Читать книгу Kein Geld ist auch (k)eine Lösung - Natalie Weckwarth - Страница 6

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„Ich wurde meiner Zahlungsmittel beraubt! Wie soll ich mich da beruhigen?“

„Was soll das heißen, der Zahlungsvorgang wurde abgebrochen?“

Vorwurfsvoll schaue ich die Verkäuferin an, die meine Kreditkarte nun schon zum dritten Mal erfolglos durch das Lesegerät gezogen hat. Wahrscheinlich ist sie neu hier und kann das Ding noch nicht bedienen. Anders kann ich mir diese Panne nicht erklären.

„Es tut mir leid“, sagt die Wasserstoffblondierte mit einem verkrampften Lächeln, „das Gerät akzeptiert Ihre Karte nicht.“

Ihre Augen huschen nervös zur endlosen Schlange hinter mir. Ja, meine Schuld ist es nicht, dass sie an einem Samstagvormittag nur eine Kasse geöffnet haben.

„Dann ist Ihr Gerät wohl kaputt“, schlussfolgere ich und sehe hilfesuchend zu meiner Freundin Svenja hinüber, die allerdings nur ratlos die Schultern zuckt, anstatt mich zu unterstützen.

Das ist mir ja vielleicht ein Laden. Eine völlig überforderte Anfängerin an der einzigen Kasse und dann auch noch ein defektes Kartenlesegerät. Ich sollte einen Brief an die Geschäftsleitung schreiben. So geht es schließlich nicht!

„Das bezweifele ich“, erwidert die Verkäuferin unterkühlt, aber darauf bedacht, beständig zu lächeln. Das hat sie wohl im großen Der-Kunde-ist-König-Einmaleins gelesen. „Bis Sie kamen, hat es tadellos funktioniert.“

Das hätte ich an ihrer Stelle jetzt auch gesagt.

„Und wie erklären Sie sich dann, dass es bei mir aufgehört hat zu funktionieren?“

Ihr fällt es nun sichtlich schwer, ihr Lächeln beizubehalten.

„Vielleicht ist die Karte abgelaufen“, springt Svenja mir endlich zur Seite.

Ich schiele auf die MasterCard, die vor mir auf dem Verkaufstresen liegt.

„Gültig bis Februar zweitausenddreizehn“, lese ich ab.

Soviel dazu.

„Dann ist vielleicht der Magnetstreifen beschädigt“, sucht die Verkäuferin weiter nach Ausreden für ihre Unfähigkeit, einen elektronischen Zahlungsvorgang fachgerecht durchzuführen. „Ich weiß es nicht. Hören Sie, die anderen Kunden möchten auch bezahlen.“

„Das würde ich auch gerne!“

Das Lächeln ist endgültig aus ihrem Gesicht gerutscht. „Wie gesagt: Ihre Karte wird nicht akzeptiert“, erklärt sie mir überdeutlich, als wäre ich schwer von Begriff. „Würden Sie bitte zur Seite treten?“

Das hätte sie wohl gerne. Aber nicht mit mir. Ich werde diesen Laden nicht eher verlassen, bevor ich dieses Wahnsinnskleid mein Eigen nennen kann.

„Na schön“, gebe ich nach und stecke die Karte wieder ein, um meine Visa zu zücken. „Versuchen Sie es mit der.“

Mit einem widerwilligen Seufzen nimmt sie die Karte entgegen und zieht sie durch den Schlitz. Unwillkürlich halte ich den Atem an. Dann erklingt ein unangenehmes Piepen.

„Zahlungsvorgang abgebrochen“, stellt Blondie fest.

„Ha! Da haben Sie's“, triumphiere ich. „Es liegt an Ihrem Gerät.“

Ein genervtes Seufzen entschlüpft ihr, und sie prüft erneut, wie lange die Schlange der ungeduldigen Kunden inzwischen geworden ist. „Sie können auch bar bezahlen“, lässt sie mich wissen.

Spitzenidee! Was glaubt sie, warum ich ihr zwei Kreditkarten ausgehändigt habe? Weil ich das ganze Portemonnaie voll habe?!

„Ich habe kein Bargeld dabei“, knurre ich.

Langsam ist meine Geduld am Ende. Ich habe auch nicht den ganzen Tag Zeit. Schließlich muss ich noch nach passenden Highheels zum Kleid suchen!

„Soll ich dir was leihen?“, fragt Svenja.

„Quatsch“, winke ich unwirsch ab.

Es muss doch möglich sein, in einem ganz gewöhnlichen Klamottenladen mit Karte zahlen zu können! Irgendwo hinter uns ertönt die blecherne Stimme von Madonna. Cause we are living in a material world, and I am a material girl, you know that we are living ... Eine Schande, einen legendären Song wie diesen als Klingelton zu missbrauchen. Na ja. Immerhin besser als Bushido.

„Nee, ich steh bei Luxury-Fashion. Das dauert noch. Hier kann eine ihre Klamotten nicht bezahlen“, erzählt das Material Girl ihrem Gesprächspartner laut genug, damit auch ich es hören kann.

