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Apulien in römischer Zeit
ОглавлениеMit dem 3. Jh. v. Chr. beginnt die Zeit der römischen Einflußnahme: Nach den Auseinandersetzungen im Norden und Osten und den Samnitischen Kriegen wandte sich Rom den Italioten zu, den griechischen Bewohnern Süditaliens. 282 v. Chr. bedrohte es eine ihrer größten Städte – Taras/Tarent, das sich an Pyrrhos, den epirotischen König, um Hilfe wandte. Er kam über die Adria und errang gemeinsam mit seinen italiotischen Verbündeten schnell einige Siege gegen Rom, unter anderem bei Ausculum/Ascoli Satriano. Zwischenzeitlich stand er auch den Syrakusanern auf Sizilien gegen die Karthager zur Seite. Dann jedoch erlitt er bei seiner Rückkehr nach Italien 276/75 v. Chr. eine Niederlage bei Beneventum. Nach dieser und wegen fehlender Finanzierung und der gänzlichen Verhandlungsunwilligkeit Roms zog er wieder ab. Die zurückbleibenden Romgegner hatten nun kaum noch Chancen; zuerst wurden die Tarentiner und nur wenig später die Samniten, Lukaner und Bruttier unterworfen.
Als im späten 3. Jh. v. Chr. der Karthager Hannibal mit seinen Truppen die Alpen überquert, die Römer in mehreren Schlachten erfolgreich geschlagen hatte und daraufhin an Rom vorbeigezogen war, traf er in Apulien ein. Polybios (3,88, 2. Jh. v. Chr., Übersetzung H. Drexler) berichtet davon: „Nachdem er (Hannibal) das Gebiet der Praetutier und von Hadria sowie das der Marruciner und Frentaner durchzogen und verwüstet hatte, nahm er seinen Weg nach Iapygien. […] In den ersten dieser Teile (Iapygiens), nach Daunien, brach er ein und verwüstete, mit Luceria, einer römischen Kolonie, beginnend, das Land.“ Er verwickelte die Römer im folgenden zunehmend in einen glücklosen Stellungskrieg. Anfangs unterstützten ihn einige süditalische Städte, wie zuvor die lukanischen, denen er Eigenständigkeit und Freiheit versprach. Einige wie Arpi und Taras/Tarent wurden bald durch die Römer zurückerobert, und Hannibal zog seine Truppen in die Gegend um Brundisium/Brindisi zurück, während er sich zugleich bemühte, seine Stellung in Kampanien zu halten. Die sich hier wieder zeigende, erfolgreiche römische Bündnispolitik, die Möglichkeit, die römischen Truppen schnell und zahlreich aufzustocken sowie die Ablehnung jeglicher Verhandlungen durch den Senat in Rom gestalteten die Lage für Hannibal und seine Gefolgschaft zunehmend schwieriger. Nachdem er vor Ort politisch keinen weiteren Erfolg hatte, verließ er Italien. Unter der erneuten römischen Vorherrschaft in Apulien waren die ehemaligen Pro-Hannibal-Städte die Verlierer: Arpi wurde gegenüber seinem Hafen Sipontum herabgestuft, Herdonia/Ordona und Aecae/Troia verloren Teile ihres Gebietes, und Areale der Tarentiner wurden dem ager publicus zugeschlagen. Diese Landnahme für römische Bürger führte auch in Süditalien zu steigender Zuwanderung, zu der Gründung zahlreicher Gutshöfe, den villae rusticae, nebst intensiver Landbewirtschaftung und einem raschen Bevölkerungsanstieg. Ein schönes Beispiel aus dieser Zeit ist die große Villa bei Adelfia in der contrada Tesoro (Provinz Bari) mit Wirtschaftsräumen, einem Columbarium, einer großen Privattherme mit Schwimmbecken und Fußbodenheizung. Außerdem wurden im ersten Drittel des 2. Jh. v. Chr., in Apulien mehrere römische Kolonien wie Sipontum, Venusia und Brundisium/Brindisi gegründet. Später wurde neben der griechischen Gemeinschaft Tarents noch eine latinische Kolonie namens Neptunia angelegt. Es folgte jedoch keine derartige Gründungswelle wie in Kampanien, Lukanien und Bruttium. Die Landnahme bedeutet für die Bewohner und Betreiber lokaler Gehöfte und Weiler dennoch einen herben Einschnitt – sie wurden ihrer Lebensgrundlage beraubt. Die einsetzende Verarmung und die Vertiefung sozialer Gegensätze führten 185 v. Chr. zu Aufständen, die in der römischen Geschichtsschreibung wie in anderen ähnlichen Fällen traditionell als „Hirten- oder Sklavenaufstände“ verunglimpft wurden, bei denen in diesem Fall am Ende 7000 Gegner Roms verurteilt wurden und diejenigen, die sich nicht durch Flucht entziehen konnten, den Tod fanden (Livius 39, 29, 8–9). Nach diesen Ereignissen hört man nichts mehr vom Volk der Messapier.
