Читать книгу Partnerschaft und Sexualität - Monika Röder - Страница 15
1.3 Gleichgeschlechtliche Paare und Transgender
ОглавлениеIn der Paartherapie und -beratung haben wir es zunehmend mit gleichgeschlechtlichen Paaren sowie Menschen zu tun, die sich nicht binär geschlechtlich verorten können oder wollen. Es macht also Sinn, sowohl bei der sexuellen Orientierung (lesbisch, schwul, bi, hetero …) als auch bei der Geschlechtsidentität (weiblich, männlich, divers) von fließenden Übergängen auf einem Kontinuum, anstatt von polarisierenden Hauptkategorien auszugehen.
Betroffene achten hier sensibel auf die Einstellung ihrer Therapeutinnen. Sie befürchten zurecht Moralisierungen und Pathologisierungen, die nichts mit ihrem Anliegen zu tun haben. Denn wir alle haben Vorstellungen davon, was bezogen auf unsere Geschlechterrolle und Partnerschaft als »normal« gilt. Paarberaterinnen sind also gut darin beraten, Genderfragen auch für sich selbst zu reflektieren.
Homosexualität: Ein homosexuelles Paar besteht in der Regel aus zwei heterosexuell sozialisierten Individuen in einer heterosexuell normierten Gesellschaft. Praktisch jeder Homosexuelle muss sich mit seiner eigenen internalisierten Homonegativität auseinandersetzen. Der Prozess der Findung einer (Geschlechts-)Identität ist bei ihnen – wie bei Transgendern – praktisch immer intensiver als der von Heterosexuellen. Nichts ist selbstverständlich. Die erste oder die große Liebe – so sie homosexuell ist – bedeutet oft Angst statt Anerkennung, Geheimhaltung statt Stolz und Außenseitertum statt Zugehörigkeit. Auch folgt die Rollenfindung innerhalb der Partnerschaft keinen traditionellen Regeln und muss selbst definiert werden.
Das spätere Beziehungssystem gleichgeschlechtlicher Paare gestaltet sich darum meist anders als das von heterosexuellen Paaren. Sie orientieren sich oft an einer Gay Community und neben der Herkunftsfamilie entstehen vielfältige Formen von Wahlfamilien (Symalla & Walther, 1997).
Mehrere Untersuchungen belegen die hohe, teilweise auch höhere, Zufriedenheit homosexueller Paare mit ihrer Partnerschaft gegenüber heterosexuellen Paaren (Göth & Kohn, 2014).
Die Anliegen, mit denen Schwule und Lesben in die Beratung kommen, unterscheiden sich auf den ersten Blick nicht sehr von den Themen heterosexueller Paare: Es geht um Identitätsfindung, um Ablösung von der Herkunftsfamilie, um Bindung, Stabilität und Sicherheit und darum, zueinander zu stehen. Bei genauerer Betrachtung finden diese Themen hier jedoch besondere Ausprägungen.
Etwa ein Drittel der schwulen Paare lebt in langfristigen nicht-monogamen Beziehungen, die dennoch durch Offenheit und Vertrauen gekennzeichnet sind. Andere Studien zeigen, dass gut die Hälfte der schwulen Paare monogam und die andere Hälfte in Varianten offener Beziehungen leben (Göth & Kohn, 2014). Auch bei lesbischen Frauen scheint es variable Beziehungsformen zu geben, wobei bei ihnen ein Trend zur seriellen Monogamie zu verzeichnen ist. In verschiedenen Quellen werden lesbische Frauen auch als Vorreiterinnen der Polyamorie-Bewegung bezeichnet (Göth & Kohn, 2014).
Die Sexualität gleichgeschlechtlicher Paare ist oft geprägt von fehlenden oder einseitigen Rollenvorbildern. Das beinhaltet einerseits die Chance zu offener Exploration und Entwicklung persönlicher Vorlieben, andererseits aber auch Risiken, beispielsweise der Gesundheit.
Zwei Themen sind dabei insbesondere in der Paartherapie relevant: So muss sich jeder schwule Mann mit dem Thema HIV und AIDS auseinandersetzen. HIV und AIDS werden damit zum »kollektiven Trauma« aller schwulen Männer (Dannecker, 1990). Der Serostatus, also der Befund des Auftretens bestimmter Antikörper im Immunsystem, wird oft zum Gradmesser für Rollen- und Machtunterschiede. Jede Person muss einen Umgang mit dem eigenen Serostatus und jedes Paar eine für beide passende Bewältigung damit finden (ebd.).
Zum anderen sind sexuelle Gewalterfahrungen ein wichtiges Thema, das insbesondere lesbische Partnerschaften betrifft. Denn dadurch, dass Frauen statistisch häufiger Opfer sexualisierter Gewalt werden, ist auch die Wahrscheinlichkeit höher, innerhalb der Partnerschaft mit sexueller Traumatisierung konfrontiert zu sein. Die Betroffenheit von sexueller Gewalt kann weitreichende Folgen für die Entwicklung der eigenen sexuellen Identität haben, da sie nicht nur durch männliche Geschlechtsorgane, sondern auch durch eigenes Erleben getriggert werden kann ( Kap. 2.1). Innerhalb der lesbischen Community und auch aufgrund weiblich sozialisierter Eigenschaften gibt es eine große Offenheit, Verständnis und Bemühungen, das Thema zu enttabuisieren. Eine besondere Herausforderung lesbischer Frauen ist allerdings die umgekehrte gesellschaftliche Zuschreibung, »nur« aufgrund unbewältigter Gewalterfahrungen oder Männerhass lesbisch geworden zu sein.
Transsexuelle oder Transgender sind Menschen, die sich in ihrem Gefühl der Geschlechtszugehörigkeit nicht binär als Frau oder Mann definieren können oder wollen oder dort falsch verortet fühlen. Sie fürchten oft die Stigmatisierung durch professionell Beratende – aber auch Unkenntnis, wodurch sie oft mit Homosexuellen verwechselt werden. Zur Unterscheidung: Lesben erleben sich in der Regel als Frauen, Schwule als Männer und beide fühlen sich aufgrund ihrer sexuellen Präferenzen zum gleichen Geschlecht hingezogen. Transsexuelle hingegen fühlen sich im falschen Körper, auch wenn sie aufgrund ihrer Geschlechtsorgane von klein auf ihrem biologischen Geschlecht zugeordnet wurden.
Das Leben »im falschen Körper« kann massive Spannungen innerhalb der eigenen Persönlichkeit erzeugen. Ist der erste Schritt des Comingout bewältigt und wird eine Angleichung des Körpers mit der gefühlten Geschlechtsidentität begonnen, kann es zu heftigen Problemen im sozialen Umfeld und insbesondere der Partnerschaft kommen. Je stimmiger der eigene Körper aufgrund medikamentöser oder chirurgischer Interventionen wird, umso unstimmiger kann dies der Partner, der ja keine homosexuelle Beziehung gesucht hat, erleben. Gesellschaftlich handelt es sich um ein aktuelles Thema; da es jedoch noch wenig Literatur, evidenzbasierte Forschung und auch in unseren Praxen nur vereinzelte Erfahrungen mit der Thematik gibt, werden wir hier nicht vertieft darauf eingehen.