Читать книгу Zwielicht 11 - Michael Schmidt - Страница 11

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Wahrscheinlich handelte es sich um das Holz der Bohlen, das unter dem unerwarteten Kälteeinbruch arbeitete. Nun verärgerte es ihn umso mehr, sich durch so eine Lappalie aus der Ruhe bringen zu lassen. Er schmierte sich sein Sandwich zu Ende, schaltete beim Verzehr dennoch den Fernseher ein, um ein wenig Unterhaltung zu haben. Auf der Mattscheibe lief eine späte Wiederholung von Detroit 9000 mit Alex Rocco. Als er nach dem Essen nach oben musste, um sich zu waschen und ins Schlafzimmer zu gelangen, konnte er jedoch nicht leugnen, dass ihm ein wenig bange war. Anders als sonst schaltete er daher sogar das Licht im Treppenhaus ein, um zu sehen, was ihn am Ende der Stufen erwartete. Doch am Treppenabsatz wartete niemand auf ihn. Sein Haus wirkte anders, doch hatte es sich in keiner Weise verändert. Hatte er sich also verändert?

Beim Zähneputzen ließ er die Badezimmertür hinter sich offen. Auch hier musste er an die billigen Filme denken, in denen das Opfer seinen Mörder plötzlich hinter sich im Spiegel sah. Doch um seine Selbstachtung nicht zu verleugnen, konnte oder wollte er die Tür nicht schließen, sondern die Dunkelheit hinter sich wissen. Und für einen kurzen Moment fiel die Anspannung von ihm ab. Zu hören war nur das laufende Wasser aus dem Hahn, während er sich den Mund ausspülte. Ruckartig hob McMillan seinen Kopf. Plötzlich vernahm er wieder dieses Zischen und schwenkte jäh um. Diesmal klang es lauter, aber zugleich auch schwammiger. Er schaute in den langen, dunklen Flur und die Finsternis schaute zu ihm, als hätte sie Augen. Ohne seinen Blick abzuwenden, griff er hinter sich und drehte das Wasser ab. Diesmal konnte er sich nicht sicher sein, ob es die Dielen waren, die jenes Geräusch hervorbrachten. Vielleicht eine Warnung seines Unterbewusstseins? Nein … in einem Punkt konnte er sich nun sicher sein. Er war nicht alleine in diesem Haus.

Aufgrund des hell erleuchteten Badezimmers, konnten seine Augen sich nicht an die Dunkelheit gewöhnen. Auch warf die Deckenbeleuchtung nicht genügend Strahlen ab, um den Korridor möglichst weit zu erhellen. Ein Schritt hinaus ins Dunkel hätte genügt, damit seine Augen die feinen Konturen besser hätten wahrnehmen können. Auf der einen Seite verwehrte die packende Furcht ihm jedoch diesen Schritt und auf der anderen Seite brauchte er es nicht mehr zu sehen, um sich sicher zu sein. Am Ende des schwarzen Flurs versteckte sich irgendjemand oder irgendetwas, das auf ihn wartete. Es bestand kein Zweifel, dass es nicht in freundlicher Absicht dort auf ihn wartete.

Henry McMillan fühlte sich bedroht. Aber Henry McMillan fühlte sich auch missbraucht. Er spürte, wie er von dieser lichtlosen Gestalt angezogen wurde. Und noch während er darüber nachdachte, hatte er bereits zu seinem Entsetzen den ersten Schritt aus dem Badezimmer hinaus in die Dunkelheit gesetzt. Er wollte sich herumreißen und die Tür hinter sich zu schließen, um dem Grauen ein Ende zu bereiten – oder schrie er bereits von innen heraus: Ich komme! Ob als Warnung oder Bestätigung: Er wusste es nicht und ehe er bemerkte, wie ihm geschah, hatte er bereits den anderen Fuß nachgezogen; stand nun völlig außerhalb des Licht spendenden Raumes schutzlos und entwaffnet da. Nun konnte er auch einen Atem hören; er war bereits ganz nah. Das beklemmende Grauen wucherte bereits so unerträglich schmerzhaft, dass sein Herz raste, seine Lippen austrockneten. Er wünschte sich nur noch, diese Qualen zu beenden und schmiss mit einem Ruck die Badezimmertür hinter sich zu, die scheppernd zufiel und alles Licht wegsperrte. Nun gab es nur noch ihn, die Dunkelheit und das Unbekannte, das nach ihm rief. McMillan sah nichts außer schwarzer Düsternis. Düsternis umgab ihn, Düsternis verlangte nach ihm. Düsternis war alles. Er brauchte keinen Schritt weiter zu gehen, denn er spürte, wie es bereits aus seinem Schattenreich hervorgekrochen kam und nun unmittelbar vor ihm stand.