Frechheit! Was kann ich bitte dafür, dass die Aushilfen heutzutage nicht richtig angelernt werden und sie deshalb nicht einmal mehr die Grundlagen des Kassierens beherrschen?

„Wenn Sie kein Geld dabeihaben, müssen Sie eben später wiederkommen“, kommt es von der Dilettantin vor mir. Auch aus ihrer Stimme ist mittlerweile jede Freundlichkeit gewichen.

Servicewüste Deutschland. Da haben wir's mal wieder.

„Dürfte ich dann weitermachen?“ Sie wendet ihren frostigen Blick von mir ab, um ihn auf die Frau hinter uns zu richten, und setzt sofort wieder ein gehorsames Lächeln auf. „Guten Tag“, sagt sie artig und nimmt ihr die Seidenbluse aus der Hand.

Ich bin so perplex, dass ich mich widerstandslos von der nachfolgenden Kundin zur Seite schieben lasse. Mit dem Kleid in der einen und meiner Visa in der anderen Hand stehe ich da und muss fassungslos dabei zusehen, wie die inkompetente Verkäuferin in aller Seelenruhe abkassiert. Seit ich alt genug bin, um alleine einkaufen zu gehen, bin ich in einem Geschäft noch niemals so unverschämt behandelt worden. Und mit zehn Jahren Shopping-Erfahrung kann ich wirklich behaupten, schon einiges erlebt zu haben. Das hier toppt alles.

„Mia, lass uns gehen“, raunt meine Freundin mir zu. „Woanders findest du bestimmt auch irgendein Kleid.“

Herrje. Ich habe geahnt, es würde ein Fehler sein, mit Svenja einkaufen zu gehen. Sie hat für Klamotten in etwa so viel übrig wie der Papst für Verhütungsmittel. Für sie erfüllt Kleidung lediglich den Zweck, nackte Haut zu bedecken. Demzufolge würde der Inhalt ihres Kleiderschranks auch ungefähr dreimal in meinen passen.

„Ich will nicht irgendein Kleid, ich will dieses Kleid“, erkläre ich ihr. „Und ich lasse das jetzt nicht auf mir sitzen!“

Wütend drehe ich mich zurück zur Kasse und fauche: „Mich würde mal interessieren, was Ihr Vorgesetzter davon hält, wie Sie hier mit den Kunden umgehen.“

„Ich habe Sie mehrfach höflich darauf hingewiesen, dass das Problem nicht bei uns liegt“, erwidert die Ziege am Tresen störrisch. „Und ich muss Sie jetzt wirklich bitten zu gehen.“ Der Frau mit der Seidenbluse zeigt sie im Gegenzug die komplette Reihe ihrer gebleachten Zähne. „Das macht fünfundsechzig Euro fünfundneunzig.“

Eine American-Express-Karte wandert über den Ladentisch. Aha! Jetzt wird sich zeigen, bei wem das Problem liegt. Mit verschränkten Armen beobachte ich, wie die Karte durch das Gerät gezogen wird, und freue mich innerlich schon auf die reumütigen Worte, mit denen mich die Barbie hinter der Kasse gleich um Verzeihung anflehen wird. Gespannt warte ich auf das fiese Piepen der Fehlermeldung. Doch plötzlich fängt die Kasse an zu rattern und spuckt einen druckfrischen Kassenzettel aus, den die Verkäuferin mit einem schnellen Ruck abreißt und ihn der Kundin präsentiert.

„Dann bekomme ich hier eine Unterschrift.“

Mir fällt beinahe das Kleid samt Portemonnaie aus den Händen. Wieso, zum Teufel ...? Ich öffne den Mund, aber mir fällt nichts ein, was ich sagen könnte. Das übernimmt die Kassen-Schnepfe für mich.

„Sehen Sie? Mit dem Gerät ist alles in bester Ordnung.“

Wieder hole ich vergebens Luft.

„Das können Sie mir geben. Ich hänge es für Sie zurück“, fügt sie mit einem falschen Lächeln hinzu und reißt mir das Kleid förmlich aus der Hand. „Sie können gerne am Montag wiederkommen. Wenn Sie Glück haben, ist es dann noch da“, kostet sie ihren Triumph voll aus.

Endlich schaffe ich es, meinen Mund wieder zuzuklappen, während ich wehmütig dem kostbaren Stück Stoff hinterhersehe, das vor meinen Augen zurück an den Kleiderbügel wandert. Verdammt, ich war so nah dran!

„Auf Wiedersehen“, trällert sie und wünscht auch der neuen Besitzerin der Seidenbluse noch einen wunderschönen Tag.

„Ganz bestimmt nicht“, zische ich der fröhlichen Blondine zu und packe meine Freundin grob am Arm. „Komm, Svenja, wir gehen!“, betone ich übertrieben laut. „Das war das letzte Mal, dass wir hier waren!“

Ohne eine Antwort abzuwarten, zerre ich Svenja hoch erhobenen Hauptes aus dem Laden. Wenigstens gehe ich in Würde.

*

Draußen prallen wir vor eine Hitzewand. Es ist zwar noch nicht die Rede vom nächsten Jahrhundertsommer, aber wenn es so weiter geht, steuern wir geradewegs auf ihn zu. Dabei ist es erst Anfang Mai. Ein Grund mehr, weshalb ich das Kleid dringend gebraucht hätte.

