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Kapitel: 10 Wie fühlt sich das an?
Оглавление„Wie fühlt sich das an?“
„ Es ist ein Traum, aber jetzt gehe bitte und rede mit ihr, sie hat ausdrücklich zehn Minuten gesagt.“
„Wie lange sitzt du denn schon hier?“
„Keine Ahnung, wie spät es ist. Auf jeden Fall zu lange.“
„Ich werde jetzt wieder gehen, sollte sie zustimmen, machen wir dich frei. Ansonsten, gute Nacht, bis morgen Früh zum Frühstück.“
Sie knipste das Licht aus und ging. Sie hat wenigstens den Knebel vergessen, denke ich. Da geht die Türe nochmals auf, „ich habe doch was vergessen.“ Sie nimmt das Tuch und bindet es fest über den Mund. Es sind übrigens die frisch gewaschenen Tücher, du weißt schon aus dem Fundus. Also gute Nacht!“
Sie ging und kam auch nicht zurück. Ich verlor völlig das Zeitgefühl. Ich muss wohl mehrfach eingeschlafen sein. Als plötzlich die Türe aufging. „Na wie fühlst du dich?“
Ich murmelte so gut es ging durch das dicke Tuch, dass es jetzt reichen würde. Betti meinte aber, „du hast ja gar keinen Knebel im Mund. Da hat Barbara aber schlampig gearbeitet.“ Sie nahm mir das Tuch vom Mund. „Jetzt trink mal einen Schluck Wasser.“
„Mach mich jetzt frei, die zehn Minuten sind längst vorbei.“
„Mein Ex saß hier drei Tage, kannst du dir vorstellen, wie sauer der war?“
„Ja kann ich. Möchtest du denn, dass ich für immer gehe?“ „Nein, ich glaube nämlich, dass du es magst. Ich werde dir noch was zu essen holen.“ Sie ging, den Lichtschalter konnte ich nicht hören, sie ließ das Licht wohl an. Vielleicht war es ja schon hell. Nach einer Weile hörte ich sie beide.
„Jetzt werden wir unseren Buben erstmal füttern.“ Sie hatten eine Riesenfreude daran, scherzten und lachten auf meine Kosten. Sie gaben mir noch zu trinken und meinten, „heute bekommst du einen freien Tag“ Ich werde zurück gelassen. Was steht mir noch bevor?
Es dauerte aber nicht lange, als abermals jemand kommt, sehr leise. Die Lederriemen werden geöffnet. Ich nehme das Tuch ab und lege es auf die Seite. Es ist Wilhelm. „Ich hab dich gestern nicht mehr gesehen und wollte lieber nachschauen."
„Aber was werden Betti und Barbara sagen?“
„Sie werden sich an mir rächen.“
„Dann werde ich dir helfen.“
„Sie sind übrigens beide mit dem Wagen unterwegs.“
„Dann werde ich erstmal duschen.“ Ich ging in mein Zimmer und machte mich frisch. Zog mich völlig um und überlegte, was ich am besten tun solle. So weitermachen wollte ich auf keinen Fall. Ich sah auf meinem Tisch die Post. Es war eine Einladung nach Barcelona dabei. Das tut nun aber richtig gut. Ich überlege schon, ob ich nicht gleich abhauen soll. Ich blickte in den Innenhof und sehe Bettis Wagen. Ich gehe hinunter und sehe nach dem Schlüssel, er steckte. Wilhelm kam und meinte, „du wirst doch jetzt nicht gehen?“ „Nein dass nicht, aber ich brauche ein paar Tage Abwechslung.“ Ich packe ein paar Sachen zusammen und fahre Richtung Stralsund. Mein Navi zeigte mir den Weg. Nun sehe ich ja die Gegend das erste Mal richtig. Auf dem Weg nach Stralsund entschloss ich mich nach Berlin zu fahren. Ich wollte mir einen Leihwagen holen und den Wagen von Betti in Stralsund lassen. Dies tat ich dann auch und sagte dem Verleiher, dass das Fahrzeug in den nächsten Tagen von einer jungen Dame abgeholt werden würde.
Ich nahm einen Mercedes, so konnte ich bequem auch eine weitere Strecke fahren. Das Handy läutete mehrfach, aber ich hob es nicht ab. Ich überlegte noch kurz, was ich eigentlich zurückgelassen hatte. Eigentlich alles unwichtige Dinge.
In Berlin gab ich den Wagen zurück und flog nach München. In meiner Wohnung in München angekommen, setzte ich mich erstmal in die Badewanne. Ich genoss mein Weißbier und schüttelte den Kopf über das was ich erlebt habe.
