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»He, du, Kleine. Ist alles in Ordnung? Brauchst du Hilfe?«

Ich stehe an der Straßenecke, unter dem offenen Mantel zittert mein ganzer Körper. Seit Stunden bin ich der Kälte und der Finsternis ausgeliefert. Es ist kurz vor drei Uhr nachts. Um drei Uhr nachts kommen die Dämonen raus. Wäre ich doch in diesem Hotel geblieben. Jetzt habe ich keine Wahl mehr. Ich brauche ein Dach über dem Kopf.

»Hast du eine Wohnung?«, frage ich.

Der Mann im Auto runzelt die Stirn. »Was soll die Frage?«

»Wenn du mich mit zu dir nimmst, darfst du alles mit mir machen, was du willst.«

»Was?«

»Du hast mich schon verstanden.«

Er mustert mich schweigsam, entriegelt die Tür und winkt mich zu sich ins Wageninnere. »Steig ein, ich fahr dich aufs nächste Polizeirevier.«

Ich weiche zurück. »Nein! Keine Polizei! Ich hab nichts getan!«

»Dann eben ins Krankenhaus. Hier draußen erfrierst du doch.«

»Auch nicht ins Krankenhaus! Bitte! Ich brauche bloß einen Schlafplatz, mehr nicht. Nur für ein paar Stunden, dann bist du mich los.«

»Es gibt dafür Anlaufstellen, ich kann dich auch dorthin bringen, wenn du willst.«

»Nein, du verstehst nicht. Ich kann dort nicht hin. Ich muss … ich muss über Nacht nur irgendwo unterkommen, das ist alles. Gleich morgen früh bin ich wieder weg, ich schwöre es! Bitte!«

»Kleine, nimm’s mir nicht übel, aber ich lasse dich sicher nicht einfach so zu mir in die Wohnung.«

»Bitte!«, wiederhole ich. Er muss mich für verrückt halten, aber er hat ein gutes Herz. Man sieht es in seinen Augen, die mich auf die gleiche mitleidige Art anschauen wie Jiris. Er ist kein Teufel, kein gehörntes Monster, das nach meinem Blut trachtet. In einer Stadt, wo hinter jeder Ecke die Verdorbenheit lauert, ist es immer noch die sicherste Alternative, zu diesem Fremden in den Wagen zu steigen.

»Nur für diese eine Nacht«, sage ich. »Bitte nimm mich mit. Ich brauche sonst nichts, ich will nur mitkommen, okay?«

»Du hast doch nichts ausgefressen, oder?«

Ich schüttle den Kopf, er überlegt. Schließlich nickt er, und ich steige ein.

»Gehört der Rucksack da dir?«, fragt er, während er Gas gibt.

»Ja.«

»Wirklich? Nicht geklaut?«

»Bist du Polizist, oder was?«

Er antwortet nicht mehr. Über die gelbe Ampel rast er drüber. Ich lehne den Kopf an die Scheibe und schließe die Augen. Ich bin so müde. Die Musik aus den Boxen höre ich kaum. Wir fahren um die Kurve. Dann wird er langsamer. Eine Garageneinfahrt. Der Motor geht aus. Die Musik verstummt, und er beugt sich zu mir herüber. Wortlos löst er meinen Gurt.

»Wohnst du allein?«, frage ich.

»Klar, sonst würdest du jetzt immer noch an der Straßenecke stehen. Komm jetzt, wir müssen in den vierten Stock.«

Er steigt aus. Ganz plötzlich ist die Angst wieder da. Kann ich ihm tatsächlich vertrauen? Sie sind überall. Sie haben Späher, mischen sich unter die Leute. Er könnte doch zu ihnen gehören, auch wenn er nicht so aussieht.

Er wartet, sein Gesicht verfinstert sich.

»Du kannst meinetwegen auch im Auto pennen«, sagt er und steckt die Wagenschlüssel ein. »Wenn du doch nicht mitkommen willst.«

»Nein, nein. Schon gut. Ich komme mit nach oben.« Ich steige aus dem Wagen und folge ihm.

Ich bin der Sturm

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