„Kannst du mir bitte sagen, was das gerade war?“, frage ich Svenja aufgebracht, gegen das grelle Sonnenlicht anblinzelnd. Dummerweise habe ich meine D&G-Sonnenbrille zuhause vergessen.

„Ich habe keine Ahnung“, gesteht sie.

„Wie ist es denn bitte möglich, dass ich mit beiden Kreditkarten nicht bezahlen konnte?“

„Vielleicht war es ein unglücklicher Zufall“, gibt sie zu bedenken. „Hast du mal auf das Gültigkeitsdatum der Visa geguckt?“

Stimmt, das könnte eine Erklärung sein. Schnell hole ich mein Portemonnaie wieder heraus und kontrolliere den Aufdruck.

Enttäuscht schüttele ich den Kopf. „Sie gilt noch über zwei Jahre.“

Svenja sieht mich merkwürdig an. „Du, Mia, es könnte nicht zufällig sein, dass sie ... na ja … gesperrt sind, oder?“

Verwirrt runzele ich die Stirn. „Gesperrt? Weshalb sollten sie gesperrt sein?“

„Weil du vielleicht ... zu viel damit eingekauft hast?“

„Nicht mehr als sonst. Nein, es lag bestimmt am Lesegerät. Diese Scheißtechnik“, schimpfe ich. „Oder die blöde Tussi an der Kasse wollte das Kleid für sich selbst haben. Kann doch sein, oder nicht?“

„Sicher“, sagt Svenja, nicht besonders überzeugt.

„Weißt du was, wir probieren es aus. Wenn ich die Karte woanders benutzen kann, ist alles in Ordnung. Dann gehen wir zurück und geigen der Kuh bei Luxury-Fashion die Meinung!“

„Mia, solltest du nicht lieber ...“, setzt sie an, doch ich höre mir nicht an, was ich lieber sollte, sondern schleife sie erneut hinter mir her ins nächstbeste Geschäft.

Es ist ein Laden für Damen- und Herrenunterwäsche. Das kommt mir sehr gelegen. Dessous kann man immer gebrauchen, und außerdem wollte ich mir schon längst eine neue Garnitur zulegen. Eine Weile stöbere ich mit Svenja herum, die kaum desinteressierter wirken könnte (ich bin mir relativ sicher, dass sie in ihrem Leben nie etwas anderes als Baumwollschlüpfer getragen hat), und entscheide mich schließlich für einen fliederfarbenen BH mit schwarzer Spitze und passendem Höschen. Sehr verführerisch. Schade eigentlich, dass es zurzeit niemanden in meinem Leben gibt, der das Wäscheset entsprechend zu würdigen weiß. Trotzdem kein Grund, es nicht zu kaufen. Es ist sozusagen eine Investition in die Zukunft. Mit meiner gelangweilten Freundin im Schlepptau schlendere ich zur Kasse, an der ich es diesmal mit einem Mann zu tun habe. Mit einem koketten Lächeln lege ich BH und Slip vor ihm ab. Ein Kerl, der Dessous verkauft – das gefällt mir. Ich wette, er kennt sich super mit der Verschlusstechnik von BHs aus.

„Hallo“, begrüßt er mich freundlich.

„Hi!“

Er sieht nicht übel aus. Wenn ich es geschickt anstelle, rückt er vielleicht seine Nummer heraus, überlege ich.

„Ist der Laden hier neu?“, erkundige ich mich, um einen Smalltalk anzuleiern. Natürlich weiß ich ganz genau, dass er schon vor mindestens einem Jahr eröffnet hat, aber irgendwie muss man ja ins Gespräch kommen.

„Nein, wir sind schon lange hier“, sagt er und erwidert mein Lächeln.

„Ach, echt? Wir sind heute zum ersten Mal hier vorbeigekommen, stimmt's?“ wende ich mich an Svenja und werfe ihr unauffällig einen beschwörenden Blick zu, damit sie mitspielt.

„Ja, zum ersten Mal“, seufzt sie und verdreht nicht ganz so unauffällig die Augen.

Für meine allzeit gerne angewandten und viel erprobten Flirts hat sie genauso wenig übrig wie für meine Shoppingleidenschaft.

„Dann sind Sie nicht oft in der Stadt?“, erkundigt er sich und scannt die Preisschilder ein.

Unwillkürlich zucke ich zusammen. Ich kann es nicht ausstehen, von Angehörigen meiner Generation gesiezt zu werden. So alt sehe ich schließlich auch nicht aus. Ich verzeihe es ihm nur, weil es sein Job ist, höflich zu sein.

„Oh doch! Öfter, als es gut für mich ist“, antworte ich zwinkernd.

Er grinst. „Vierunddreißig neunzig, bitte.“

Super! Die Dessous sind nicht nur sexy, sondern auch ein echtes Schnäppchen. Bereitwillig hole ich meine MasterCard hervor und strecke sie ihm entgegen. Der Augenblick der Wahrheit. Als er die Karte ins Gerät schiebt, werde ich plötzlich doch ein bisschen nervös. Was, wenn es wieder nicht klappt? Quatsch! Es muss klappen. Es hat immer geklappt. Bis auf diese einzige Ausnahme vorhin. Die mich nicht weiter zu kümmern braucht.

