Читать книгу Auf Liebe und Tod - Molly Katz - Страница 6

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Sie hatte Blut am Schuh. Caron sah es, war aber zu erschöpft, um die Füße noch einmal von der Armlehne des Sofas zu heben und den Schuh abzuwischen.

George Bush und Saddam Hussein trieben ihre beiden Länder in den Krieg, aber die eisbedeckten Bürgersteige von New York forderten ebenfalls ihre Opfer. Schon bald würde ihr Piepser wieder losgehen, und sie würde vom Aufenthaltsraum der Ärzte in die Notaufnahme eilen und sich das Gesicht von jemandem, der gestürzt war, ansehen müssen. Bis dahin würde sie diese kostbare Pause nutzen, um ihre Cola zu trinken und ihre schmerzenden Füße auszuruhen.

Sie hatte die kühle Dose gerade an die Lippen gesetzt, als der Piepser ertönte. Seufzend setzte sie sich auf, und das Gerät schrillte zum zweiten Mal. Auf dem winzigen Schirm stand SDAIN, der Notaufnahme-Code für dringende Fälle: Schaff Deinen Arsch In die Notaufnahme.

Nur eine gebrochene Nase, ein niedlicher zehnjähriger Junge, aber Caron erfuhr bald, wieso es so eilig gewesen war: Der Vater des Kindes war Harry Kravitz, und Harry höchstpersönlich hatte seinen Sohn eingeliefert.

»Man hat mir gesagt, daß jeder Chirurg damit fertig werden könnte, aber ich wollte einen Spezialisten für plastische Chirurgie. Ich wollte einfach auf Nummer Sicher gehen«, sagte der Mann, während Caron behutsam das Nasenbein des Jungen abtastete. »Dr. Alvarez, Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich mich nach Ihren Qualifikationen erkundige? Und wie lange Sie schon hier im New York Hospital sind?« Die Frage wurde durchaus respektvoll vorgebracht – diese Berühmtheit entschuldigte sich auch noch dafür, daß sie Fragen stellte, die Caron sich jeden Tag von ihren Patienten anhören mußte. Letzteres war offensichtlich die Folge ihres südländischen Aussehens; alle wollten sichergehen, daß sie ihre Diplome nicht in einem Zelt unter einer Palme erworben hatte.

Als sie antwortete, war sich Caron deutlich des angespannten Schweigens bewußt, das sie umgab. Die anderen in der Notaufnahme arbeiteten zwar weiter, horchten aber neugierig und warfen ihnen Seitenblicke zu. Harry Kravitz’ phantastisches Aussehen war auf der Leinwand und auf dem Bildschirm schon überdeutlich, aber wenn er direkt neben einem stand, war er absolut umwerfend.

»Smith College, Abschluß 1980. Medizinstudium in Harvard. Assistentenstellen im Mass General und Johns Hopkins. Ich bin jetzt seit zwei Jahren hier, fest angestellt als Chirurgin.«

»Beeindruckend. Woher kommen Sie ursprünglich?«

»Kuba.«

Der Junge zuckte unter Carons Fingern zusammen, und Harry griff nach seiner Hand und küßte sie. »Du machst das prima, Josh. Finden Sie nicht auch?«

»Er ist sehr tapfer. Viele Erwachsene wären empfindlicher. Wo bist du denn hingefallen, Josh?«

»Auf der East End Avenue. Vor unserem Haus.«

»Du hattest Glück, daß dein Dad dabei war.«

Mit der freien Hand strich sich Harry das berühmte goldblonde Haar zurück. »Ich hab mir ein Taxi geschnappt und ihn sofort hergebracht. Hab nicht mal den eigenen Wagen benutzt. Und? Was meinen Sie?«

Caron sah seine ängstliche Miene, die braunen Augen mit den dunklen Wimpern, die glatte Haut. Sie wußte, daß Harry etwa Mitte vierzig war – die Zeitschriften traten jede Einzelheit aus dem Leben des ehemaligen Stars der Comedy-Serie Scott breit, der jetzt als Nachfolger von Johnny Carson gehandelt wurde –, aber er wirkte jünger. Der muskulöse Brustkorb und die Schultern unter dem Baumwollpullover hätten einem Teenager gehören können.

»Ich glaube, das hier muß einfach ein bißchen ruhiggestellt werden, und dann ist alles in Ordnung.«

Kravitz lächelte erleichtert. »Wirklich?«

Sie erwiderte das Lächeln. »Ja, sicher.«

Wieder küßte er die Finger seines Sohnes. »Hörst du das?« Dann, zu Caron gewandt: »Aber Sie werden es doch selbst machen, oder?«

»Wenn Sie möchten.«

»Unbedingt. Das willst du doch auch, Josh, oder?« Er winkte mit der Hand seines Sohnes.

»Ja«, sagte Josh.

Auf Liebe und Tod

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