Читать книгу Suomi on kaunis (Deutschland auch) - Nadja Hummes - Страница 15

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Mein Blick wandert den Sternenhimmel entlang. Eine sehr nüchterne Erkenntnis findet sich bei mir ein: Sternen­klarer Himmel letzte Nacht. Sternenklarer Himmel auch in der kommenden Nacht? Es könnte kalt werden. Kälter als minus 26 Grad.

Ich bin geblieben. Bin noch immer hier. In Finnland.

Zehn Tage haben einfach nicht ausgereicht. Nicht, wenn man Land und Leute wirklich kennenlernen will. Drei bis vier von zehn Tagen gehen für die An- und Abreise ab. Die verbleibenden sechs oder sieben Tage sind so schnell verstrichen, dass es einem allenfalls einen ersten Eindruck ermöglicht. Und Valtteri hat mich sowieso viel zu lange nicht gesehen, so befand er. Also haben wir die Rückreisetickets storniert und pi mal Daumen grob einen Aufenthalt von zwei bis drei Wochen angepeilt. Schreiben und Kunstwerke kreieren kann ich auch hier, da hat er Recht. Einen Job, um über die Runden zu kommen, kann ich mir an meinem neuen Wohnort immer noch suchen. Nachdem ich wieder vor Ort bin.

Ich habe den Vermieter über meinen verlängerten Auslandsaufenthalt informiert und er hat zugesagt, den Hausmeister – welcher ohnehin jede Woche einmal im Haus ist, um das Treppenhaus zu reinigen, – damit zu beauftragen, wöchentlich meine Wohnung zu lüften sowie kurz nach dem Rechten zu sehen. Solange ich weder von ihm noch von dem Hausmeister höre, kann ich davon ausgehen, dass alles in Ordnung ist. Anderenfalls, so sagte er, würde er sich mit mir in Verbindung setzen. Wie gut, dass ich den Zweitschlüssel vor meiner Abreise klug deponiert habe. Es ist also alles geritzt. Das verschafft mir ein völlig neues Aufenthaltsgefühl. Ich bin zeitlich ungebunden. Kein Termindruck sitzt mir im Nacken. Ich kann mich voll und ganz auf meine Schreiberei und das Erstellen von Kunstwerken konzentrieren. Mich ganz diesen Dingen widmen. Ohne Angst vor einem finanziellen Engpass. Dank Valtteri. Er bestand und besteht auch weiterhin darauf, dass ich sein Gast bin. Er lehnt jede finanzielle Beteiligung an Aufenthaltskosten, Lebensmittel­einkäufen & Co. vehement ab. Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Sobald ich eine vorsichtige Frage oder gar ein Angebot in dieser Richtung ansprach, reagierte er fast schon beleidigt.

An meinem alten Wohnort gab es genug Interessenten für mein Auto, meine Möbel, Kleidung, Elektronik und diversen Hausrat, sodass es nicht nur eine unkomplizierte Wohnungsauflösung, sondern auch ein kostengünstiger Umzug wurde. Dadurch hatte ich neben der zu entrichtenden Kaution und den ersten drei Monatsmieten noch ein wenig Geld für die Last-Minute-Reise nach Finnland übrig. Hätte ich jedoch zusätzlich eine Wochenpauschale für eine Ferienunterkunft in Finnland entrichten müssen, dann wäre das finanziell für mich nicht zu verkraften gewesen. Ganz zu schweigen von der Verpflegung vor Ort. In dieser Hinsicht ist Finnland teuer. Das liegt an der Mehrwertsteuer auf den hier erhältlichen Lebensmitteln.

Überhaupt sind die hiesigen Lebensmittel eine ganz eigene Herausforderung. Alles ist irgendwie gesüßt. Füge ich beispielsweise handelsüblichen Standardsenf zu meiner Mahlzeit hinzu, bekommt die Speise eine Art zuckrigen Sirupgeschmack. Na gut, ein paar glorreiche Ausnahmen mag es geben. Nicht nur beim Senf. Doch die sind eher selten. Als ich Valtteri einmal danach fragte, antwortete er nur beiläufig, dass süße Speisen und Getränke ein guter Ausgleich zur langen jahreszeitlich bedingten Dunkelheit und allemal besser als Alkohol seien.

