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Die Griechen an der Küste des ionischen Golfs
ОглавлениеAb dem 8. Jh. v. Chr., mit dem Beginn der griechischen Kolonisierung in Kampanien und auf Sizilien und spätestens mit der Gründung von Taras, dem heutigen Tarent, an der ionischen Küste Italiens, können wir deutlich griechische Einflüsse auf die italischen Kulturen beobachten. Daß Griechen und Einheimische nicht erst während der Kolonisation ab dem 8. Jh. v. Chr. in Kontakt kamen, zeigen Funde wie jene bronzezeitlichen Tongefäße und Scherben mit charakteristischem mykenischem Dekor in einigen Küstenorten entlang des ionischen Golfes und der adriatischen Küste.
Die Schiffahrt entlang der Südküste Italiens stellte innerhalb der Handelswege die wichtige Verbindung zwischen dem Osten, Griechenland und, über die Westküste Italiens, dem Norden sowie, über die Südküste Siziliens, dem Westen dar. Die griechischen Ansiedlungen verbreiten sich entlang des langgezogenen Stiefelristes. Die ersten Griechen vor Ort sind der Überlieferung nach die Achäer; sie gründen Ende des 8. Jh. v. Chr. die Kolonie Kaulonia nahe der Stiefelspitze, die zu dieser Zeit nur durch Rhegion/Reggio di Calabria an der Meerenge, die Sizilien von Italien trennt, griechisch besiedelt ist. Im Norden Kaulonias folgen Sybaris am Südwestende des ionischen Golfes und zwischen diesen wenig später Kroton. In diesem Zeitraum entsteht am tarentinischen Golf im Nordosten das spartanische Taras/Tarent. In der breiten Küstenebene zwischen Taras und Sybaris gründen Anfang des 7. Jh. v. Chr. die kleinasiatischen Kolophonier Siris. Im Zuge der weiteren Ausdehnung Taras’ wird in einem zweiten Schritt wenige Jahrzehnte später durch Siedler aus Sybaris und Kroton Metapont zwischen Siris und Taras ins Leben gerufen. Apulien wird besonders durch die wachsende Kolonie Taras beeinflußt. Spätestens im 6. Jh. v. Chr. beginnen Veränderungen im Hausbau; ein- bis dreiräumige Rechteckbauten, meist mit Bruchsteinsockel und Lehmziegelwänden, prägen nun das Siedlungsbild wie z.B. in Altamura, Monte Sannace und Cavallino. Im 5. Jh. v. Chr. verdichtet sich in den größeren Orten die Bebauungsstruktur, planmäßig angelegte Straßen organisieren den Siedlungsraum. Im 4. Jh. v. Chr. setzt an vielen Orten ein umfassender Stadtmauerbau ein. Überreste dieser charakteristischen Kalksteinquadermauern prägen die archäologischen Stätten vieler apulischer Siedlungsplätze.
Auch andere Veränderungen werden auf die sich zunehmend festigende italisch-griechische Nachbarschaft zurückgehen: Zum einen scheint es, daß einige Bestattungen jetzt in der Art der Waffenbeigaben, der Kombination lokaler und importierter Servier- und Trinkgefäße und erster Bronzegefäße eine „Oberschicht“ führender Familienverbände widerspiegeln, die aktiv Produktion und Handel lenken und fördern. Zum anderen zeigen sich verstärkt Mittelmeerimporte und Differenzierungen im Siedlungswesen. So treffen wir in Salapia auf nun unterschiedlich große und ausgestattete Hütten und in Cavallino und Vaste auf die Verwendung importierter Gefäße wie korinthischer Amphoren im Wohnbereich. Vorratsgruben und Silos wie in Cavallino, Gravina di Puglia und Porto Saturo bezeugen Vorratshaltung und Lebensmittelakkumulation. Die Menschen lebten in kleinen Siedlungen mit ovalen und apsidialen Hütten mit Lehmwänden auf einem Bruchsteinsockel von 30–60 m2 mit Herdstelle, Vorratsgrube und Werkplatz. In der 2. Hälfte des 8. Jh. v. Chr. deutet die ansteigende Siedlungsanzahl auf ein starkes Bevölkerungswachstum oder entsprechenden Zuzug. In bezug auf die Siedlungsstruktur, -größe und Haustypen scheint sich auch im Laufe des 7. Jh. v. Chr. nichts zu verändern. Erst im 6. Jh. v. Chr. entwickeln sich einige Siedlungen zu regionalen Zentren und werden entsprechend ausgebaut. Arpi und Cavallino erhalten eine Umwehrung: Arpi einen Wall mit aufgesetzter Mauer und Cavallino einen dreifachen Wall- und Mauerring. In Cavallino verbinden innerhalb der Umwehrung gerade Straßen größere Hausgruppen mit rechteckigen Mehrraumhäusern. Die Funde und Entwicklungen belegen den Austausch mit griechischen Händlern und Kolonisten, der auch auf wirtschaftlichen Interessen beruhen wird. Gefragte Produkte Apuliens werden Nutztiere wie Rinder, Pferde und Schafe und Schafswolle gewesen sein, außerdem Holz und landwirtschaftliche Erzeugnisse wie Getreide. Bei küstennahen Orten wird noch die Funktion als Hafen- und somit als Handels- und Verkehrsort hinzukommen. Ab dem 4. Jh. v. Chr. können wir an mehreren Orten Apuliens wie in Arpi oder Canosa einen noch deutlicheren Einfluß griechischer Haus- und Grabarchitekturformen beobachten. Dieser starke griechische Einfluß wird nicht nur auf intensivierte Kontakte zu den Griechen an der Küste des ionischen Golfes oder eine zunehmende Vermischung Einheimischer und Zugewanderter in den Städten zurückzuführen sein, sondern auch auf die politischen Ereignisse, die mit Alexander dem Molosser, König von Epiros, und später mit seinem Neffen Pyrrhos im 4. und 3. Jh. v. Chr. eine hohe Zahl Söldner ins Land brachten. 334 v. Chr. kam Alexander der Molosser nach Apulien, da ihn die Tarentiner gegen die Samniten zu Hilfe gerufen hatten, und anfangs führte er erfolgreiche Schlachten bei Sipontum, in Kalabrien und in der Basilicata, doch 331 v. Chr. wurde er nahe Pandosia vernichtend geschlagen und getötet. Das griechische Heeresgefolge und die Söldnern des Alexander und später seines Neffen Pyrrhos brachten neue Sitten und Bräuche mit. Seit hellenistischer Zeit können wir in der apulischen Sakralarchitektur eine Monumentalisierung beobachten, wie sie beispielsweise an dem Tempel unter S. Leucio bei Canosa zu beobachten ist. Mit dem 4. Jh. v. Chr. verbreiten sich mancherorts wie in Canosa, Arpi, Ginosa, Lavello, Mesagne und Tiati die Kammergräber. Die gebauten Varianten wie die Tomba della Medusa in Arpi mit Tonnengewölbe haben trotz lokaler Variation ihre Vorbilder in den makedonischen Kammergräbern Nordgriechenlands.