Angespannt beobachte ich, wie sich auf seiner Stirn eine winzige Falte bildet und er die Karte aus dem Leser zieht, um sie erneut hineinzustecken.

„Stimmt was nicht?“, frage ich beunruhigt.

„Ihre Karte wird nicht angenommen“, erklärt er mir und sieht mich entschuldigend an.

So viel Anteilnahme hätte ich mir auch von der Luxury-Hexe gewünscht. Nur leider beschleicht mich langsam der Verdacht, die armen Verkäufer und ihre dämlichen Lesegeräte können womöglich tatsächlich nichts dafür.

„Sind ... sind Sie sicher?“, stammele ich mit einem unguten Gefühl in der Magengegend.

„Hier steht es: Karte nicht akzeptiert“, sagt er und dreht den Apparat zum Beweis zu mir um, damit ich die Anzeige im Display sehen kann.

Schlagartig wird mir übel. Okay. Ruhe bewahren. Das muss nichts heißen. Es könnte auch an der Bank liegen. Kommt doch andauernd vor, oder nicht? Wurden nicht erst neulich tausende Kreditkarten von Kunden einer großen Bank gesperrt, nur wegen eines Fehlers in deren Datenverarbeitungssystem? Ich könnte schwören, so etwas in der Art gelesen zu haben.

„Ähm ... äh ... wie ist es mit dieser?“, stottere ich und überreiche ihm die Visa.

Ich merke, wie mir der Schweiß ausbricht. Ängstlich blicke ich zu Svenja. Die hebt wieder nur ihre Schultern. Klar, sie kann mir jetzt auch nicht helfen. Bitte, bitte, bitte, flehe ich deshalb in Gedanken. Wenn es einen Gott gibt, der die Erfindung von Kreditkarten zugelassen hat, dann soll er auch dafür sorgen, dass sie überall akzeptiert werden. Welchen Sinn hätten sie denn sonst?

„Karte nicht akzeptiert“, reißt mich der schnuckelige Verkäufer aus meinen stummen Gebeten.

Auf einmal finde ich ihn gar nicht mehr so süß. Mit solch unschönen Worten kann er jedenfalls nicht bei mir landen.

„Probieren Sie es noch mal!“, verlange ich von ihm. Meiner Stimme haftet bereits ein leichter Anflug von Panik an.

Stirnrunzelnd folgt er meiner Aufforderung, doch das ändert nichts an den Tatsachen. „Es geht nicht, tut mir leid.“

Mir wird ganz schummrig. Das kann einfach nicht sein! Das ist ein schlechter Scherz. Versteckte Kamera. Und Svenja ist der Lockvogel. Darum war sie so teilnahmslos. Wieso kommt denn niemand hinter dem Ständer mit den Negligés hervorgesprungen und ruft: „Willkommen bei der Comedy-Falle!“??

„Aber ... aber das ...“ Es gelingt mir nicht, einen klaren Satz zu formulieren.

„Anscheinend wurden Ihre Karten gesperrt“, informiert mich mein Gegenüber.

Gesperrt? Schon wieder dieses hässliche Wort. Das war's. Er ist endgültig unten durch bei mir.

„Warum sollte man mir zwei Karten gleichzeitig sperren?“, frage ich eine Spur zu hysterisch.

„Das weiß ich nicht“, meint er, obwohl auch er sich dabei nicht sehr glaubwürdig anhört.

Ich zwinge mich, einmal tief durchzuatmen und mich zu sammeln. Gefasst klemme ich mir die Haare hinter die Ohren und bemühe mich um ein Lächeln. „In Ordnung. Ähm ... könnten Sie die Sachen vielleicht für mich zurücklegen?“

Schließlich kommt es auf gar keinen Fall infrage, dass ich wegen ein paar gesperrter Kreditkarten auf den Genuss verzichte, seidene Spitzenunterwäsche am Leib zu tragen.

„Selbstverständlich.“ Freundlich bleibt er wenigstens, im Gegensatz zu dieser Frau bei Luxury-Fashion, das muss man ihm lassen. „Wie lange?“

Solange, bis ich eine Ahnung habe, warum meine beiden treusten Gefährtinnen, Visa und Mastercard, mir ohne Vorwarnung die Freundschaft gekündigt haben.

„Bis Montag? Ginge das?“

„Natürlich. Auf welchen Namen?“

„Mia“, sage ich gedankenverloren. „Äh ... ich meinte, Herrlich. Mia Herrlich.“

Schmunzelnd greift er zu Stift und Papier. „Ach, das ist ja herrlich.“

Echt witzig. Den Spruch höre ich zum ersten Mal ...

Als er meine Begeisterung über seinen lahmen Gag bemerkt, räuspert er sich verlegen und kritzelt meinen Namen auf den Notizzettel.

