereinigten Staaten ab.

Dann folgten wieder die Kommandos vom Regiment zum Zug hinunter. „Within doubling – right face.“

Die Kompanien standen in Doppelreihe. Nun würden sie gleich aus der Doppelreihe in die Viererkolonne übergehen. Die vordere Reihe ritt zwei Pferdelängen vor und ging auf Lücke, das hieß, Reiter mit gerader Nummer ritten eine Länge vor, die mit ungeraden Nummern hingegen zwei. Die hintere Reihe tat dasselbe. Automatisch lenkten sie die Pferde dann nach recht in die entstandenen Lücken hinein. Für einen Laien sah es kompliziert aus, doch innerhalb weniger Sekunden entstand aus der Doppelreihe, mit Blick nach vorne zum Zentrum des Platzes eine lange und kompakte Viererkolonne.

Dann begann die Regimentskapelle zu spielen. Den Yankee Doodle, Spanish Guard Mount, American Flag und The Girl I Left Behind Me. Sie ritten zu den Klängen von Trommeln und Pfeifen an, präsentierten vor Lee und der Regimentsfahne die Klingen und Karl Baumgart wurde bewusst, dass er nun Soldat der zweiten US-Kavallerie war.

Für Freiheit, Lincoln und Lee

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