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Kapitel: 3 Meck.-Pomm.

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Jedes Objekt ist eine erneute Herausforderung, selten gleicht das Eine dem Anderen.

So gehe ich also mit neugierigen Gedanken zum Bahnhof. Mein Zug steht bereits zum Einsteigen bereit. Ich mache es mir bequem, schnappe mir einen Schmöker und vertreibe mir die Zeit mit Lesen. Das gleichmäßige Ruckeln lässt mich schon bald nach der Abfahrt in den Schlaf sinken.

Die Ankunft in Hamburg ist pünktlich, so habe ich noch genug Zeit ein Frühstück einzunehmen. Auch mein Anschlusszug steht schon da, so dass ich auch in Wismar pünktlich sein werde. Ich rufe Barbara an und bestätige nochmals meine Ankunft. Sie will mich nun doch gleich am Bahnhof treffen, damit wir gleich losfahren können.

Etwas verunsichert stehe ich am Bahnhof von Wismar, sagten wir nun unter der großen Uhr oder neben der großen Uhr? Wenn ich so um mich sehe, entdecke ich gleich mehrere große Uhren. Sie muss mich wohl erkannt haben, eine junge Frau steht plötzlich vor mir und meint, „Suchen Sie mich?“

„Wenn Sie Barbara sind? Ich hatte sie mir anders vorgestellt, eher wie eine Landfrau, stämmig und kräftig.“ Barbara muss lachen, ein herzliches, fröhliches Lachen. Wie sie so vor mir steht, denke ich. Vorsicht, in die junge Dame, könntest du dich verlieben. Ihr Körperbau ist nicht zu dick, nicht zu dünn, in Bayern würde man sagen, „Genau richtig, es passt alles.“ Die nächste Überraschung die folgt alsbald. Es ist das Auto, es ist ein „Citroen Entchen“ in rot, etwas ungepflegt und mit einigen Roststellen und Schrammen versehen.

Sie steht im Halteverbot und wird gerade aufgeschrieben. Sie schimpft wie ein Rohrspatz, so dass der Polizist von weiterem Schreiben absieht.

Zuerst sage ich mal gar nichts, ich betrachte sie von der Seite, um mir ein Bild von ihr zu machen.

Sie trägt eine Jeansjacke mit verschiedenen bunten Tüchern, die sie sich um den Hals geschlungen hat. Der lange Rock hat viele Falten, so dass ich vermute, er wurde auf einer Ungarnreise erstanden.

„Sie sagen ja gar nichts“ meint Barbara.

„Ich lasse Sie gerade auf mich wirken.“

Sie lacht herzlich, „Ich lasse mich nun mal nicht gerne aufschreiben.“ Wir starten und die Straße führt uns Richtung Rostock, so vermute ich. Es könnte sich um die Gegend zwischen Rostock und Stralsund handeln. Hier liegt ja auch das Schlösschen Krönnevitz, welches ich schon von früheren Besuchen her kenne.

Wir gondeln, denn von Fahren konnte man nicht sprechen, so dahin. Sie steuert einen Parkplatz an und parkt das Entchen. Sie fängt das Gespräch so an: „Da ich nicht möchte, dass ein Fremder weiß, wie man zu meinem Anwesen kommt, werde ich Sie bitten, die Augen zu schließen. Mein Anwesen kennen nur sehr wenige, in einem Verzeichnis ist es nicht registriert. Wenn ich später weiß, dass ich Ihnen trauen kann, werden Sie erfahren, wo es ist.“

„Spätestens wenn ich es sehe, werde ich wissen, um was es sich handelt und wo es liegt.“ Ich bin etwas mürrisch und verhehle es nicht. Da ich ja nun endlich wissen will, mit was ich es zutun haben werde.

Wir steigen aus und vertreten uns die Beine, als sie auf mich zukommt, sagt sie, „Ich werde Ihnen nun die Augen verbinden.“ Ich bin so erstaunt, dass ich nur sage, „Wenn Sie meinen. Dann spielen wir eben Blindekuh.“

Sie lacht, „Da habe ich auch nichts dagegen.“ Barbara nimmt eines ihrer Tücher, legt es sorgfältig zusammen. Geschickt legt sie das Tuch über meine Augen, wickelt es noch zweimal darum und meint, „Fertig!“

„Soll ich nun das Entchen suchen oder führen sie mich hin?“

„Suchen Sie ruhig. Ich werde ein Foto mit dem Handy als Erinnerung schießen!“

So bekommt die komische Situation eine lustige Variante. Tatsächlich lässt sie mich nach dem Auto suchen. Als ich aber zu sehr vom Weg abkomme, nimmt sie meine Hand und führt mich zum Wagen. Ihre Hand fühlt sich gut an. Ein fester Griff, aber ich spüre deutlich, dass sie mich mag.

