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Arjuns Schriftenglisch war hervorragend. Nachdem auf Pauls erste Mail einige Tage bis zur Antwort vergangen waren und er schon erwogen hatte, sich an eine andere Trekkingagentur zu wenden, lernte er seinen künftigen Bergführer im folgenden Mailverkehr als gebildeten und weltoffenen 35-Jährigen kennen. Arjun ebnete ihm von den Einreiseformalitäten bis zur Reservierung des Hotels in Kathmandu und der Planung der Trekkingtour alle weiteren Hürden.

Als nächstbeste Reisezeit stellten sich dabei die Monate von März bis Juni heraus. Paul konnte somit sein Versprechen Carl gegenüber halten, die Praxis möglicherweise schon im kommenden Sommer zu übernehmen. Zudem hielt er diesen Zeitraum auch für gerade noch leistbar, stand ihm doch noch ein Gespräch mit seinem Bankbetreuer bevor, in dem er um eine vorübergehende Aussetzung der Rate für seinen Wohnungskredit ersuchen musste.

Drei Monate schienen ihm überdies eine ausreichend lange Zeit, um die Tempelschule zu finden und sich den Lehren zu stellen, die sie versprach, bereitzuhalten.

Auf die Frage danach reagierte Arjun in einem seiner Mails jedoch ausweichend, beinahe sogar gekränkt. Man hätte hin und wieder von solch einem Tempel gehört, doch weder er selbst noch seine Kollegen konnten mit Sicherheit sagen, wo und ob er überhaupt existierte. Zudem hätten Berichte, die vereinzelt von Touristen darüber verbreitet wurden, die Schule als spirituell atheistisch und somit für einen tiefgläubigen Hindu als indiskutabel ausgewiesen. Er versprach jedoch trotz seiner Vorbehalte, Erkundigungen einzuholen, um vielleicht doch eine vage Route bestimmen zu können, die Paul seinem Ziel zumindest näher brächte.

Nachdem Paul seinen Flug gebucht hatte, beendeten die beiden vorübergehend ihren E-Mail-Verkehr mit der Vereinbarung, in den Tagen vor ihrem Zusammentreffen in Kathmandu noch die letzten Daten auszutauschen und den Treffpunkt am Airport zu fixieren. Paul war erleichtert, dass so viele ungeklärte Fragen zu den Details seiner Reise ganz unkompliziert beantwortet worden waren.

Bei einem Treffen mit seiner Verlegerin im Café Jansen während der Weihnachtsfeiertage löste sich schließlich zu Pauls Überraschung sogar noch die Sorge über die Finanzierung der Reisemonate.

„Auch wenn ich es“, begann Jasmin Reuter, „besonders jetzt, da Ihre Verkaufszahlen wirklich beeindruckend sind, gar nicht gern sehe, dass wir die geplanten Lesungen und Signierstunden für, wie lange?!“, unterbrach sie sich abrupt.

„Höchstens drei Monate“, antwortete Paul zuversichtlich.

„Also für mindestens vier Monate aussetzen müssen“, fuhr sie erfahren fort, „freut es mich natürlich zu hören, dass sich ein so erfolgreicher Jungautor wie Sie auf Recherche für ein neues Buch begibt.“

Paul hatte diese Begründung für seine bevorstehende unerwartete Absenz vorgeschoben, in der Annahme, dadurch, ohne allzu große Einwände, eine Zustimmung von seiner engagierten Verlegerin zu erlangen. Den Beigeschmack der Notlüge konnte er vor sich selbst mit der Aussicht auf einen möglicherweise tatsächlich interessanten neuen Stoff durchaus rechtfertigen.

Reuters Augen funkelten ihn erwartungsvoll an und einmal mehr bewunderte Paul ihren Geschäftssinn, den sie mit Charme und liebenswerter Natürlichkeit so zielstrebig an den Tag legte. „Sie können bei der kommenden ersten Tantiemenabrechnung im Januar mit einer Summe rechnen, die Sie überraschen wird“, fuhr sie stolz mit einem Blick über ihren Brillenrand fort, „und ich wäre möglicherweise nicht abgeneigt, sogar einen Vorschuss auf Ihr neues Werk in Betracht zu ziehen.“ Paul war erstaunt über dieses großzügige Angebot, empfand jedoch im ersten Moment einen gewissen inneren Widerstand.

Er dachte an Lenas Bruder, der berichtet hatte, dass niemand, der den Tempel je gefunden hatte, den Weg dorthin hätte preisgeben dürfen. Und diese Geheimhaltung müsste sich wohl auch auf die Inhalte der Lehren beziehen, anderenfalls hätte man doch bereits etwas darüber gelesen.

„Ihr Angebot ist sehr verlockend, doch muss ich es leider ausschlagen“, formulierte er höflich. „Ich weiß nicht, was mir in Nepal begegnen wird. Ich hoffe etwas“, er suchte die richtigen Worte, „etwas Wesentliches zu erleben. Doch gerade das Wesentliche geschieht immer, bevor etwas geäußert wird oder währenddessen auf einer ganz anderen Ebene. Und danach, wenn es mal geschehen ist, können Worte oft nur den flüchtigen Eindruck der Erinnerung wiedergeben“, formulierte er den oft gehegten Zweifel an seiner schriftstellerischen Fähigkeit. „Ich kann also nicht versprechen, ob ich nach meiner Rückkehr in der Lage sein werde, etwas Sinnvolles darüber zu schreiben. Und ehrlich gesagt glaube ich vor allem, es würde mir einfach zu viel Druck machen.“

„Klingt mir ein wenig nach Ausflucht“, erwiderte Reuter entspannt, „doch wie auch immer, versprechen Sie mir, es wenigstens zu versuchen.“ Sie legte ihre Hand auf seinen Arm, beugte sich vor und sagte eindringlich: „Sie müssen weiterschreiben, Paul. Alles andere wäre eine Schande bei so viel Talent.“

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