Читать книгу Suomi on kaunis (Deutschland auch) - Nadja Hummes - Страница 7

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Am frühen Morgen, kurz nach fünf, höre ich Geräusche. Valtteri kommt aus dem Badezimmer. Er eilt in die Küche, während ich unter die Dusche husche. Nach wenigen Minuten bin ich tageslicht­tauglich.

„Willst du bis Kauppatori mitkommen, Lenja?“, fragt er mich, während er sich sitzend seine Schuhe zuschnürt. „Die machen gleich auf. Bis wir dort sind, ist der frische Kaffee warm. Du kannst dort einen Snack nehmen, wenn du willst. Frühstück. Oder möchtest du lieber in Ruhe hier der Tag beginnen?“

„Ich komme gerne bis zum Kauppatori mit, Valtteri“, antworte ich ihm und greife nach meinem Rucksack. „Ich bin ja noch ein paar Tage hier. Da habe ich noch genug Möglichkeiten, den Tag in Ruhe zu beginnen.“

„So then du brauchst diese hier“, sagt er und reicht mir im Flur ein Paar Spikes an.

„Ja, ich verstehe. Kiitos.“

Die Riemen der Spikes bestehen aus einem Gummi-Synthetik-Mix. Zum Glück sind sie größenverstellbar. Die Spikes selbst bestehen aus massivem Metall und sind jeweils einzeln eingeschraubt. Sie decken Ferse, Sohle und Zehenspitze ab. Auf diesen Spikes zu laufen fühlt sich an, als würde circa ein Zentimeter bis zum Bodenkontakt fehlen. Nichtsdestoweniger habe ich einen sicheren Auftritt und ein gutes Gespür für mein Gleichgewicht. Es folgen Fingerhandschuhe aus warmen Textilien. Ebenso Jacke, Schal und eine Mütze mit Ohrenklappen. Wir schauen wie zwei Michelin-Männchen aus. Wenig später stehen wir im Freien, das Außenthermometer zeigt minus 29 Grad Celsius.

Valtteri löst die Folienabdeckung seines Autos. Mal vorsichtig, mal ruckartig. Er weiß genau, was er tut.

„Kann ich dir helfen?“

„No, not now“, antwortet er mir. „Gleich.“

„Ok… Puh, – nicht einmal der Hauch einer Morgendämmerung. Ganz schön dunkel.“

„Die meiste Zeit des Tages ist es dunkel. Tiefe Dunkelheit. Manchmal mehr, manchmal weniger. Round about vier bis sechs Monate Dunkelheit sind hier in Finnland keine Seltenheit“, sagt Valtteri. „Je nach Region.“

Vier bis sechs Monate Lichtentzug also.

Vier bis sechs Monate Lichtentzug für Flora und Fauna. Vier bis sechs Monate, in welchen der Idealfall ein gelegentliches Dämmerlicht beschreibt. Keine Seltenheit. Aha.

Ich begreife, was diese Tatsache bedeutet.

Berichte, Tourismusinformationen, Statistiken oder Dokumentationen zu lesen, anzusehen oder zu hören ist eine Sache. Mittendrin zu stehen und es mit allen Sinnen zu erfahren eine gänzlich andere.

Mein Blick schweift gen Himmel. Sternenklar. Wunderschön. Unbeschreiblich. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Wortlos genieße ich.

Ein stotterndes Motorengeräusch, vermutlich aus einer der benachbarten Straßen, reißt mich aus meinen Gedanken.

„Ah, da hat jemand Startschwierigkeiten. Der Wagen springt nicht an“, sagt Valtteri, während er wieder einmal meinen Blick auffängt. „Das kennen die Menschen, die hier leben. Meistens wissen sie sich zu helfen.“

„Andernfalls helfen sie sich gegenseitig?“

„Yes, hilfsbereit sind wir Finnen“, bestätigt Valtteri, während er die Verriegelung seines Kofferraumes enteist.

„Ja, hilfsbereit und freundlich. Das habe ich schon auf meiner Reise hierhin gemerkt. Und auch bei meiner Ankunft.“

Der Kofferraum springt auf.

Jetzt verstehe ich, weswegen Valtteri gestern Nacht meinen Koffer auf den Rücksitz gelegt hat. Im Kofferraum ist schlicht und ergreifend kein Platz mehr. Drei Kanister einer seltsam gefärbten Tauflüssigkeit, – einer davon ist bereits halb leer. Ein sehr stabil aussehendes Abschleppseil, vermutlich mehrere Meter lang. Wie ein Lasso aufgerollt. Eine Schaufel. Massiv, kein Plastik. Ein Warnschild. Ein Erste-Hilfe-Kasten. Ein offener Korb. Darin enthalten: Ein Gaskocher, eine Öllampe, Streichhölzer, Lampenöl, zwei Gaskartuschen, zwei Was­ser­flaschen, Brühwürfel, Pulverkaffee, eingeschweißter getrockneter Speck, ein finnisches Anglermesser und eine Thermoskanne mit Trinkbecher. Des Weiteren befindet sich eine sehr warm aussehende Wolldecke im Kofferraum. Ebenso ein Thermo-Overall. Und eine neongelbe Jacke.

„Berufskleidung“, sagt Valtteri, während er die Folie in den Kofferraum stopft und nach der neongelben Jacke greift. „Hier in Rauma und Umgebung gibt es ein paar große Arbeitgeber. Danach kommen die anderen, kleineren Arbeitgeber. Viele Menschen arbeiten bei die großen Konzerne. International. Vor ein paar Jahren es waren noch mehr, aber inzwischen sind die Jobs weniger. Alle gehen zu machen die Stellen kürzer. Because of money. Nonsense! Wenn Sie würden anders investieren, es wäre klüger für die Geldanlage. Und das ist not just my opinion. Mein Bruder sagt immer, in die Wirtschaft man denkt anders und das Denken in die Wirtschaft hat nicht immer mit die Klugheit oder die Weitsicht zu tun. Und er weiß, wovon er spricht. Er ist der karriere­geplagte Businessman in unserer Familie“, zwinkert Valtteri mir vielsagend zu.

Er greift nach dem halb vollen Kanister.

„Verstehe. Kann ich dir jetzt behilflich sein?“

„Jo. Kurz nach sechs. We must hurry! Ich gehe an die Motorhaube und an die eine Seite von das Auto. Kannst du die andere Seite schon einmal lösen? Griff und Schloss von die Beifahrertür.“

„Kyllä.“

Der Wagen, dessen Motor nicht ansprang, knattert und fährt deutlich vernehmbar davon.

Hektisch macht Valtteri sich weiter an seinem Wagen zu schaffen. Nach einer zusätzlichen Viertelstunde ist es endlich geschafft. Das persönliche Kraftfahrzeug ist wieder als solches nutzbar. Valtteri lässt den Motor schnurren. Ich nehme Platz. Als der Wagen aus der Einfahrt biegt, fallen mir etliche alte Automodelle auf, die aus den umliegenden Straßen, Innen- und Hinterhöfen auf die Hauptverkehrsstraße auffahren. Ein sonderbarer, aber durchaus schöner Anblick, welcher wohl manch einem Oldtimer-Liebhaber das Herz höher schlagen ließe.

Suomi on kaunis (Deutschland auch)

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