„Scheiß drauf!“, dachte ich bei mir. Ich ging zu Bett und stellte den Fernseher ein. Ist das schön wieder für sich zu sein. Ich sehe mir die Einladung für Barcelona an. Das mache ich. Es ist in vier Wochen, da kann ich noch meinen Auftrag in Brixen erledigen. Am nächsten Morgen kommt der Anrufbeantworter nicht zur Ruhe. Betti und Barbara sind abwechselnd dran. Ich hebe also doch ab. Betti beschwört mich, dass alles nur ein kleiner Scherz war. Ich gehe nicht weiter auf das Gespräch ein und meine nur, „dein Wagen steht bei Avis, hole ihn dir ab, wenn du willst. Ansonsten wünsche ich euch beiden alles Gute.“
Das tat gut. Ich telefoniere mit Brixen und entschließe mich, gegen Abend loszufahren. Auf dem Weg, mache ich noch einen Umweg über einen Herrenausstatter, ich brauche neue Klamotten. Mein VW-Bus, eigentlich ja ein richtiges Wohnmobil, wurde noch gewaschen, dann aber ging es ab in Richtung Italien.
Ich ging wieder in mein Stammhotel und ließ mir eine gute Flasche Wein auf das Zimmer bringen. Meinen Freund in Berlin versuche ich vergeblich über das Handy zu erreichen, es war nur der Anrufbeantworter eingeschaltet. Ich mache mich frisch und gehe noch in die Altstadt von Brixen. Hier schätze ich besonders das bereits südliche Flair. Ich entscheide mich für ein Straßenrestaurant, denn man kann tatsächlich noch draußen sitzen. Eine Schinkenplatte und einen Wein vom Kalterer See. Dazu natürlich ein schönes Holzofenbrot und richtige Landbutter. Hier bin ich eigentlich Zuhause, zumindest mein zweites Zuhause. Meine Seele jubelt immer, wenn ich hier in meinem Straßenrestaurant sitze und den Menschen beim Flanieren zu sehe. Es ist fast halb zwölf als ich mich auf mein Zimmer begebe.
Am frühen Morgen fahre ich bereits hinauf zu meiner Baustelle. Hier muss ich nur beraten. Ein bekannter Architekt aus Verona führt die Bauarbeiten. Wir sprechen über die verschiedenen Bauabschnitte. Vor allem benötigen wir noch einen Geologen, da wir dem Gestein nicht wirklich trauen.
Die Baustelle soll in den nächsten vier Wochen fertig sein. Das hat wirklich Spaß gemacht. Der Besitzer ist ein sehr wohlhabender Herr aus München. Er wird hier sicher die nötige Entspannung finden, die er dringend braucht.
Dann endlich ruft mein Freund aus Berlin an. „Richi, ich hab mindestens hundertmal versucht dich zu erreichen.“
„Ja, stell dir vor, ich habe deine beiden Damen kennen gelernt. Nachdem ich nichts mehr von dir gehört habe, habe ich mich auf den Weg gemacht, so wie wir es ausgemacht hatten und habe das Anwesen gesucht. Auf Grund deiner guten Peilung, hatte ich auch kein Problem. Ein Problem stellte sich ein, als ich eine Klingel suchte. Zum Schluss blieb mir nichts anderes übrig, als auf die Hupe zu steigen. Dann endlich öffnete eine junge Dame. Ich stellte mich vor.“ Sie meinte aber, „Der Manfred ist bereits abgereist. Der hat das Handtuch geworfen.“
Sie bat mich dann herein. So lernte ich Betti und Barbara kennen. Sie wollte wissen, wie ich den Weg gefunden hätte. Ich erzählte von deiner Peilung.“
„Wie lange bist du denn geblieben?“ frage ich Richi.
