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Auftakt
ОглавлениеDie archäologischen Schätze Apuliens – eingebettet in eine abwechslungsreiche Landschaft, die allein schon einen Besuch wert ist – sind bisher nicht so bekannt wie die Roms oder Etruriens, obwohl man auch hier auf Schritt und Tritt sehenswerte Spuren der Vergangenheit antrifft. Diese Ecke Italiens, zwischen der adriatischen und der ionischen Küste, von den flachen Ebenen der Salento-Halbinsel bis in die kargen Berge der Murge und entlang der gewundenen Flußtäler des Ofanto und des Bradano, war bereits von neolithischer Zeit an und bis weit in die spätrömische Zeit ein beliebtes Siedlungsgebiet, und so finden sich hier allerorts archäologische Spuren verschiedenster Zeiten und Völker.
Die italienische Tourismusbehörde und die Soprintendenza, das italienische Landesdenkmalamt, haben in den letzten Jahren Beachtliches geleistet, um dem interessierten Laien wie dem kundigen Altertumsforscher etwas zu bieten. Große Museen wie die in Tarent und in Brindisi wurden vollständig restauriert und neu eingerichtet, andernorts entstanden archäologische Parks wie jene bei Gioia del Colle, Cavallino und Manduria und neue Museen oder Dauerausstellungen wie die in Manduria. Die apulischen Museen sind meist keine Neubauten am Rande der Stadt, wie sie auf Sizilien häufig vorkommen, sondern wurden oft in historischen Gemäuern wie im Normannenkastell von Gioia del Colle, in der Stauferburg von Manfredonia und in alten Palazzi wie in Brindisi, Ruvo di Puglia oder in Mesagne eingerichtet, die schon für sich einen Besuch lohnen.
Schon früh beginnt das Interesse europäischer Altertumsforscher und Kunstbegeisterter. Erste Funde und Spuren der Antike werden ab dem 17. und 18. Jh. aus Apulien vermeldet. Wie in anderen Gebieten auch, interessiert man sich zu Beginn vor allem für die antiken Vasen, Bronzegeräte, Schmuckstücke und Skulpturen, mit denen sich die privaten Sammlungen des späten 18. und 19. Jh. ausstatten ließen. Deshalb wurden auch in Apulien besonders die Gräberfelder mit ihrem reichen Grabinventar ge- und untersucht und ausgeräumt. Der Kunsthandel blühte; nur wenige Stücke wurden in staatliche Museen nach Neapel und ab 1887 und 1890 nach Tarent und Brindisi gebracht. Erste, weniger auf die Fundstücke, sondern auf die wissenschaftliche Untersuchung der Siedlungen und Gräberfelder ausgerichtete Grabungen begannen in den 1920er und 1930er Jahren, aber erst mit dem Bauboom und den damit in Zusammenhang stehenden Entdeckungen begannen systematische archäologische Forschungen in Apulien. Den Grabungen und Konservierungsmaßnahmen treten im 21. Jh. die Unterwasserarchäologie und die archäologischen Surveys zur Seite. Erstere widmet sich der Untersuchung der antiken Häfen und Schiffswracks vor der Küste und den versunkenen Ruinen antiker Städte, denn durch die fortschreitende Küstenerosion und den Anstieg des Meeresspiegels liegen einst oberirdische Siedlungsareale heute wie in Egnathia teils unter Wasser. Mit den ausgedehnten Surveys, den archäologischen Geländebegehungen, lassen sich größere zusammenhängende Gebietsabschnitte untersuchen.
Den ersten Funden und Grabungsnotizen treten die entsprechenden Reiseberichte zur Seite. Die europäischen Bildungsbürger sind auf ihren Fahrten in Italien nicht immer bei den Ruinen Roms und den griechischen Tempelbauten der Magna Graecia umgekehrt. Einige setzen ihre Reise in den Süden Italiens fort. Reiseberichte des 18. und 19. Jahrhunderts von Deutschen, Franzosen und Russen schildern neben den damals schwierigen Verhältnissen für ausländische Reisende auf der italienischen Halbinsel auch ihre Eindrücke von Land und Leuten. Antiken wurden jedoch nur am Rande erwähnt, da sie sich hier nicht wie in anderen Gegenden Italiens repräsentativ dicht an dicht reihen. Für das 18. Jahrhundert seien hier der Gelehrte Johann Heinrich Bartels aus Hamburg (J. F. Bartels, Briefe über Calabrien und Sicilien, 3 Bände, 1787–1792), der historisch interessierte Graf zu Stolberg (Friedrich Leopold Graf zu Stolberg, Reise in Deutschland, der Schweiz, Italien und Sicilien in den Jahren 1791 und 1792, 1794) und der Diplomat und Reiseschriftsteller Johann Hermann von Riedesel (Reise durch Sicilien und Großgriechenland, 1771) genannt; für das 19. Jahrhundert werden im folgenden Justus Tommasini, Geograph und Mathematiker aus Schwerin (Spatziergang durch Kalabrien und Apulien, 1828), und der preußische Historiker Ferdinand Gregorovius (Wanderjahre in Italien, Band 5: Apulische Landschaften, 1882) zitiert.
Apulien ist heute wesentlich leichter und schneller zu erreichen, als uns die geschilderten Mühen der ersten Reiseschriftsteller befürchten lassen. Mit der Erschließung der Flughäfen in Bari und Brindisi durch deutsche Luftfahrtlinien ist eine schnelle und problemlose Anreise möglich; lange Bahnfahrten oder Bus- und Pkw-Touren über die im Norden gebührenpflichtigen Autobahnen lassen sich vermeiden, so daß diese Region selbst für einen Kurzurlaub gut geeignet ist.
Mit dem archäologischen Führer zu Apulien möchten Autorin, Herausgeber und Verlag dieser Reihe den Besuch der entdeckenswerten Orte und Monumente dieser Region anregen und erleichtern und auch die schon bekannteren darunter neu ins Gedächtnis rufen sowie Veränderungen vor Ort vorstellen.
Auf Grund der Fülle an archäologischen Stätten vor Ort kann nicht jede in aller Ausführlichkeit vorgestellt werden. Besonders Sehenswertes und Interessantes steht im Vordergrund, doch natürlich gibt die Autorin auch den einen oder anderen Hinweis auf lohnende Abstecher. Innerhalb des Bandes gibt es, begleitend zum Text, kursiv gesetzte Zusatzinformationen. Dabei handelt es sich um Zitate aus antiken Quellen, Erläuterungen zu Fachbegriffen oder Exkurse zu wichtigen historischen Ereignissen.
Mein Dank gilt dem Verlag Philipp von Zabern und seinen Mitarbeitern, speziell Constanze Holler, die den Band betreut und mich in vielen Fragen beraten hat, und besonders den Herausgebern, die mir mit dem Auftrag für diesen Band eine weitere Vertiefung in die Geschichte dieser schönen und interessanten Region Italiens ermöglichten. Frank Daubner (Stuttgart) bin ich für viele Anregungen, die kritische Durchsicht des Manuskripts und seine Unterstützung in verschiedenster Weise sehr dankbar. Für hilfreiche Hinweise und Informationen danke ich Christian Winkle (Stuttgart), Andrea Salcuni (Frankfurt a. M.) und Richard Neudecker (Rom). Außerdem möchte ich den italienischen Antikenbehörden vor Ort, dem jeweiligen Museums- und Aufsichtspersonal für die Erlaubnis zu photographieren und die Abbildungen zu veröffentlichen, danken.
Frankfurt am Main, 10.02.2012
Nadin Burkhardt