Am nächsten Morgen war Alan Smithee der erste beim Radiosender. Doch zu seiner Verwunderung stand die Eingangstür bereits offen. Die Irritation wandelte sich in Entsetzen als er bemerkte, dass kein Auto außer dem seinigen auf dem Parkplatz stand. Das Studio lag ein wenig außerhalb der nächsten Ortschaft, daher erschien es unwahrscheinlich, dass jemand die Sendeanstalt zu Fuß erreicht hätte, vor allem bei dem nasskalten Wetter. Und da es relativ ausgeschlossen schien, dass die Nachtschicht vergessen hatte, die alarmgesicherte Tür abzuschließen, rannte Smithee zurück zu seinem Wagen, schloss sich ein und rief die Polizei. Er glaubte an einen Einbruch und wollte es nicht riskieren, den Verbrechern im dunklen Studio über den Weg zu laufen. Vielleicht war dies ein wenig überreagiert, aber Smithee hatte bereits einmal einen Überfall auf eine Tankstelle miterlebt und verhielt sich bei solchen Situationen daher immer etwas schreckhaft. Nach einer gefühlten Ewigkeit traf auch ein Streifenwagen ein und die Beamten betraten das Gebäude. Nachdem die Ordnungskräfte einige Male gerufen hatten, ob jemand im Haus sei und keine Antwort kam, durchkämmten die Beamten den Sender. Von draußen konnte Smithee erkennen, wie die Lichter im Studio angingen. Nun war ihm die Situation ausgesprochen peinlich, denn wahrscheinlich hatte man doch nur vergessen die Tür abzuschließen. Aber hätte dann eigentlich nicht ein Alarm losschlagen müssen? Die Antwort war jedoch schlimmer als er es hätte ahnen können. Denn nach ein paar Minuten kam einer der beiden Polizisten herausgerannt, sprang in seinen Wagen und griff zum Funkgerät. Nach weniger als zehn Minuten fuhren gleich mehrere Autos vor. Diesmal handelte es sich nicht um gewöhnliche Streifenpolizisten, sondern um hohe Beamte von einer Kommission. Nach und nach trafen auch die anderen Redaktionsmitarbeiter ein, freilich verbot man ihnen den Sender zu betreten. Nur bruchstückhaft sickerte auch zu den Mitarbeitern durch, was in diesem Haus vorgefallen war.

Im Tonstudio von Bay FM hatte man die Leiche von Henry McMillan gefunden. Erwürgt mit dem Kabel seines eigenen Mikrofons, das sich laut Bericht wie eine Schlange um seinen Hals gezurrt hatte und seine Augen weit geöffnet hervorquollen ließ. Der Mund war aufgerissen, wie zu einem letzten Schrei. Hatte McMillan Suizid begangen? Dies war nicht auszuschließen, hätte den Beamten nicht eine andere Anomalie Rätsel aufgegeben. Denn der tote Körper von McMillan wies eine tiefe Wunde auf. Mit einem Messer, einer Schere oder einer anderen spitzen Waffe, die nicht am Tatort sichergestellt werden konnte, waren blutige Worte in seine Stirn geschlitzt. Sie lauteten:

Hanky Panky

Zwielicht 11

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