So sitze ich nun mit verbundenen Augen neben ihr im Auto. „Ich hoffe es wird Ihnen nicht schlecht“, meint sie noch mit einem spöttischen Unterton.

„Nein, ich bin selbst verwundert, wie aufregend dieses Spiel ist. Es macht sogar richtig Spaß.“

„Sie können ja raten, wo wir gerade lang fahren.“

Sie setzt die Fahrt fort und will ein wenig über mich und meine Arbeit erfahren. So beginne ich im Telegram-Stil eine Kurzfassung abzugeben.

„Soll ich langsamer fahren oder geht es so?“

„Wie lange wird es denn dauern?“

„So etwa eine Stunde, je nach Verkehr. Es gefällt mir übrigens, wie brav sie mit verbunden Augen hier sitzen. Das Tuch steht ihnen.“

„Erzählen Sie mal ein wenig von sich“, fordere ich Barbara auf. Sie will bei Adam und Eva anfangen, so unterbreche ich sie und bitte um eine verkürzte Schilderung.

„Studentin der Germanistik, sechsunddreißig Jahre, also noch unter Honecker aufgewachsen. Mein Onkel hat mir das Gebäude vermacht. Zuerst habe ich mit dem Gedanken gespielt es zu verkaufen. Lange Zeit war gar nicht klar, ob wir überhaupt einen Anspruch auf das Anwesen haben. Ein entfernter Onkel ist der eigentliche Eigentümer. Er hat aber keine Erben. So fragte er meinen Vater, ob er Interesse hat. Eines Tages stand der Postbote mit einer Urkunde vor der Türe. Wir hatten keine Ahnung was uns erwarten sollte. Mein Vater kannte das Anwesen aus Kriegszeiten, aber er hatte keine Ahnung, in welchen Zustand es sich tatsächlich befindet.“

Wir reden noch über dieses und jenes und stehen plötzlich vor dem Tor.

„Sie nehmen das Tuch erst ab, wenn ich es sage!“, erklärt Barbara.

Unter schrecklichen Geräuschen schiebt sich ein Tor zu Seite. Wir fahren hinein in den Hof, das Tor schließt sich. „Sie dürfen das Tuch jetzt abnehmen!“

Ein Gebäude im Backstein-Stil und von gewaltigen Ausmaßen liegt vor mir.

Eine riesige Mauer scheint das Anwesen zu umgeben. „Weiß man, was es früher war?“, frage ich vorsichtig.

„Nein, keine Ahnung. Vielleicht eine Art Gefängnis?“ Wir wollen einmal um das Anwesen laufen, aber überall befindet sich eine etwa sieben Meter hohe Mauer.

„Wir sollten die Besichtigung auf später verschieben“, schlage ich vor.

Barbara ist ebenfalls der Meinung, dass es an der Zeit ist, eine Kaffeepause einzulegen. Danach können wir immer noch losziehen, meint sie.

Wir begeben uns in den eigentlichen Innenhof. Man muss den Weg durch ein riesiges Portal nehmen. Eine kleine Türe befindet sich in den zwei großen Flügeln, welche früher für die Kutschen geöffnet wurden. Es braucht dringend ein wenig Öl, wie so vieles in diesem Haus eine pflegende Hand benötigt. Es gibt keine Türe die nicht ohne Knarren geöffnet werden kann.

Der Innenhof präsentiert sich fantastisch, er ist mit kleinem Blaubasalt belegt und in hervorragendem Zustand. Einige Pflanzenkübel sind bereits aufgestellt. Ein großer Brunnen befindet sich in der rechten Ecke. Mein Blick schweift über das Gebäude, ich kann es kaum einordnen. Es scheint so etwa dreihundert Jahre alt zu sein, so vermute ich. Barbara ist inzwischen zu einer der vielen Türen gegangen, welche wohl der eigentliche Hauseingang ist. Sie winkt und will mir nun das Innenleben des Gebäudes zeigen.

