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Prolog

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Ich atme ein, ganz tief und bewusst, und lasse mich rückwärts fallen. Kaum im Wasser, höre ich nichts mehr außer meinem Atem, der durch das Sauerstoffgerät strömt, und dieses leise, fast ein bisschen singende Grundrauschen des Meeres. Ich fühle mich frei.

Beim Tauchen ist es wie bei einem großen Fußballspiel: Man muss fokussiert sein dabei und zugleich entspannt. Wenn du nervös bist, klappt es mit der Atmung unter Wasser nicht, du verlierst die Orientierung und musst letztlich an die Oberfläche. Man muss loslassen können beim Tauchen, und das geht nur, wenn man gut vorbereitet und zugleich in der Lage ist, seine Gedanken auszuschalten und absolut aufzugehen im Moment. Ich mag das. Ich lebe gerne so.

Seit einiger Zeit habe ich auf Fuerteventura einen Ort gefunden, an dem ich gerne meine Zeit verbringe. Gerade zehn Autominuten sind es von meinem kleinen Häuschen an der Westküste zu einem der Tauchspots an der Ost- und der Südküste. Ich liebe es zu tauchen, ich kann da gut abschalten und meine Sinne ins Hier und Jetzt holen. Ich war schon immer etwas chaotisch, zumindest wirkt das auf viele so, weil ich oft nicht den Erwartungen entspreche. Manche sagen auch, ich hätte oft mehr Glück als Verstand, aber das stimmt nicht. Ich denke, ich war bisher einfach immer gut vorbereitet, wenn das Glück bei mir vorbeikam.

Natürlich braucht man Glück im Leben, wenn man etwas erreichen will. Auch Fleiß und Disziplin, klar, vor allem aber die richtige Einstellung und, ja, Glück. Denn nur wenn man dafür offen ist, laufen die Dinge zusammen. Glück zu haben klingt meist so, als wenn es ein Zufall oder ein Geschenk wäre, glückliche Momente zu erleben. Für mich ist es eher eine Lebenseinstellung, Glück zu empfinden und mit dem eigenen Leben zufrieden zu sein. Dass mir einmal dabei helfen würde, dass ich einen Ball besser fangen kann als die meisten anderen, hätte ich lange nicht gedacht. Aber ich war nicht immer eine gute Torhüterin und mir ist einiges im Leben auch schon danebengegangen. Am Ende aber zählt das, was einem keiner nehmen kann. Das sind sicher auch die Titel und Erfolge, vor allem aber die Erlebnisse und Begegnungen, die einen formen und wachsen lassen. Dazu gehören die schlechten Momente genauso wie die guten, und von beiden hatte ich jede Menge. Aber keinen davon möchte ich missen. Denn ich wäre nicht die Natze, die ich bin, wenn es anders gelaufen wäre.

Es geht im Leben einer Torhüterin ja nicht immer nur um den Ball und das nächste Spiel. Um ehrlich zu sein, war der Fußball lange Zeit nicht das Wichtigste für mich. Heute ist der Sport mein Beruf, und der Fußball hat mich dorthin gebracht, wo ich jetzt bin. Aber ich meine damit nicht etwa Fuerteventura oder das Tor der Fußballnationalmannschaft der Frauen, nein, ich meine damit diesen Punkt im Leben, an dem man merkt: So, wie es ist, ist es gut – und wenn es nicht mehr gut ist, bin ich selbstbewusst genug es zu ändern.

Oft genug stand ich vor der Entscheidung, etwas zu verändern oder die Dinge zu lassen wie bisher. Auch da ist es ein bisschen wie beim Tauchen: Wenn man merkt, dass einem die Luft wegbleibt, sollte man etwas ändern an der Situation. Unter Wasser merkt man schnell, ob es noch geht oder nicht, an Land zögert man länger. Ich habe gelernt Entscheidungen zu fällen und bin am Ende Weltfußballerin geworden.

Wenn man am Anfang der Karriere steht, macht man sich viel Druck. Ich weiß jetzt: Ich habe viel erreicht und erlebt, auf das ich stolz sein kann. Bei einem Treffen mit meinem damaligen Klubkollegen Thomas Broich in Brisbane im Frühjahr 2014 meinte ich zu ihm: »Jetzt fängt meine schöne Zeit erst richtig an. Ich weiß jetzt, dass ich Spiele und Situationen auch genießen kann. Und das mache ich jetzt auch.«

Nadine Angerer - Im richtigen Moment

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