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Rachsucht

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Wie der Barde vorausgesagt hatte, fanden John der Böttcher und sein Suchtrupp nichts. Der Draugr war verschwunden wie Morgennebel. „Sie ist aber immer noch da draußen“, sagte der alte Mann, als er und Jack Elixiere für den Verkauf in Bebbas Town mischten. „Ich habe alle angewiesen, die Häuser und Viehpferche mit Stechpalmenzweigen zu umgeben. Sie geht nicht gern über Dornen. Wenn eine Meervettel ihren Schwanz verloren hat, sind die Füße ihr wunder Punkt.“

Jack reihte die Gefäße auf, deren Farben anzeigten, welche Pillen sie enthielten: Rot für Fieber, Grün für Kopfschmerzen, Blau für Magenprobleme und Schwarz für Beelzebubs Wunderwaffe gegen Fliegen.

„Draugr können zum Vierfachen ihrer Normalgröße anwachsen“, sagte der Barde. „Einer ist mal auf das Dach von König Ivars Halle gestiegen, als ich noch dort lebte, und hat den Bau fast zum Einsturz gebracht. Er hat mit den Fersen aufs Dach gehämmert. So etwas passiert im Nordland oft nach Beerdigungen – sie nennen es dort Hausreiten.“

„Hausreiten“, echote Jack und maß sorgfältig getrockneten Wermut für ein Elixier ab.

„In diesem Fall war es Ragnar Feuchtbart – er bekam diesen Namen wegen all des Biers, das er verschüttet hat. Eines Nachts fiel er in ein Bierfass und ertrank. Gib noch Honig in das Elixier. Der Wermut macht es bitter.“

„Ja, Herr“, sagte Jack.

„Ragnar war einfach einsam, die arme Seele. Er war aus seinem Grab gewandert und hat gesehen, wie seine Freunde das Totenfest feierten. Nachdem wir das Problem erkannt hatten, haben wir ihm Bier in sein Grab gegeben. Und seine großen Zehen zusammengebunden, damit er nicht weit kam.“

Jack steckte sich den Finger in den Mund, ohne daran zu denken, dass er voller Wermut war. Er rannte nach draußen, um auszuspucken. Hausreiten! Es war typisch für die Nordmänner, dass es ihnen vollkommen gleichgültig war, wenn Draugr Löcher in ihre Dächer schlugen. Er war nur froh, dass so etwas nicht passiert war, während er im Nordland gewesen war.

Jack spülte sich den Mund aus und hielt mit der Hand über den Augen Ausschau nach Thorgil. Sie war mit Seefahrer zu einem Übungsflug aufgebrochen. Der Albatros hatte sich eng an sie angeschlossen, und Jack hatte den Verdacht, dass er nicht mehr fortwollte. Thorgil hatte Jack noch mehr Vogelsprache beigebracht, aber so fließend wie sie würde er diese Sprache wohl nie beherrschen. Aber zumindest konnte er jetzt Dinge sagen wie Komm her oder Lass das oder Hast du Hunger? Seefahrer hatte eigentlich immer Hunger.

Irgendwo im Süden erledigten Skakki und seine Besatzung ihre Geschäfte, wie Thorgil es genannt hatte. Vermutlich plünderten sie. Brannten Dörfer nieder. Jack wusste nicht, wie er ihnen gegenübertreten sollte, wo er doch von ihren Untaten wusste. Er ging wieder ins Haus.

Der Barde band gerade die Deckel auf die vollen Gefäße. „Ekliges Zeug, dieser Wermut“, bemerkte er. „Ich finde, dass es nichts bringt, aber die Menschen vertrauen einer Medizin mehr, wenn sie widerlich schmeckt.“

„Wieso war Ragnar Feuchtbart noch da?“, fragte Jack. „Ich dachte, Krieger gehen nach Walhall.“

„Nur die, die in der Schlacht fallen.“ Der Barde stellte die Wermutfläschchen für den Transport zu Skakkis Schiff in einen Korb. Jack war sicher, wenn man vorher noch keine Bauchschmerzen hatte, dann würde ein Schluck von dem Elixier ausreichen, um welche zu bekommen. „Der arme alte Ragnar hat diese Chance verpasst. Er lungerte ein paar Monate herum, stöhnte und hämmerte gegen Türen. Sehr weit konnte er mit den zusammengebundenen Zehen ja nicht hüpfen. Schließlich verzog er sich dann doch in Freyas Himmel – oder, wenn man bedenkt, dass er ertrunken ist, ist er vielleicht doch im Reich von Ran und Ägir unter dem Meer gelandet.“

„Es klingt, als wäre er ein netter Kerl gewesen“, sagte Jack. Fast alle Kräuter, die er gesammelt hatte, waren aufgebraucht. An der Wand standen zehn volle Körbe, aber zehn weitere warteten auf Füllung. Das bedeutete einen weiteren Ausflug in den Haselwald, eine Wanderung, auf die Jack gut verzichten konnte.