„Wenn Ihnen mein Tuch zu warm wird, dürfen Sie es gerne ablegen.“

„Ich habe mich inzwischen schon daran gewöhnt. Es ist so angenehm weich und warm.“

„Na dann behalten sie es doch einfach um.“

Der Eingangsbereich führt uns zu einem riesigen Saal, er ist mindestens hundert Quadratmeter groß. Von diesem Saal gehen mehrere Türen in verschiedene Richtungen. „Wissen sie schon welche Türe wohin führt?“

„Ja sicher, ich habe alle Gänge untersucht, aber viele Räume sind ohne Einrichtung, manche wiederum wirken wie Büros.“

Wir entschließen uns, die Richtung nach rechts einzuschlagen. Es folgten drei leere Räume, jeder so etwa fünfundzwanzig Quadratmeter groß. Der Zustand ist nicht so schlecht wie ich vermutet habe, ein wenig Farbe und schon könnte man sich vorstellen, darin zu wohnen. Der vierte Raum war ein Badezimmer, ebenfalls mindestens fünfundzwanzig Quadratmeter, aber die Waschbecken sind entfernt worden, genauso wie die Badewannen, nur die Anschlussstutzen sind noch vorhanden.

„Vielleicht gab es gar keine Waschbecken, vielleicht wurde hier nur geduscht. Könnte tatsächlich sein, wir finden einen Bodenablauf und einige Wasserhähne. Sehr seltsam.“ Ein unangenehmes Gefühl kriecht in mir hoch, es läuft mir kalt über den Rücken. So gehen wir einen Raum nach dem anderen durch. Alle geben uns Rätsel auf. „Unterlagen haben Sie wohl keine?“, frage ich Barbara.

„Nein, ich hatte damals das Gefühl, dass die vorigen Bewohner sehr schnell verschwunden sind. Aber es waren weder Papiere noch Unterlagen aufzufinden. Nur über eine sehr große Antenne habe ich mich gewundert, es gab auch einen Parabolspiegel. Vom Dachboden aus gingen einige Leitungen in den Hof hinunter. Diese ließ ich entfernen. Auch ein Strom Generator gibt es hinter dem Haus.

Ob er noch funktioniert, weiß ich allerdings nicht. Wir sind aber inzwischen an das offizielle Stromnetz angeschlossen. Wasser bekommen wir über einen eigenen Brunnen. Also die Räume werden wir wohl an einem Tag nicht alle besichtigen können. Es wird wohl einige Tage brauchen.“

Barbara macht den Vorschlag, erstmal an eine Brotzeit zu denken. Meine Hoffnung, nun die Umgebung kennen zu lernen, zerschlägt sich. Barbara meint, „Ich war schon vor einigen Tagen da und habe den Kühlschrank gefüllt, müssen Sie wissen.“

Wir begeben uns in eine riesige Küche, „Das ist ja eine richtige Kantinen-Küche.“ „Vielleicht war hier früher mal ein Zentrum, wo die Leute mehrere Tage nicht raus konnten.“ Kaum hatte ich diesen Satz ausgesprochen, kommt mir ein schrecklicher Gedanke.

„Wie sieht es mit einem Keller aus?“

„Ja, den haben wir hier auch. Nicht sehr angenehm, den werden wir am Schluss ansehen. Vielleicht besser erst morgen oder übermorgen.“

„Wieso, Sie machen mich neugierig?“

„Jetzt brauchen wir erstmal eine gute Brotzeit.“

Ich greife zu einer Tischdecke und beginne mit dem Tischdecken. „Sie sind aber gut erzogen“, meint Barbara und lächelt.

„Wieso, soll denn der Mann nicht mal den Tisch decken?“

„Gibt es auch ein kühles Bier?“

„Ja klar, ich lasse doch einen Bayer nicht ohne Bier.“

In wenigen Minuten zaubert Barbara einen gedeckten Tisch, sie hat wirklich an alles gedacht. Ich erkläre ihr nun, wie ich vorzugehen gedenke.

„Einmal muss ich abklären, welche Pläne sie überhaupt von dem Objekt haben. Wie viel Kapital wollen sie investieren?“

„Das sind aber viele Fragen auf einmal. Eigentlich wollte ich von ihnen Vorschläge bekommen, ihre Erfahrung nutzen.“

„Okay, das ist auch gut, so werden wir uns hinsetzen und einige Planspiele durchgehen.“

Barbara & Betti

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