Im Laufe des 2. Jh. v. Chr. wurden die Beziehungen zu Rom über Schlichtungsaktionen, über das Klientelwesen und die Kontakte zwischen den nobiles, den jeweiligen lokalen und römischen Oberschichten, enger und der Einfluß und die Ansprüche des römischen Senates immer höher. Die stetige Benachteiligung und Herabsetzung der Nicht-Römer gegenüber den Römern und die schwankende Bürgerrechtspolitik Roms bargen nicht zu vernachlässigenden Konfliktstoff. Als die Römer nun zur besseren Überwachung Gesandte mit Befehlsgewalt in die Städte schickten, eskalierte die Situation: Die Einwohner Ausculums/Ascoli Satrianos töteten einen römischen Prätor und dessen Gefolge und gaben damit den Anstoß zu einem Aufbegehren in Apulien und vielen weiteren Regionen Italiens am Beginn des 1. Jh. v. Chr. Dies geschah keineswegs unorganisiert: Die italischen Völker verbündeten sich und zogen gemeinsam zu Felde. Stadtgemeinschaften wie Arpi und Salapia legten ihre Differenzen mit Canusium/Canosa bei und übten in der Zeit des Bundesgenossenkrieges Loyalität. Die Aufstände endeten mit einigen Siegen Roms in Süditalien und der Zulassung der Neubürger zu allen römischen Tribus im Jahr 87 v. Chr., um Frieden in dieser Frage herbeizuführen.
Nur 14 Jahre später trugen sich in Apulien erneut blutige Gefechte zu, denn 73 v. Chr. hatte sich nach einem bereits drei Jahre währenden Kampf der Thraker Spartacus mit seinen Anhängern in die Gegend von Brundisium/Brindisi zurückgezogen und wurde hier von den Legionen des Licinius Crassus und des Pompeius vernichtend geschlagen und getötet. Die römischen Truppen setzten dem am Ende in die Berge fliehenden Gegner nach, bis alle Aufständischen getötet oder gefaßt worden waren. Die nun folgende Zeit erlaubte eine Stabilisierung Apuliens. Als unter Augustus Italien in elf Regionen unterteilt wurde, ordnete man Apulien wie die Gebiete der Salentiner, Calabrier und Hirpinier der 2. Region zu. In den weiten fruchtbaren Landstrichen des Tavoliere und der südlichen Salento-Halbinsel spielte die Viehwirtschaft eine bedeutende Rolle. Neben den normalen Gehöften besaßen Römer hier größere Latifundien, und durch die staatliche Landnahme war auch der Viehtrieb geregelt. So drückt es auch Marcus Terentius Varro im 1. Jh. v. Chr. in seinem Werk „Über die Landwirtschaft“ (2, 9) aus: „Ich ließ Herden in Apulien überwintern, die in den reatinischen Bergen übersommerten; verklammern doch zwischen diesen beiden Gegenden staatliche Triftpfade die auseinanderliegenden Weidegebiete so miteinander, wie ein Tragjoch die Binsenkörbe an seinen Enden verbindet.“ Diese Form der Weidewirtschaft wird Transhumanz genannt. Die Herde wird auf einer meist längeren, Tage bis Wochen dauernden Wanderung in die Sommerweidegebiete getrieben. Neben den römischen Straßen sind es auch solche Viehtriebstrecken, die die Entwicklung von Siedlungen und die Anlage von Heiligtümern beeinflußten. Varro berichtet außerdem von den Eselskarawanen der Händler, die Öl, Wein und Getreide zu den Häfen brachten (rust. 2, 6, 5).
