Читать книгу Die Körpersprache der Lügner - Monika Matschnig - Страница 13
Die Notlüge
ОглавлениеPassend lügen zu können ist ein Indikator für soziale Intelligenz. Menschen mit dieser Fähigkeit setzen dann eine Lüge ein, wenn der subjektive Wert eines Ziels hoch ist und sie die Erfolgsaussichten zu ihren Gunsten abschätzen können. Also, umso höher der Wert und die Erfolgsaussichten, desto eher wird gelogen.
Der amerikanische Schriftsteller Mark Twain sagte so treffend: »Ein Jedermann lügt – an jedem Tag, zu jeder Stunde, wach und im Schlaf, in seinen Träumen, in Freude und in Trauer; und wenn er seine Zunge stillhält, werden seine Hände und Zehen, seine Augen und seine Haltung eine Täuschung vermitteln.« Die meisten Lügen sind Notlügen, harmlose Lügen. Sie beginnen schon bei der kleinen Frage: »Wie geht’s?« Die Antwort lautet meistens: »Gut, danke, und selbst?« Oder: »Ich brauche nur 150 Euro. Du bekommst sie auch Anfang des Monats zurück.« (Obwohl man weiß, dass das Bankkonto noch immer rote Zahlen schreibt.) Und wer hat nicht schon einmal Freude über ein Geschenk vorgetäuscht, das er unbrauchbar fand? Bei solchen Lügen kommen wir schnell mal auf 200 Stück pro Tag. Finden Notlügen aus Höflichkeit, Respekt, Liebe, zum Schutz oder aus Mitgefühl statt, dann sind sie tolerabel.
Denn ohne Notlügen würde unser soziales Gefüge nicht funktionieren. Würden alle Menschen immer die Wahrheit sagen, bräche dieses Gefüge zusammen. Es ist unvorstellbar, dem Partner, Freunden, Kollegen und Fremden immer die Wahrheit zu sagen. Es wäre verletzend und würde das Zusammenleben unerträglich machen. Solange wir Notlügen nicht einsetzen, um anderen Schaden zuzufügen oder einen Vorteil aus ihnen zu ziehen, sind sie also durchaus erlaubt.