Gleich darauf schwank er thematisch auf seine aktuellen Jobfrustrationen um. Nebenbei drückte er mir mit den Worten „Hab' ich dir mitgebracht“ eine Tüte aus einer örtlichen Apotheke in die Hand. Darin enthalten: Ein Fläschchen Nasentropfen und eine Nasensalbe. Auf Grund der trockenen Heizungsluft hatte ich nämlich bereits nach vier Tagen Aufenthalt Nasenbluten bekommen. Samt einer ziemlich verkrusteten Nase. Es war ihm aufgefallen, obwohl ich es unerwähnt ließ und eine dezent getönte Tagescreme trug. Damit nicht genug, standen und stehen neben meiner Schlafcouch jeden Tag nicht mehr eine, sondern drei Literflaschen Mineralwasser, die ich – eben­falls wegen der trockenen Heizungsluft – ohne Mühe täglich austrinke. Auch diese Wasserflaschen hat Valtteri aus eigenem Antrieb zur festen Gewohnheit werden lassen. Ohne dass ich etwas erwähnt hätte.

Auf Außenstehende wirkt Valtteri vielleicht ein wenig verschroben, mitunter auch impulsiv, Künstler, der er ist, – doch er ist so aufmerksam, empathisch und hat eine solche Sensibilität, dass es mir immer schlüssiger wird, weshalb er nicht einfach über diversen Ärgernissen, Frustrationen und Widersinnigkeiten stehen kann. Die Intensität, mit welcher er seine Umwelt, das Verhalten seiner Mitmenschen, die Klänge der Natur, Töne der Musik, Harmonien oder Disharmonien von Farben, Formen, Entwicklungen, Worten, Taten oder Gegebenheiten wahrnimmt und erlebt, kommt der meinen ganz schön nahe. Nichtsdestoweniger wirkt es sich bei mir anders als bei ihm aus. Zugegeben, darüber bin ich froh. Es ist bestimmt nicht nicht immer leicht für ihn.

Seine Treffen mit Anneline sind mittlerweile zu einer festen Donnerstag-Abend-Einrichtung geworden. Ich darf während dieser Zeit die Sauna im Keller des Hauses nutzen. Der Vorraum zur Sauna stellt eine eher pragmatische Kombination aus Umkleidekabine und Duschgelegenheit dar. Deckenhoch gefliest. Die Sauna allerdings wurde liebevoller eingerichtet. Sie hat einen wunderschönen kleinen Kamin samt Steinofen für Aufgüsse. Auch wenn dieser Wohnblock zu den eher preisgünstigen zählt und mit weitaus weniger gutem Inventar und Charme als eines der bunten Holzhäuser ausgestattet ist, – mit der Sauna haben sie sich Mühe gegeben. Darin steckt so viel Erfahrungswert und Detailarbeit, dass es einfach unübersehbar ist.

O-Ton Valtteri hierzu: „Sonst wären sie die Dinger nicht losgeworden.“

So, wie es in Deutschland die berühmt-berüchtigte Flurwoche gibt, so hängt im Hausflur dieses finnischen Wohnblockes ein Plan für die Nutzung der Sauna. Jede Wohnpartei, es sind sechs an der Zahl, kann sich einen Tag pro Woche per Namenseintrag reservieren. Valtteri hat mir seinen Tag – den Donnerstag – für die Zeit, während der ich bei ihm zu Besuch bin, abgetreten. Stattdessen geht er nun einmal pro Woche mit einem Nachbarn aus dem oberen Stockwerk saunieren. Dieser ist ein redseliger rüstiger Senior und etwas traurig darüber, dass seine Frau währenddessen zur Zeit lieber die Quizshow im Fernsehen anschaut. Also sitzen die beiden Herren regelmäßig jeden Mittwoch in der Kellersauna, schwitzen und unterhalten sich. Über den Stellenabbau der Arbeitgeber in Finnland, die sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Missstände, über kostengünstiges Angel­zubehör, die neuesten Meldungen der Tagespresse und dergleichen mehr. Auf meine Nachfrage, ob es denn nicht üblich sei, sich in einer Sauna wenig bis gar nicht und wenn, dann nur flüsternd zu unterhalten, antwortete Valtteri mir vielsagend: „Je nachdem, wer in der Sauna sitzt. Aber zum Hochsommer wird die Quizshow wieder abgesetzt.“

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