Читать книгу Lebensgeschichten - heiter bis wolkig - Monika Anders - Страница 10
Obdachloser im Krankenhaus
ОглавлениеWie schon so oft in dieser damaligen Zeit, lag ich mit einer Lungenentzündung im Krankenhaus, und zwar schon wieder einmal kurz vor Weihnachten. Meine Mutter hat diese Zeit immer gefürchtet, weil oftmals gerade dann die Krankheiten in unserer Familie um sich griffen.
Ich war erwachsen, hatte schon einen Sohn, was die Möglichkeiten der „Katastrophen“ noch erhöhte. Mama wohnte in unserem Haus in ihrer eigenen Wohnung, war aber immer in die Familie eingebunden.
Ich lag also im Krankenhaus und als ich öfter einen Mann in einem Bademantel, der ihm viel zu klein war, über den Gang „schleichen“ sah, fragte ich die Krankenschwester nach ihm. Sie erzählte mir, dass ihn jemand auf der Straße liegend entdeckt und ihm einen Krankenwagen gerufen hätte. Er sei obdachlos und sie hätten ihn zunächst einmal in die Badewanne gesteckt und ordentlich geschrubbt und ihm dann später einen Bademantel, den jemand in der Klinik vergessen hatte, gegeben. Er sei völlig ausgehungert gewesen und sie hätten ihm erst einmal etwas zu essen und zu trinken gegeben. Er sei wohl aus Schwäche zusammengebrochen gewesen.
Wieder allein in meinem Bett gingen meine Gedanken zu diesem Mann, der allein ist und in der eisigen Kälte nicht einmal genug zu essen hat. Ich rief meine Mutter an und erzählte ihr von ihm. Wir waren beide sehr ergriffen von diesem Schicksal und wir beschlossen, ihm eine Freude zu Weihnachten zu machen.
Wir verabredeten, ihm etwas Geld zu schenken, aber wir wollten nicht, dass er sich damit womöglich schlecht fühlen würde und so überlegten wir, es ihm einem Couvert überreichen zu lassen von den Schwestern mit der Auflage, ihm nicht zu sagen, von wem es käme.
Wir schrieben auf das Couverts einen lieben Weihnachtsgruß und übergaben das Couvert mit 200 DM der Schwester.
Sie erzählte uns später, dass diesem Mann die Tränen über sein Gesicht gelaufen wären, als er unser Couverts öffnete. Diesem armen Menschen eine Freude bereitet zu haben, war für uns beide das größte Weihnachtsgeschenk.