„Ragnar? Der war so sanft wie ein Kätzchen, außer wenn er zum Berserker wurde. Unser Draugr ist allerdings ein ganz anderes Problem. Zum einen ist sie eine Meervettel, und die sind immer gefährlich. Und zum anderen hat sie einen guten Grund für ihre Wut.“

„Wir haben ihr doch nichts getan“, sagte Jack.

„Die Heitere Wehklage hat sie aus ihrem Grab geholt. Und jetzt wird sie nicht eher ruhen, bis sie sich gerächt hat, und wir waren am leichtesten zu finden.“ Der Barde setzte sich und bedeutete Jack, es ihm gleichzutun. Einen Moment lang schwieg er, strich sich über den Bart und betrachtete die gemalten Vögel an den Wänden des römischen Hauses. „Wir können in Bebbas Town kein Getreide kaufen, solange sie dort nicht die Ernte eingebracht haben. Außerdem ist Skakki noch unterwegs. Ich hatte vor, den Draugr mit uns zu locken, wenn wir aufbrechen, aber das Dorf kann jetzt nicht ungeschützt bleiben.“

Es gefiel Jack gar nicht, was er da hörte. Er hatte erwartet, dass der Barde die untote Meervettel mit einem Zauber vertreiben würde. Was sollte das bedeuten, sie mit sich zu locken?

„Es gibt Gesetze in der Welt, die ich nicht brechen darf“, erklärte der alte Mann, der wieder einmal Jacks Gedanken gelesen hatte. „Da die Meervettel einen echten Grund für ihre Rachegelüste hat, darf ich keine Magie einsetzen. Sie hat ein Recht auf Vergeltung. Deswegen werden wir beide heute Nacht in den Haselwald gehen und ihr einen Handel vorschlagen.“

„Wir beide?“ Jack war so überrascht, dass er es beinahe schrie.

„Bei Odins Augenbrauen! Hast du etwa geglaubt, um ein Barde zu sein, reicht es, an einer Harfe zu zupfen und Kräuter zu pflücken?“ Aus den Augen des Barden blitzte Empörung, und Jack wurde ganz verlegen. Aber nachts in den Haselwald? Wenn er dieses Heulen noch einmal hören müsste, wäre er schneller weg als eine verbrühte Katze. „Du bist einem Drachen gegenübergetreten und Frith Halbtroll“, erinnerte ihn der alte Mann. „Du hast den Bann des Unlebens gebrochen, unter dem Din Guardi stand. Stell dein Licht nicht unter den Scheffel, Junge. Morgen wirst du mit den Fingern schnippen, wenn dir eine Meervettel begegnet.“

Wenn ich dann noch lebe, dachte Jack mürrisch. Gerade kam Thorgil mit Seefahrer zurück, und es gab viel Gekrächze und Eigenlob. Seefahrer hatte ein junges Schwein aus seinem Versteck gescheucht, und Thorgil hatte es fürs Abendessen erlegt.

„Halte sie gut fest“, warnte der Barde auf ihrem Weg über die dunklen Felder. „Wir wollen den Draugr nicht hier treffen. Erst im Haselwald – dort kann ich aus verschiedenen Quellen Kraft schöpfen.“

Jack umklammerte die eingewickelte Glocke fester. Durch ihre Größe und Form war sie schwierig zu tragen. Das ist totaler Wahnsinn, dachte er. Wenn es nach ihm ginge, würde er die Heitere Wehklage an der tiefsten Stelle ins Meer werfen, aber der Barde hatte gesagt, dass es dafür schon zu spät war.

Ein Kiebitz schoss unter seinen Füßen hoch, und er sprang zurück. Die Glocke gab ein leises Kling von sich, wie eine Muschelschale, die auf Gestein fällt.