„Sie wollten natürlich, dass ich länger bleibe, aber ich hatte ja nur Sachen dabei für eine Übernachtung. Sie wollten noch wissen, wo sie dich finden könnten. Ich gab ihnen einen Tipp.“
„Du bist ja wahnsinnig. Ich war froh sie endlich los zu sein.“
„Sie meinten aber, sie hätten dich sehr lieb und wollten dich nicht so schnell aufgeben. Barbara meinte auch, sie hätte noch verschiedene Dinge, die sie dir bringen müsste. Ich meine, die wirst du nicht so schnell los. Sie meinte auch, sie würden dir eine Wohnung schenken, wenn du zurückkommst.“
„Ich will jetzt erstmal, dass Grass über all die Dinge wächst, die ich erlebt habe.“
„Was haben sie dir denn angetan, dass du so fluchtartig weg bist?“
„Ich will nicht darüber sprechen.“ „Betti meinte, sie hätte dich ein wenig eingeschränkt in deiner Bewegung. Was meint sie denn damit?“
„Lass es, ich werde dir später davon erzählen. Wann kommst du denn nach München?“
„Keine Ahnung, ich hänge hier mit einem Projekt von der Regierung fest. Das kann dauern.“
Ich erzähle noch von meiner Einladung nach Barcelona, welche in etwa vier Wochen ist. „Du fliegst ja sicher, oder fährst du von Brixen mit dem Wagen?“
„Weiß ich wirklich noch nicht. Wenn, dann müsste ich mit dem VW fahren, da kann ich auch mal drin schlafen. Da hätte ich dann noch eine Anfrage aus Arles in Südfrankreich, da müsste was renoviert werden.“
„Dann mach das doch, nimm deinen VW. Dir geht aber die Arbeit auch nicht aus?“ „Gott sei Dank, im Moment bin ich ein viel gefragter Mann.“
„Ich weiß, besonders von Betti, ich glaube sie hat sich in dich verliebt. Sie wollte wissen, ob du verheiratet bist.“
„Ach sieh mal an. Ich dachte die beiden Weiber sind zusammen, sind vielleicht sogar Lesbisch.“
„Da blickst du niemals durch, vielleicht sind sie ja Bi?“
„Auch möglich.“ Wir versprechen uns, bald ein Treffen zu arrangieren, spätestens in München zum Oktoberfest. „Also Servus Richi!“ Für heute Abend habe ich genug Arbeit mitgenommen. Ich muss noch mal die ganze Baustelle durchrechnen. Ich lasse mir eine große Platte Parmaschinken und eine Flasche Rotwein auf mein Zimmer kommen, um dort zu arbeiten. Als ich auf die Uhr sehe ist es bereits 22.30 Uhr, Zeit für heute Schluss zu machen. Ich dusche noch und lege mich zum Fernsehen auf mein Bett. Ich sehe mir noch den Kalender für die nächsten vier Wochen an und beginne zu grübeln.
Der Hoteldirektor des Hotels in Brixen hat mir extra sein Arbeitszimmer angeboten, um etwas Erleichterung zu haben. Ich habe es mir dort gemütlich eingerichtet.
Eine sehr nette Bedienung ist bemüht mich vor dem Hungertod zu bewahren. Immer wieder kommt sie und fragt, ob ich nicht eine Kleinigkeit zum Essen bräuchte. Eine Kleinigkeit ja, aber nicht die große Schinkenplatte. Sie bringt Melone mit Schinken. „Kommen Sie und setzen Sie sich dazu. Ich kann das alles gar nicht essen. Sie sprechen so gut Deutsch, wo haben sie dies gelernt?“
„Meine Mutter ist aus Graz, mein Vater ist aus Brixen“ Erklärt sie. „Sie sprechen aber auch gut Deutsch, obwohl sie aus Bayern sind.“ Wir lachen und prosten uns mit einem guten Wein zu. „Wenn Sie wollen, zeige ich Ihnen am Wochenende eine sehr schöne alte Almhütte.“
„Benötige ich eine Kletterausrüstung?“
„Nein wir erreichen sie über einen ganz bequemen Weg, man kann fast bis vor die Hütte mit dem Wagen fahren. Mein Vater hat sie vor etwa zehn Jahren erworben und seit dem renoviert er daran.“
„Meinen sie er braucht Hilfe?“
„Einen guten Rat nimmt er sicher gerne an. Er ist immer am Samstag und Sonntag oben auf der Alm.“
So beschließen wir, am Samstag gemeinsam dorthin zu fahren. Samstag früh, wird mir ein Zettel unter der Türe durchgeschoben. „Bitte nehmen Sie einen Anorak und warme Sachen mit.“ Als ich in den Frühstücksraum komme, huscht sie vorbei und fragt, ob es in einer halben Stunde recht sei. Ich nicke, und sehe ihr beim Hinausgehen nach. Ein überaus fesches und lebensfrohes Geschöpf, schon bei meinen letzten Besuchen ist sie mir aufgefallen. Wie alt wird sie wohl sein? Wie hübsch sie sich zurecht gemacht hat. Ich warte mit dicker Jacke und Jeans am Eingang des Hotels. Um die Ecke prescht ein Motorrad und hält direkt vor meinen Füßen. „Komm, steigen Sie auf“, fordert mich Irmi auf.
„Ich dachte, wir nehmen den VW, der hat Vierradantrieb.“
„Mit dem Auto kommen wir zwar hinauf, aber mit dem Motorrad macht es mehr Spaß.“ Ich nehme hinter ihr auf dem Motorrad Platz. „Halten sie sich bitte fest, haben sie keine Scheu sich an mir festzuhalten.“ Sie braust los, als wolle sie mir beweisen, wie gut sie fahren kann. Ich halte mich an ihrer Hüfte fest. Hin und wieder greife ich recht herzhaft zu, damit ich nicht aus dem Sattel fliege. Sie hält kurz an und meint, „jetzt müssen wir den Anorak schließen, es wird im Wald ziemlich kühl.