Außer gesundem Vieh, guten Fleisch- und Milchprodukten und fruchtigem Wein war Apulien auch für andere Köstlichkeiten wie das heute noch überall zu findende frische Meeresgetier eine gute Adresse: „Wie doch das Clipae-Wiesel vor allen andern hervorragt!/Muscheln gibt es bei Aenus, in Abydus viel schuppige Austern./Kammmuscheln hat Mytilene; auch der Sund von Ambrakia hat sie./Brindisi hat gute Brachsen, und ist eine groß, so kauf sie! /Wisse daß in Tarent der Eberfisch erstklassig mundet.“ (Ennius, 3./2. Jh. v. Chr., Frg. var. 34–38 V.) Einige Orte Apuliens, die in römischer Zeit florierten, verdankten dies ihrer Lage an den römischen Überlandstraßen. Der intensive römische Straßenbau erschloß und verband die verschiedenen Ecken Italiens miteinander und mit Rom. Diese gut und dauerhaft gebauten Trassen ermöglichten nicht nur schnelle Truppenbewegungen, sondern auch bessere Verkehrsverbindungen und einen leichteren Überlandhandel. Die Orte entlang der Ostküste Apuliens waren durch die Via Marittima verbunden.
Von Benevent führt die berühmte Via Appia gen Süden, durch die Murge bis an die ionische Küste nach Tarent und von dort gen Osten nach Brindisi. Im 2. Jh. wurde von Benevent ausgehend eine weitere Überlandstraße ausgebaut, die Via Trajana (Abb. 5). Sie wurde zwischen 109 und 114 n. Chr. auf einer bereits seit republikanischer Zeit bestehenden Trasse neu angelegt und verbindet Beneventum/Benevent über eine weiter nördlich verlaufende Trasse mit Brindisi. So sparte man zwei Tage gegenüber einer Reise auf der Via Appia. Dabei durchquert die Via Trajana Aecae/Troia, Herdoniae/Ordona, Canusium/Canosa di Puglia, Rubi/Ruvo di Puglia, Butuntum/Bitonto und folgt der Küste von Barium/Bari über Egnathia (nahe Fasano) bis Brundisium/Brindisi. Am Weg lagen in regelmäßigen Abständen Pferdewechselstationen wie zwischen Bari und Egnathia die mutatio Turres Iulianae nahe der heutigen Masseria Vito Luigi, die mutatio Turres Aurelianae bei Torre Ripagnola und die mutatio Vertum oder Diriam bei Torre d’Orta. Entlang der Via Trajana standen wie an anderen römischen Straßen Meilensteine, zylindrische Steinsäulen, deren Inschrift mit der Titulatur des Kaisers die Zugehörigkeit der Straße zum römischen Reich und die Leistung des Kaisers vor Augen führte. Die Meilenangabe bezieht sich auf die Entfernung zu der nächstgelegenen größeren Stadt. Von den ursprünglich 200 Meilensteinen entlang der Via Trajana haben sich zwei Drittel erhalten; einige sind in Canne di Battaglia, Trani, Cerignola und Giovinazzo sowie in den Museen zu sehen (Abb. 23). In Herdonia und Egnathia kann man noch heute über das antike Pflaster der Via Trajana laufen und bei Canosa eine der zugehörigen Brücken überqueren. Kaiser Trajan machte den Ausbau der Straße mit allen Trassen und zugehörigen Brücken zu einem Teil seines Verkehrsprogramms. Auch an anderen Orten finden sich Stücke römischer Trassenführung: Bei Martano in der località Masseria San Cosimo wurden, wie in felsigem ansteigendem Gelände üblich, Karrengleise in den Kalkstein getieft. Die gut ausgebauten römischen Straßen ermöglichten eine schnellere Reise und so eine stärkere Vernetzung der Städte, denn laut Livius (36, 21, 5) konnte ein guter Reiter in fünf Tagen von Otranto nach Rom gelangen. Mit dem Straßenausbau erfolgte auch der Hafenausbau in Orten wie Sipontum, Brundisium, Salapia (San Cataldo bei Lecce) und Otranto, um die Verbindung entlang der adriatischen Küste und nach Osten, nach Illyrien und Griechenland zu erleichtern. Brundisiums Häfen hatten schon während des 4. und 3. Jh. v. Chr. eine strategische Rolle gespielt; der Hafen von Sipontum wurde während der Pannonischen Kriege zu augusteischen Zeiten ein wichtiger Kriegsversorgungshafen.