„Bis Montag um achtzehn Uhr können Sie die Sachen abholen.“

„Vielen Dank. Bis dahin.“

„Bis dann. Und ... vielleicht sollten Sie das Geld zusätzlich bar dabeihaben. Nur zu Sicherheit“, zwinkert er mir grinsend zu.

Zum Glück sind wir schon auf dem Weg nach draußen. Meine glühenden Wangen wären nämlich nicht sehr würdevoll gewesen.

*

„Svenja, ich kapiere das nicht. Ich kann immer mit meinen Kreditkarten bezahlen, und auf einmal verweigern beide ihren Dienst? Da stimmt doch was nicht!“

Wie ein aufgescheuchtes Huhn laufe ich vor einer Bäckerei auf und ab, an der wir Halt gemacht haben, nachdem wir den Unterwäscheladen verlassen haben.

„Jetzt beruhige dich erst mal“, redet Svenja mir gut zu.

„Ich wurde meiner Zahlungsmittel beraubt! Wie soll ich mich denn da beruhigen?!“

„Du wurdest ihrer nicht beraubt. Schließlich hast du die Karten noch. Sie wurden dir allerhöchstens gesperrt.“

„Ja, eben!!“

„Okay, mal langsam. Panik hilft dir auch nicht weiter.“

Endlich bleibe ich stehen und raufe mir mit beiden Händen die Haare. Nun bin ich froh, Svenja mitgenommen zu haben. Sie verfällt jedenfalls nie in Panik. Es könnte ein Meteorit mit Lichtgeschwindigkeit auf die Erde zurasen, und sie würde erst mal eine Berechnung anstellen, wo der Eintritt am wahrscheinlichsten ist. Ich schätze, das liegt an ihrem Job. Meine Freundin ist Steuerberaterin. In ihrer Welt kann man jedes Problem lösen, wenn man nur das entsprechende Steuergesetz oder eine passende Rechenformel kennt. In meiner Welt hingegen kann man alle Probleme lösen, wenn man eine funktionstüchtige Kreditkarte besitzt. Was augenblicklich nicht der Fall ist und somit Anlass genug für mich, die Nerven zu verlieren. Nicht so Svenja. Die Zahnräder in ihrem Gehirn laufen auf Hochtouren und versuchen, eine Erklärung für meine Kreditkartenpanne zu finden. Ich beruhige mich ein wenig. Bestimmt weiß sie, was los ist. Schließlich ist sie vom Fach.

„Svenja, wie kann das sein? Die Bank hat mir nicht wirklich die Karten gesperrt, oder?“

„Offensichtlich schon.“

„Aber wieso?“

„Tja, entweder hast du das Kreditlimit erreicht, oder die Zahlungen, die du mit den Karten getätigt hast, können nicht mehr von deinem Girokonto abgebucht werden, weil du deinen Dispo ausgeschöpft hast“, erklärt sie mir in bester Expertinnenmanier.

Entsetzt starre ich sie an. Kreditlimit erreicht? Dispo ausgeschöpft? Mir wird schwindelig. Habe ich mein Konto zu sehr strapaziert? Bin ich mit meinem Dispo tatsächlich am Ende? Die Wahrheit ist: Ich weiß es nicht. Ich habe seit Monaten kein Online-Banking mehr betrieben, geschweige denn einen Kontoauszug gedruckt. Beim letzten Mal zeigte er mir definitiv zu viele rote Zahlen an, und das dicke Minus vor dem Endbetrag war auch nicht gerade aufmunternd. Mit der nächsten Gehaltsabrechnung wird schon wieder alles im grünen Bereich sein, habe ich mir damals gedacht. Aber danach habe ich mich nicht mehr getraut nachzusehen. Mit Grauen muss ich plötzlich an all die ungeöffneten Rechnungen denken, die ich in meiner Küchenschublade verstaut habe. Bei Gelegenheit wollte ich sie unbedingt einmal durchsehen, nur ist mir irgendwie immer etwas dazwischengekommen. Und die letzten Abrechnungen von MasterCard und Visa? Wie hoch waren die noch gleich? Habe ich sie mir überhaupt angeguckt? Daran kann ich mich nicht erinnern. Ich habe die starke Vermutung, dass ich auch dazu nicht gekommen bin.

„Nein, das kann nicht sein“, bestreite ich, um mir selbst Mut zu machen. „Soweit habe ich mein Konto nicht überzogen.“

„Bist du dir sicher?“ Svenja durchbohrt mich mit ihrem Steuerberaterinnen-Blick, mit dem sie garantiert jeden Mandaten dazu bringen kann, ihr seine Hinterziehungssünden zu beichten.

Nervös kaue ich auf meiner Lippe herum. „Ziemlich“, entgegne ich vage.

„Mia, du solltest zur Bank gehen und das klären. Die können dir sofort sagen, was der Grund für die Sperrung ist und dich beraten, falls du dein Limit überschritten hast.“

„Auf keinen Fall!“, entfährt es mir.

Ein Gespräch mit der Bank ist das Letzte, wonach mir gerade der Sinn steht.

„Und warum nicht?“

„Es ist Samstagmittag“, wende ich ein. „Die Bank hat sicher geschlossen. Oder die Berater haben längst Feierabend.“

Svenja runzelt skeptisch die Stirn.