Sie dreht sich zu mir um und schließt ihn bis ganz oben, dabei blickt sie mir in die Augen, dass mir ganz komisch wird. Aber da gibt sie schon wieder Gas. Durch den Wald macht die Maschine ein paar ganz tolle Sprünge. Links, rechts, dann kommen wir auf eine Lichtung. Sie gibt noch mal richtig Gas und da taucht auch schon ein Holzhaus auf. Vor dem Eingang winkt uns ein älterer Herr.
„Du hättest aber auch mit dem Auto kommen können.“ Da bleibt mir ja die Spucke weg. „Ich wollte mal zeigen wie schön es mit dem Motorrad ist.“ Der Herr stellt sich als Vater vor und zeigt hinter das Haus, „hier steht mein Unimog.“
Es ist ein typisches Anwesen für diese Gegend. Er bietet uns einen Enzianschnaps an. „Dann müssen Sie aber auch mein selbstgebackenes Brot und die frische Butter probieren.“
Er ruft seine Tochter Irmi. In diesem Moment fragt er, wie ich denn heiße.
„Sagen sie einfach Manfred.“ Wir setzen uns in der Stube an den großen Tisch und machen Brotzeit, „da hab ich noch eine sehr gute Leberwurst. Ich habe diese Sachen nur hier oben, wenn mal das Wetter umschlägt.“
„Verstehe, aber Sie Essen schon gerne gut“, frage ich.
„Ja, doch schon“. Er lacht. Irmi macht ein wenig Musik, richtige Almmusik auf der Zitter, so holt er noch seine Gitarre und fängt an zu singen. Später zeigt er mir das Haus. Es war prachtvoll renoviert. „Leider hat es meine Frau nicht mehr erlebt. Sie ist beim Bergsteigen umgekommen.
Irmi war gerade mal zwölf Jahre. Ich bin sozusagen Alleinerziehender.“
„Sie machen das aber wirklich gut. Ihre Tochter ist ja eine richtige
Vorzeige-Tochter.“ Da wird Irmi rot. Gegen Abend frage ich, wann wir wieder aufbrechen. „Heute nicht mehr, wir erwarten ein Unwetter.“ Der Vater muss lachen. „Wir erwarten immer ein Unwetter, wenn wir nicht ins Tal wollen.“
„Sie bekommen einen Schlafanzug meines Vaters, einen Bademantel bekommen sie ebenfalls. Ein paar Hausschuhe gibt es sicher auch noch irgendwo.“
„Schlaf ich dann im Heu?“
„Seien Sie beruhigt, wir haben auch ein Gästezimmer.“ Der Vater meint zu Irmi, „Der junge Mann glaubt, wir leben hier noch im achtzehnten Jahrhundert.“
„Stell dir vor, wir haben hier fließendes Wasser. Entschuldigen Sie, ich habe versehentlich „Du“ gesagt.“
„Was halten Sie von Leber und Blutwurst? Dann machen wir noch Bratkartoffeln dazu.“
„Aber nur, wenn wir alle mit helfen.“ Wir stoßen mit einem Enzian auf zukünftiges „Du“ an. Dann beginnen wir mit der Küchenarbeit. Irmi deckt den Tisch. Ich fragte nach der Toilette. Irmi meinte, „da drüben liegt der Prügel, den brauchst du zum Wölfe vertreiben.“
„Den Witz kennen wir sogar in Bayern“, meine ich lachend.
Der Vater wollte etwas mehr über meine Arbeit erfahren. Eigentlich wusste er schon alles, wie ich feststellen musste. Irmi hat mich wohl ausgeforscht und es ihrem Vater erzählt. „Du bist aber gut informiert.“
„Ja klar, ich kenne dich ja schon fast drei Jahre.“ So langsam wird mir klar, was sie vorhat. Der Vater meint, „Irmi hat mir erzählt, dass ihre Familie eigentlich aus dieser Gegend ist.“
Irmi macht den Vorschlag, noch etwas Musik zu machen. Sie legt eine CD auf. „Nach dem Essen, können wir ja noch selbst musizieren.“
„Wenn ich da eine Hilfe sein kann, gerne.“
„Du machst das aber sehr gut“, meint Irmi.
„Wahrscheinlich hast du dich nie getraut zu singen.“
„Hier oben auf dem Berg, kannst du ein paar Bergziegen vertreiben, mehr passiert hier nicht. Der Vater schenkt eine weitere Runde vom Enzian ein. „Prost auf das Singen.“
Inzwischen ist es draußen stockdunkel. Nur der Mond steht groß am Himmel. Keine einzige Wolke. „Da waren wir aber sehr brav, wenn sich der Himmel so zeigt.“