„Pass auf!“ Der Barde fuhr herum und legte die Hand auf das Bündel. „Der kleinste Laut hallt durch die neun Welten.“

Sie hasteten weiter. Der Boden war sumpfig, und es tauchten Bäche auf, wo Jack nicht mit ihnen gerechnet hatte. Wasser drang in seine Stiefel ein. Außerdem juckte eine Stelle an seinem Rücken ganz furchtbar, und dort nicht kratzen zu können, machte ihn fast verrückt.

Der Mond war gerade etwas über halb voll. Er schien über den weit entfernten Eichenwald und beleuchtete die Lücken zwischen den Bäumen, vor allem die Schneise, die Odin und seine Reiter in den Wald geschlagen hatten. Im Haselwald waren keine Lücken zu sehen, obwohl Jack wusste, dass es darin ein paar kleinere Grasflächen gab. Er wünschte, sie hätten Thorgil mitnehmen können. Sie würde nicht jedesmal zusammenzucken, wenn ein Vogel aufflog. Außerdem – und das gestand Jack sich nur sehr ungern ein – würde er vermutlich viel weniger zu panischer Flucht neigen, wenn sie dabei war.

Aber der Barde hatte gesagt, dass sie diese Aufgabe überlegt angehen mussten. Sie konnten nicht riskieren, dass Thorgil wieder einer ihrer verrückten Eingebungen folgte.

Der Haselwald ragte vor ihnen auf. Noch vom Mondlicht angestrahlt, blieben sie vor dem dunklen Schatten des Waldes stehen. „Hätten wir nicht eine Lampe mitnehmen sollen?“, begann Jack.

Der Barde brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. „Sieh zu und lerne. Vielleicht wirst du dies eines Tages allein machen müssen. Und jetzt richte deinen Geist auf die Magie dieses Waldes. Hier gibt es Pfade, die das Tagauge nicht sieht.“

Na, sehr gut, dachte Jack. Vermutlich treffe ich gleich einen Trupp Oger bei ihrem Nachtspaziergang. Ich hoffe nur, dass sie kein Problem damit haben, einen Draugr zu fressen. Er atmete tief ein. Die Luft unter den Bäumen war mit dem Geruch nach feuchter Erde und verborgenen Blüten gesättigt. Er suchte nach der Erdmagie und fand sie sofort. Alles im Wald wirkte angespannt. Jack spürte einen Hasen, der unauffällig aus einer Mulde im Boden schlüpfte, und dann war er selbst in dieser Mulde, in der sich vier winzige Kopien der Hasenmutter zusammendrängten.

Dort war es so gemütlich, dass Jack verharrte. Er konnte beinahe spüren, wie die winzigen Pfoten zuckten, wie sich ein kleiner Mund zu einem Gähnen öffnete.

„Schlüpfe auf keinen Fall in den Körper eines Tieres.“ Die Stimme des Barden kam von weit weg. „Das ist ein gefährlicher Trick, für den du noch nicht bereit bist.“

Jack zog sich zurück. Genau das hätte er beinahe getan! Wie sehr hatte er den Barden immer um seine Fähigkeit beneidet, mit den Habichten zu fliegen oder mit den Hirschen zu laufen. Er selbst hatte es schon ohne Erfolg versucht, aber in dieser Nacht ging es wie von selbst. Vielleicht lag es am Haselwald.

Jack spürte einen Igel, der am Fuß eines Baumes herumschnupperte. Doch plötzlich quiekte er auf und rollte sich zu einer Kugel zusammen.

„Hast du das gehört?“, fragte der Barde halblaut. „Die Tiere wissen, dass etwas Gefährliches in ihren Wald gekommen ist.“

Jack fand die Hasenmutter wieder. Sie lag geduckt auf einer Wiese. Sie wollte fliehen, aber noch stärker zog es sie zu ihren Jungen. Sie schaute auf und sah direkt in ein Paar großer, blau glühender Augen.

„Ah!“, schrie Jack und zog sich aus dem Körper der Häsin zurück.

„Erinnere mich daran, dich nächstes Mal zu Hause zu lassen, wenn ich mich an etwas anschleichen will“, sagte der Barde.