„Außerdem kenne ich nicht mal meinen Kontostand“, füge ich hinzu. „Da kann ich doch nicht die Pferde scheu machen.“

Vorwurfsvoll zieht sie die Augenbrauen hoch. „Wie wäre es dann, wenn du mal einen Kontoauszug druckst?“

„Ja, das könnte ich machen“, sage ich gedehnt, während ich das Schaufenster von Dernier Crie mustere, in dem die neue Herbstkollektion ausgestellt ist. Die muss ich mir beizeiten genauer ansehen.

„Na, dann los. Da vorne ist eine Sparkasse.“ Svenja versperrt mir mit einer wegweisenden Handbewegung die Sicht auf das todschicke Strickkleid.

„Das kann ich auch morgen noch machen“, gebe ich zu Bedenken, wobei ich versuche, einen Blick auf das Preisschild unter dem Kleid zu erhaschen.

„Genauso gut kannst du es jetzt machen, wo wir schon einmal hier sind.“

Manchmal übertreibt sie es echt mit ihrer vernünftigen Art. Widerwillig gebe ich nach und schlappe hinter ihr her. Auf dem Weg zum SB-Center nehme ich mir vor, einen kühlen Kopf zu bewahren. Wie schlimm kann es schon sein? Klar, ich habe eventuell in den vergangenen Monaten ein wenig über die Stränge geschlagen, was meine Einkäufe angeht. Möglicherweise bin ich deswegen in einen klitzekleinen finanziellen Engpass geraten. Aber solche Phasen hat jeder mal, richtig? Bis zu meinem nächsten Gehalt lebe ich einfach ein bisschen sparsamer. Kann doch nicht so schwer sein. Esse ich halt mal weniger. Das schadet meiner Figur auch nicht gerade. Und ehe ich mich's versehe, werden meine Kreditkarten wieder freigegeben, und alle Aufregung war umsonst.

Beim Betreten des Sparkassenfoyers habe ich fast wieder gute Laune. Ohne langes Federlesen trete ich zum Kontoauszugdrucker und lasse meine EC-Karte von ihm verschlucken. Gefräßig zieht er ein Blatt Papier nach dem nächsten ein und will überhaupt nicht mehr damit aufhören. Logisch – es geht um Umsätze von Wochen. Da ist es natürlich nicht mit ein, zwei Seiten getan. Als das Gerät nach über einer Minute immer noch arbeitet, wird es allerdings ein wenig peinlich. Die Leute hinter mir gucken schon komisch.

„Wie lange, sagtest du, hast du keine Auszüge gedruckt?“, erkundigt sich Svenja mit gekräuselter Stirn.

„Eine Weile“, weiche ich aus.

Endlich schießt meine Karte aus der Öffnung. Schnell ziehe ich sie heraus und verbrenne mir fast die Finger, so heiß gelaufen ist sie. Dann kommt ein ganzer Packen Auszüge zum Vorschein, und ich presse die losen Blätter an meine Brust.

„Gehen wir raus“, zische ich Svenja zu.

„Und, wie sieht es aus?“, drängt sie, kaum stehen wir wieder vor der Tür.

Die Auszüge halte ich immer noch schützend an mich. Um ehrlich zu sein, bin ich nicht besonders scharf darauf zu erfahren, wie „es“ aussieht. Leider fällt mir keine Ausrede mehr ein, warum ich das Unvermeidliche länger hinauszögern sollte. Also schön. Am besten, ich gucke ganz schnell auf die letzte Seite, dann habe ich es hinter mir. Wie beim Pflasterabziehen: Kurz und schmerzlos. Ich atme tief ein und riskiere einen Blick auf die Zettel in meiner Hand. Dort lese ich nur einen einzigen Satz.

Ihr Kontostand am 7.5. um 11:32 beträgt: - 4.889,73 ,-

Auf der Stelle wende ich meine Augen wieder ab. Das kann nicht sein! Fast fünftausend Euro im Minus?? Niemals! Ich muss mich verlesen haben. Da stand bestimmt vierhundert, und mit dem Komma bin ich vor lauter Aufregung irgendwie verrutscht.

„Was ist? So schlimm?“, dringt Svenjas Stimme wie durch Watte zu meinen Ohren.

„Nein, nein. Alles in Ordnung“, sage ich abwesend.

Okay, ich sehe jetzt noch einmal ganz genau nach. Dann wird sich alles aufklären. Und ich kann guten Gewissens zur Bank gehen und denen für diese grundlose Sperrung den Marsch blasen! Ganz vorsichtig nehme ich mir den Papierstapel ein zweites Mal vor. Bedauerlicherweise ist das Komma innerhalb der letzten fünf Sekunden nicht wie durch ein Wunder eine Stelle vorgerückt. Die Zahl, die mich vorwurfsvoll anstiert, bleibt dieselbe:

- 4.889,73 ,-

Da steht es schwarz auf weiß. Irrtum ausgeschlossen.

Mein Herz fängt an zu rasen. Wie ist das möglich? So viel kann ich gar nicht ausgegeben haben. Daran würde ich mich erinnern!

