Читать книгу Die Prinzessin der Lilien - M.P. Anderfeldt - Страница 5

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Obwohl es erst Februar war, brannte die Sonne schon heiß vom Himmel auf die gut 200 Mädchen, die in Reih und Glied im Schulhof angetreten waren. In den vorderen Reihen standen die älteren Schülerinnen, die stolz ihre strahlend weißen Matrosenuniformen trugen, weiter hinten die jüngeren mit ihren grauen und schwarzen Schuluniformen.

»Ihr wisst«, rief der Direktor mit kräftiger Stimme, »dass der Krieg in eine entscheidende Phase getreten ist. Während die kaiserlichen Truppen unseres geliebten Heimatlandes von Sieg zu Sieg eilen, hat der Feind eine besonders perfide Strategie ergriffen«, er hielt inne und fuhr dann fort: »Anstatt sich unseren Soldaten im Feld der Ehre zu stellen, greift er feige Zivilisten an, tötet Alte, Frauen und Kinder. Zerstört Wohnhäuser, Krankenhäuser und … Schulen.« Er machte er eine kurze Pause, um seinen Zuhörern Gelegenheit zu geben, die Ruinen der Schule hinter ihm zu betrachten. Jedes der Mädchen erinnerte sich noch an den schrecklichen Bombenangriff im Oktober, der neben weiten Teilen der Hauptstadt Naha auch ihre Schule verwüstet hatte. Seitdem fand der Unterricht in behelfsmäßig errichteten Baracken statt.

Soweit man überhaupt noch von Unterricht sprechen konnte, denn immer häufiger wurden die Mädchen in »kriegswichtigen Tätigkeiten« unterrichtet: Sie mussten auf Hausdächer klettern und Eimerketten bilden, um das Feuerlöschen zu üben, sie marschierten über den Schulhof und wieder und wieder wurde ihnen beigebracht, wie man mit dem Speer kämpft oder Handgranaten wirft.

»Aber wir werden den Teufeln zeigen, dass wir sie auch hier schlagen können. Sie werden bald erfahren, was es heißt, sich mit dem göttlichen Japan anzulegen!«

Er blickte in die Runde und fuhr fort: »Ich bin stolz, dass ihr euch bereit erklärt habt, als Hilfskrankenschwestern unsere tapferen Soldaten zu pflegen. Major Nishiyama möchte ein paar Worte an euch richten.«

Der Direktor trat zur Seite und ein Soldat trat ans Rednerpult. Miyako kannte sich mit Rangabzeichen nicht aus, aber sie sah, dass er ein Katana trug und sie wusste, dass nur Offiziere ein Schwert tragen durften. Das hatte ihr Vater ihr erzählt. Der Major war schon älter und mit seiner straffen, perfekt sitzenden Uniform und dem gepflegten, schmalen Schnurrbart glich er den Generälen, die Miyako aus der Zeitung und aus dem Kino kannte. Ein echter Herr, da war sie sich sicher. So ein Mann würde keine Zivilisten angreifen. Nach seinem Sieg würde er die gefangenen Feinde gewiss so großmütig behandeln, dass sie sich für ihre Untaten schämten und zerknirscht um Verzeihung bitten würden.

Sie dachte an Ihren eigenen Vater, der in Birma das japanische Mutterland verteidigte. Hoffentlich ging es ihm gut. Sie konnte sich noch gut erinnern, wie er das letzte Mal zu Besuch zu Hause war. Sie hatte ihn gefragt, wie lange der Krieg noch dauern würde und er hatte sie ganz komisch angesehen. Dann hatte er sie gebeten, auf ihrer Weltkarte die USA zu suchen und mit Japan zu vergleichen. Sie musste natürlich zugeben, dass Amerika viel größer war. Sie hatte sich geärgert und geantwortet, dass die japanischen Soldaten die besten der Welt seien und noch nie im Kampf besiegt worden waren. Ihr Vater hatte sie spöttisch gefragt, ob sie so etwas in der Schule lernten. Im Übrigen, fügte er hinzu, fürchte er weniger die amerikanischen Soldaten als vielmehr die amerikanische Industrie. Kein Land könne sich mit der Macht der amerikanischen Industrie messen. Außerdem fühlte er sich nicht als bester Soldat der Welt und sei froh, dass er einen Posten als Zahlmeister bekommen hätte. Ein wenig schämte sich Miyako für den Zynismus ihres Vaters. Zum Glück ahnte niemand, wie er zu Hause sprach.

Sie sah zu Kikuko, die in der ersten Reihe stand. Ihr Vater war ganz anders. Er war Kapitän auf einem Kriegsschiff und Miyako hatte ihn einmal in seiner weißen Uniform gesehen. Groß war er gewesen, braun gebrannt und er hatte sich mit einer unglaublich selbstsicheren Geschmeidigkeit bewegt. Miyako konnte sich gut vorstellen, wie er mitten in einem schweren Sturm unbewegt auf der Brücke seines Schiffs stand und mit ruhiger Stimme Befehle gab. Wie stolz Kikuko neben ihm spaziert war, als er zu Besuch auf Okinawa gewesen war. Sicher hatte sie die ehrfürchtigen Blicke genossen. Vielleicht, dachte Miyako resigniert, vielleicht hat Kikuko die Schneidigkeit auch geerbt – wie sie da stand, so völlig ruhig und kein einziger Schweißtropfen sich an ihrem Nacken bildete … Ihr Vater war eben nur ein Kaufmann …

Die Stimme des Offiziers holt Miyako zurück in die Gegenwart. »Mädchen von Okinawa! Euer Direktor hat mir berichtet, dass ihr euch freiwillig für diesen Dienst gemeldet habt. Der Feind kann uns nichts anhaben, solange wir fest zusammenstehen. Unsere Truppen haben die schöne Insel Okinawa zu einer uneinnehmbaren Festung ausgebaut. An diesen Felsen werden die Amerikaner zugrunde gehen. Lang lebe der Kaiser! Lang lebe Japan!«

Daraufhin trat er zurück und Soldaten im Hintergrund, die Miyako nicht sehen konnte, riefen: »Banzai! Banzai! Banzai!«

Die Mädchen stimmten mit ein, teils unsicher, teils begeistert. Beim dritten Banzai jubelte Miyako auch mit und warf ihre Arme nach oben. Jetzt bin ich schon fast ein richtiger Soldat, dachte sie lächelnd.

Die Prinzessin der Lilien

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