Für die römische Zeit sind uns 67 apulische Städte überliefert, davon gehören Tarent, Brindisi, Canosa und Lucera mit je ca. 15.000 Einwohnern zu den größten. Die meisten besaßen den Rang eines Municipiums. Nur in wenigen sind archäologische Hinterlassenschaften des ersten vor- und nachchristlichen Jahrhunderts zu fassen: Privatportraits dieser Zeit stammen aus Lucera, Canosa und Tarent. Ein Bildnis des Augustus wird an seinem Fundort – in Tarent – gezeigt. Ihm waren auch gemäß zweier Inschriften je ein Tempel in Bari und Lucera geweiht worden, ebenso das Amphitheater in Lucera (Abb. 34), das wie dasjenige in Lecce (Abb. 33) in augusteischer Zeit errichtet wurde. Lucera, Herdonia/Ordona und Sipontum erfuhren in dieser Zeit eine deutliche Urbanisierung. Auch unter den späteren Kaisern spielten die Hafenstädte eine wichtige Rolle. Nero siedelte bei Tarent Veteranen an und ließ hier wie in Canosa Land für seine Getreuen zu- und aufteilen. Veteranenansiedlungen im großen Stil und die Erhebung mehrerer apulischer Orte zu Coloniae mit römischem Bürgerrecht werden für Vespasian überliefert. An einigen Stellen Apuliens entstehen seit dem 1. Jh. v. Chr. römische Villen wie jene bei Merino und nahe Mattinata auf der Gargano-Halbinsel (Abb. 26–27) sowie bei Porto Saturo (Abb. 52) an der Küste des ionischen Golfes. Im ruhigen 2. Jh. erfolgt einigenorts eine stärkere Urbanisierung und die Ausstattung der Städte mit neuen öffentlichen Bauten wie den Theatern und Amphitheatern und eine Verbesserungen der Infrastruktur durch Straßen- und Aquäduktbau. Im frühen 3. Jh. haben die Bewohner Apuliens zwei Jahre lang mit einer umtriebigen 600 Mann starken Bande Ärger, die unter ihrem Anführer Felix Bulla, einer Art antikem Robin Hood, auf der Via Trajana zwischen Beneventum und Brundisium Reisende ausraubte und die großen Einfluß besaß. Sie wurde durchaus auch von der lokalen Elite gestützt. Legenden rankten sich um diese Schar von Gesetzlosen, wie etwa die Geschichte, daß Felix Bulla einem Centurio, der ihn vergeblich zu fangen suchte, zurief: „Sag deinen Herren, sie sollen ihren Sklaven zu essen geben, dann werden sie keine Räuber!“ (Cassius Dio, 2.–3. Jh. n. Chr.). Erst durch Verrat konnte der Bulla gefaßt und im Amphitheater wilden Tieren vorgeworfen und somit die Bande zerschlagen werden.
Ende des 3. Jh. erfuhr Apulien wie andere Orte verschiedene Umstrukturierungen im Verwaltungs- und Provinzialwesen – es gehört nun zu Italia suburbicaria –, aber die Meilensteine dieser Zeit, die spätantike Villa bei Faragola-Ascoli Satriano (Abb. Plan 2) und die reich ausgestatteten Häuser mit Mosaikböden wie in Egnathia und Tarent zeigen, daß die Straßen weiter gepflegt und genutzt werden und eine Lage in ihrer Nähe von Vorteil ist. Während Apulien zuvor wirtschaftlich auf Viehzucht, Ölproduktion und Leinenherstellung setzte, begann mit dem neuen Status und dem Versorgungsauftrag ein verstärkter Getreideanbau. Die Zahl der wiederbewohnten und erneuerten Gehöfte steigt merklich. Ab dem 2. Jh. und v.a. für das 4. Jh. sind uns die Namen apulischer Bischöfe überliefert, die von der Existenz christlicher Gemeinden zeugen. So kennen wir beispielsweise S. Marcus für Aecae/Troia, Stercorius für Canosa und Pardo für Salpi, womit möglicherweise Arpi gemeint ist. Zuerst treten uns die Christen auf Grabsteinen und in speziellen Bestattungsorten entgegen, doch ab dem 5. Jh. beginnt der Kirchenbau in Apulien, wie die ältesten Befunde in Egnathia und Canosa zeigen.