„Du siehst nicht aus, als ob alles in Ordnung wäre“, stellt meine Freundin treffenderweise fest. „Darf ich mal sehen?“

Sie macht Anstalten, mir die Auszüge zu entwenden.

„Nein!“, rufe ich ein paar Dezibel zu laut und verstecke die Zettel vorsorglich hinter meinem Rücken. „So schlimm ist es nicht“, behaupte ich etwas leiser.

„Mia!“ Streng sieht sie mich an. „Ich mache seit Jahren deine Steuererklärung. Ich weiß, dass es um deine Finanzen nicht gerade rosig bestellt ist. Also, wie viel hast du auf dem Konto?“

Ich schlucke. Es ist sinnlos, Svenja etwas vorzumachen. Dazu ist sie zu scharfsinnig. „Nicht viel“, gestehe ich zögerlich.

Gar nichts, könnte man auch sagen.

„Ist dein Dispo überschritten?“

„Etwas.“

Etwas viel, um genau zu sein.

Sie stöhnt. „Mensch, Mia! Wieso musst du auch ständig so viel kaufen?“

Da haben wir es mal wieder. Svenja ist einfach viel zu anständig. Sie könnte ohne mit der Wimper zu zucken Sätze wie „Glück kann man nicht kaufen“ verlauten lassen. Ich meine, wer das behauptet, hat keine Ahnung von Shopping. Man kann mit ihr wirklich jede Menge Spaß haben. Ehrlich, ich habe Svenja wahnsinnig gern. Aber was Finanzen betrifft, ist sie eine absolute Spielverderberin. Seit sie ihr eigenes Geld verdient, hat sie schätzungsweise noch niemals einen Spontankauf getätigt. Bei ihr will jede Anschaffung genauestens überdacht, jede Investition auf ihre Vor- und Nachteile geprüft werden. Sie legt jeden Monat zehn Prozent ihres Einkommens auf ein Sparkonto und ist die einzige mir bekannte Person unter dreißig, die einen Bausparvertrag besitzt. Wenn ich nicht wüsste, dass sie nur von Berufs wegen ein wenig risikoscheu ist, würde ich sie wegen ihres Sicherheitsdenken für ernsthaft therapiebedürftig halten.

„Das war ich nicht!“, verteidige ich mich jetzt trotzig.

„Wer denn sonst? Deine böse Zwillingsschwester?“, spottet sie.

„Im Ernst. So viel kann ich nicht gekauft haben!“ Plötzlich fällt mir eine simple und zugleich ungeheuerliche Erklärung ein. „Jemand muss mir meine Sparkassen-Karte gestohlen haben und damit hemmungslos Geld ausgegeben haben!“

„Ach ja? Und wie kommt es dann, dass du die Karte noch hast?“

„Danach hat er sie zurück in mein Portemonnaie geschmuggelt.“

Einleuchtend, oder nicht?

Svenja verdreht erneut die Augen. „Daran glaubst du doch selbst nicht.“

Und ob! Wir leben in Zeiten von Datenklau und Internetkriminalität. Wer kann da einen derart dreisten Betrug schon ausschließen?

„Hier, ich werde es dir beweisen“, verkünde ich und zücke die Kontoauszüge.

Garantiert lassen sich unerklärliche Abbuchungen darauf finden, die ich nie und nimmer selbst verursacht habe. Fahrig blättere ich durch die einzelnen Seiten.

3.3.

Bücher Fuchs - 37,95 ,-

5.3.

Feinkost Hagen - 45,83 ,-

6.3.

Sunstation Sonnenstudio - 29,90 ,-

So weit, so gut. Zu diesem Zeitpunkt muss die Karte noch in meinem Besitz gewesen sein. Im Buchladen habe ich ein Geschenk für Papa gekauft. Im Feinkostgeschäft hatten sie ein Supersonderangebot: einen Gourmetkorb mit schwarzen Nudeln, Olivenpesto und passendem Wein. Da musste ich einfach zuschlagen. Und der Besuch im Sonnenstudio war eine absolute Ausnahme, weil ich auf einem Geburtstag eingeladen war und nicht käseweiß in einem rückenfreien Kleid auftauchen wollte. Ich überschlage ein paar Seiten und lese weiter:

12.4. Marcello's - 26,32 ,-

„Ha! Da habe wir's!“, rufe ich aus. „Am zwölften April hat mir Marcello's sechsundzwanzig Euro abgebucht. Wer oder was soll das denn bitte sein, hm?“ Triumphierend sehe ich Svenja an.

Sie bleibt vollkommen ungerührt. „Marcello's ist das italienische Restaurant in der Marktstraße. Wir haben dort zusammen zu Mittag gegessen.“

Oh.

Stimmt.

Schön, dann eben die nächste Seite.

28.4.

Sparkauf Supermarkt - 89,42 ,-

28.4.

Reiseland – Koffer und Taschen - 132,99 ,-

29.4.

Schröder Baumarkt - 69,95 ,-

30.4.

Blumen Jansen - 25,89 ,-

Na also! Der Dieb ist enttarnt! Sparkauf und Reiseland gehen auf meine Rechnung. Für einen gefüllten Kühlschrank muss schließlich gesorgt sein, und dieses Kofferset, das sie im Schaufenster stehen hatten, wird sich in meinem nächsten Urlaub ganz bestimmt bezahlt machen.