„Ich … ich habe Augen gesehen“, stammelte Jack. „Sie h-haben geglüht.“ Dann fiel ihm Bruder Aidens Geschichte wieder ein. „Ach, Mist, es war nur ein Schaf.“

„Aiden hat dir die Geschichte erzählt, nicht wahr?“, sagte der Barde. „Du hast tatsächlich ein Schaf auf der Wiese gesehen, aber was die Häsin erschreckt hat, lag dahinter.“ Plötzlich ertönte hektisches Blöken und das Geräusch von vielen Hufen, die durch Gebüsch trampelten. Die Laute verklangen allmählich. „Anscheinend ist der Draugr an Schafen nicht interessiert“, stellte der Barde fest.

„Ich b-bitte um E-erlaubnis, H-herr, die G-glocke abzustellen und m-mein M-messer zu ziehen“, stotterte Jack, der es nicht schaffte, das Zittern aus seiner Stimme herauszuhalten.

„Gleich, Junge. Dein Messer wird den Draugr übrigens nicht beeindrucken. Du kannst genauso gut versuchen, Stein zu schneiden.“ Der alte Mann horchte angespannt. „Sehr interessant.“

„W-was?“, fragte Jack.

„Ein Pfad hat sich geöffnet, durch den ein paar sehr interessante Besucher gekommen sind. Wir können nicht riskieren, dass sie auf die Vettel treffen. Pack die Glocke aus, Junge, und läute sie.“

„Was?“

„Mach schnell. Wir müssen den Draugr zu uns herlocken.“

Jack ließ die Glocke beinahe fallen, als er sie von ihrer Umhüllung befreite. Ihm war klar, dass er gehorchen musste, ohne über die Folgen nachzudenken. Er schwang die Heitere Wehklage. Der Klöppel schlug gegen das Metall der Glocke und ein goldener Ton drang durch den Haselwald, vertrieb jegliche Angst und erfüllte den Jungen mit reiner Freude. So etwas Wundervolles hatte er noch nie gehört.

Es war, als würden die besten Augenblicke seines Lebens alle gleichzeitig ablaufen – die Zeit, als er seinem Vater beim Hausbau zugesehen hatte und seine Mutter den Bienen etwas vorsang; der Moment, als der Barde ihn gefragt hatte, ob er sein Lehrling sein wollte, oder der, als er, Thorgil und Pega sich vor den abweisenden Mauern von Din Guardi in den Armen gelegen hatten. Es war aber auch eine Erinnerung an seinen Großvater, der an seinem Bett gesessen hatte, als er fieberte, und an die Schwester von John dem Böttcher, die ihm ein Apfeltörtchen gegeben hatte, nachdem er in den Teich gefallen war. Diese Menschen waren schon lange tot. Aber in der glorreichen Musik der Glocke tauchten sie wieder vor ihm auf.

Jack ließ die Glocke fallen. Erst da stellte er verblüfft fest, dass sein Gesicht tränennass war.

„Deswegen nennt man sie Heitere Wehklage“, sagte der Barde leise. „Und jetzt pass gut auf. Sie kommt.“

Sie hörten Weinen. Es klang wie eine Frau, die so sehr schluchzte, als würde ihr das Herz brechen. Es kam näher, und die Luft wurde deutlich kühler. Nebel waberte über den Boden, und ein undefinierbarer Modergeruch hüllte sie ein. Jack zog sein Messer.

Der Barde hob im Mondschein am Waldrand seinen Stab. „Ich befehle dich her, bei Wurzel, bei Stein, bei Meer!“, rief er.

Etwas Dunkles materialisierte sich zwischen den Bäumen. Wer ruft?, fragte eine Stimme, die sich anhörte wie rasselnder Kies.

„Ich bin der Erbe von Amergin“, sagte der Barde. Jack schaute verblüfft auf. „Ich bin hier, um mir deinen Wunsch nach Vergeltung anzuhören.“

Meine Liebe war innig; mein Schicksal bitter, sagte der Draugr. Meine Knochen angespült an meines Vaters Strand, seine Verzweiflung unermesslich, als er mich zu Grabe trug. Doch er hat die Grabstätte nicht versiegelt, denn ich konnte nicht ruhen. Solange mir keine Gerechtigkeit widerfährt, kann ich nicht neu geboren werden.

