Читать книгу Müllers Morde - Monika Geier - Страница 41
Halb acht
ОглавлениеDas hier war ein Himmelfahrtskommando. Das hätte er nie machen dürfen. Dieser Schurwolleriese, der hinter ihm herschlich, sah aus, als würde er es genau nehmen, als würde er in einem halben Jahr noch mal auf das zurückkommen, was ihn heute gestört hatte. Solche Leute hatte Müller gefressen, und jetzt, da er improvisieren musste, war so einer im Nacken ganz besonders unangenehm. Vor allem, da dieser blöde Steenbergen keinen Fernseher hatte. Keinen Fernseher hatte, das musste man sich mal vorstellen! Das bedeutete, dass er einen BNC-Adapter für den Schraubanschluss im Verteilerkasten brauchte. Müller hatte so einen, aber vielleicht nicht dabei. Und wenn nicht unten im Keller der übliche Breitbandverteiler geprangt hätte, dann wäre er jetzt gegangen, denn das Risiko, Kabel Deutschland zu spielen, wo kein Kabel Deutschland war, das war unter den Augen dieses grüblerischen Aufpassers einfach zu groß. Doch dieses Haus hing am Kabelnetz, Fernseher hin oder her. Und er war drin. Der Rest würde ihm auch noch gelingen.
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Das Laptop. Merkwürdige Formulierung, als wüsste der junge Mann genau, dass Steenbergen eines besessen hatte. Nachdenklich stieg Richard hinter ihm die Treppe hoch zu Steenbergens Büro. Doch natürlich befanden sie sich in einem Yuppie-Haushalt, und Yuppie-Haushalte starrten vor elektronischem Gerät, dieser hier machte keine Ausnahme, trotz der schönen weiten Räume. Der fehlende Fernseher war da wohl mehr eine Koketterie, das gab Steenbergen die nötige Facette privaten Verzichts. Und wie absolut vorteilhaft in seiner Position, zwanglose Unkenntnis zu praktizieren: Nein, ich konnte die Reportage über die galoppierende Erderwärmung gestern nicht sehen. Ich besitze keinen Fernseher. Wissen Sie, was die für eine Energiebilanz haben …? Für den jungen Handwerker wiederum war ein Laptop vermutlich so selbstverständlich wie eine Zahnbürste. Und bestimmt hatte er recht: Steenbergen musste einen Zweitcomputer besessen haben. Allein für die Reisen.
Während Richard für den Kabelmann den fest installierten Bürocomputer wieder hochfuhr, ging er im Geiste all die Stellen durch, die er bereits durchstöbert hatte. Bis in die hintersten Winkel war er vermutlich doch nicht gekommen. Oder war das Laptop im Betrieb? Hatte ein Angehöriger es mitgenommen? Lag es bei der Polizei?
»So«, sagte der junge Mann in diese Gedankengänge hinein. »Okay, prima.« Er starrte den Bildschirm an. »Kann gut sein, dass die Störung aus dieser Ecke hier kommt«, sprach er dann im Plauderton, während er in seiner Werkzeugtasche kramte. »Das wäre die Erklärung: Wenn der Bewohner keinen Fernseher hatte, dann hat er es vielleicht gar nicht gemerkt. – Okay.« Er bückte sich, um die Hardware zu untersuchen, und murmelte etwas von Empfängern und TV-Karten.
Richard betrachtete mit gefurchter Stirn den schmalen Rücken des jungen Mannes.
»Okay. Okay«, sagte der halblaut zu sich selbst. Dann richtete er sich wieder auf. »Ich muss noch mal in den Keller.« An der Tür wandte er sich um. »Würden Sie eben mitkommen, bitte? Ich brauche vielleicht jemanden, der mir hilft.«
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