„Was ist hiermit? Schröder Baumarkt. Hallo? Ich habe in meinem ganzen Leben noch keinen Fuß in einen Baumarkt gesetzt. Und Blumen Jansen? Warum sollte ich für fünfundzwanzig Euro Blumen kaufen? In meiner Wohnung steht keine einzige Pflanze!“, erinnere ich sie.

Die brauchen viel zu viel Aufmerksamkeit und Pflege, und für so etwas habe ich nun wirklich keine Zeit.

Svenja scheint zu zweifeln. Jedenfalls hat sie diesmal keine passende Erklärung parat.

„Jemand muss sich auf meine Kosten ein ganzes Blumenbeet zusammengekauft haben und im Baumarkt farblich dazu abgestimmte Gartenmöbel!“, ereifere ich mich.

„Moment mal, hast du nicht letztens erzählst, du hättest dir einen Liegestuhl gekauft?“

„Ja, aber ...“ Ich stocke.

Ups. Der Liegestuhl. Den hatte ich vergessen. Er war bei Schröder reduziert.

„Ja, du hast recht“, gebe ich zerknirscht zu. „Aber die Blumen?“, klammere ich mich an den letzten Strohhalm, obwohl es inzwischen auch mir etwas unwahrscheinlich erscheint, dass jemand meine Karte gestohlen hat, bloß um damit seiner Gärtnerleidenschaft zu frönen.

„Keine Ahnung. Hatte vielleicht jemand Geburtstag?“

Kurz denke ich nach, denn fällt der Groschen.

„Mein Chef“, presse ich hervor. „Ich habe mich bereiterklärt, das Geschenk zu besorgen. Das Geld habe ich später wiederbekommen.“

„Siehst du. Niemand hat mit deiner Karte eingekauft. Das warst du selbst.“

Seufzend schlage ich wieder die letzte Seite auf und werfe noch einmal einen Blick auf die fürchterliche Summe unter dem Strich. Minus viertausendachthundertneunundachtzig Euro und dreiundsiebzig Cent. Nicht mehr und nicht weniger. Das bedeutet, ich habe meinen Dispo bereits um über hunderte von Euro überzogen, und mit jeder Abbuchung wird es mehr werden.

„Oh Gott“, stöhne ich und fange an, meine Schläfen zu massieren.

Mein Kopf fühlt sich an, als würde er in einem Schraubstock stecken. Wahrscheinlich ein Migräneanfall. Nicht dass ich je einen gehabt hätte, aber bei dem Kontostand würde es mich nicht wundern.

„Ich will ja nichts sagen, aber ...“, setzt Svenja an, was zweifellos gelogen ist, denn natürlich will sie etwas sagen.

„Ja, ich weiß“, unterbreche ich sie. „Ich muss meine Miesen wieder ausgleichen.“

Und die offenen Rechnungen bezahlen, die ich zuhause deponiert habe. Und mich um die Freigabe der Kreditkarten kümmern.

„Du solltest wirklich dringend zur Bank“, rät sie mir eindringlich. „Die wissen, was zu tun ist.“

Wohl kaum! Sonst hätten sie mir nicht die Kreditkarten gesperrt. Leuten, die so etwas Grausames tun, kann man nicht über den Weg trauen!

„Ja, klar“, schnaube ich verächtlich.

Leider scheint ihr meine Ironie zu entgehen. „Ich komme gerne mit.“

Um Himmels willen, das fehlte mir noch!

„Nein, nein. Musst du nicht. Das kriege ich auch allein hin.“

„Es würde mir nichts ausmachen.“

Darauf wette ich. Sie fühlt sich in jeder Bank wie zuhause.

„Lieb von dir, aber ich würde das gern lieber selbst regeln.“

„Na gut, wie du meinst“, sagt sie, beinahe eine Spur enttäuscht. „Trotzdem, wenn du Hilfe brauchst, ruf mich an. Du weißt ja, ich kenne mich aus“, zwinkert sie.

Ich lächele matt. „Mach dir keine Sorgen. Noch sitze ich nicht auf der Straße.“

Svenja lacht. „Dann sieh zu, dass es dabei bleibt.“

Wir umarmen uns zum Abschied.

„Ruf an, wenn es was Neues gibt, ja?“

„Klar“, versichere ich.

Das muss schließlich nicht zwangsläufig „was Neues in Sachen Kontoüberziehung“ heißen.

Ich sehe ihr nach, bis sie um die nächste Ecke verschwunden ist, und warte noch eine Weile, dann schlage ich ebenfalls den Weg zu meinem Auto ein. Ich habe nicht vor, einen Bankberater aufzusuchen. Das wäre einfach übereilt. Diese kleine Finanzkrise werde ich schon irgendwie in den Griff bekommen. Gut, ich habe keine Schimmer, wie ich das anstellen soll. Aber ich habe ja noch das halbe Wochenende, um mir ausgiebig darüber Gedanken zu machen ...

Kein Geld ist auch (k)eine Lösung

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