„Das verstehe ich“, sagte der Barde, „aber du kannst nicht herumziehen und töten, denn das bindet dich nur noch stärker an diese Existenz.“

Der Bodennebel verdichtete sich. Nebelfetzen krochen an Jacks Beinen hoch. Unwillkürlich wollte er nach der Schutzrune greifen, die er schon lange nicht mehr um den Hals hängen hatte.

Ich glaube dir nicht, sagte der Draugr.

„Es ist die Wahrheit“, beteuerte der alte Mann. „Jeder Mord zieht seinen eigenen Ruf nach Vergeltung gegen dich nach sich. Du hast bereits dein Recht auf das Leben von Pater Severus verwirkt – wage nicht, das zu bestreiten!“, brüllte er, als die Dunkelheit plötzlich anschwoll und Äste brachen.

Wer bist du, dich mir in den Weg zu stellen? Ich werde Rache nehmen, wo ich will. Die Bäume ächzten, als sie zur Seite gebogen wurden. Ein Teil des Himmels über dem Wald war plötzlich tiefschwarz.

„Ich bin der Gesandte der Erdmagie! Ich stehe gegen das Unleben! Wenn du mit der Sonne zurückkehren willst, musst du mir zuhören!“

Der Nebel waberte hoch und drückte gegen Jacks Brust, bis er kaum noch atmen konnte.

Der Barde hob seinen Stab. „Zwing mich nicht, dich zu unterwerfen!“

Dasselbe grausige Heulen, das Jack schon einmal gehört hatte, erfüllte die Nacht. Rehe brachen aus dem Haselwald hervor. Dachse, Füchse, ein Wolf und drei Wesen, die beinahe menschlich aussahen, rasten über die Felder davon. Jack hätte nur zu gern dasselbe getan, aber er konnte den Barden nicht im Stich lassen.

Der alte Mann hob beide Arme, und Blitze zuckten über seinen Körper. Er schien immer größer zu werden, bis er genauso groß war wie die Dunkelheit. Jetzt war unmöglich zu sagen, wer von beiden angsteinflößender war. Einen Moment lang standen sie sich gegenüber. Der Boden bebte, und die Luft vibrierte. Dann brach das Heulen ab. Der Nebel löste sich auf, und die Dunkelheit schrumpfte zusammen, bis sie nur noch die Größe einer Frau hatte.

Welch großartiger Angstzauber, dachte Jack, der nur am Rande mitbekam, dass er auf die Knie gefallen war. Der Barde hatte wieder seine normale Größe angenommen, aber seine Robe schimmerte immer noch in einem merkwürdigen Licht.

„Das ist besser“, sagte er. „In ein paar Wochen werde ich nordwärts reisen und Severus sehen. Die Gerechtigkeit verlangt, dass er für das bezahlt, was er dir angetan hat, aber die Art seiner Strafe ist mir noch verborgen. Es wird geschehen, wie es geschehen soll.“

Ich habe so lange gewartet, sagte eine Stimme, die sich nicht mehr anhörte wie der Tod, sondern wie die einer jungen, sehr besorgten Frau. Ich habe ihn doch so sehr geliebt.

„Du musst Geduld haben, mein Kind. Kein Töten mehr. Lieg still unter den ziehenden Wolken, bis ich dich rufe. Ich schwöre vor dem Rat der neun Welten, dass ich dich sicher in die ewige Ruhe geleiten werde.“

Durch den Haselwald hallte ein Seufzer, der sich anhörte wie eine Welle, die sanft vom Strand zurückströmt. Die Dunkelheit wurde immer dünner, bis nur noch ein gewöhnliches Gewirr aus Büschen und Gestrüpp zurückblieb. In einem nahen Bach quakte ein Frosch. Der Barde senkte die Arme und stöhnte ein wenig vor Anstrengung. „Was würde ich jetzt für einen Becher heißen Most geben“, murmelte er und stützte sich schwer auf seinen Stab.

„Das war wundervoll!“, rief Jack und stürzte auf ihn zu, um ihm zu helfen.

„Das war es, nicht wahr? Ich kann es immer noch – und dafür danke ich allen Göttern und Göttinnen, die gerade zuhören“, sagte der Barde. „Ich kann allein laufen, Junge. Trag du die Glocke, aber lass sie um Himmels willen nicht mehr läuten. Ihr könnt herauskommen, meine Freunde“, rief er in die Dunkelheit.

In einiger Entfernung sah Jack zwei plumpe Wesen aus dem Boden auftauchen.

Nebelrache

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