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Griesgram und Sonnenkind wohnen Tür an Tür.

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Schon die Temperamentsfrage lässt allerdings Zweifel aufkommen, ob wirklich »die anderen« schuld sind am Alltagsfrust. Der eine Kollege im Büro hat die berüchtigte kurze Lunte und geht schon bei Kleinigkeiten an die Decke. Eine Kollegin dagegen lächelt die gleichen Ärgernisse einfach weg. Bereits die Antike unterschied den reizbaren Choleriker vom gleichmütigen Phlegmatiker, den grüblerischen Melancholiker vom heiteren Sanguiniker. Die Bereitschaft der Menschen, sich zu ärgern, ist ganz offensichtlich unterschiedlich, auch wenn wir heute Persönlichkeit differenzierter sehen als die antiken Philosophen (vgl. dazu Kapitel 2). Dass die Neigung zum Ärgern unterschiedlich ist, führen uns ja auch die Griesgrame und Sonnenkinder in unserem Umfeld vor Augen. Für die ersten ist die Welt eine einzige Provokation, für die zweiten ein Geschenk. Dabei kann kein Zweifel daran bestehen, dass beide auf demselben Planeten leben, manchmal sogar Tür an Tür oder Büro an Büro. Entscheidend ist neben der Persönlichkeit auch die Tagesform. An manchen Tagen kann uns vermeintlicher Ärger nichts anhaben, an anderen sind wir dünnhäutiger. Wer frisch verliebt ist, dem ist ein unfreundlicher Busfahrer ziemlich egal. Doch wer sich am Frühstückstisch schon gezofft hat, nimmt dasselbe Verhalten womöglich sehr persönlich.

Der Zwilling des Ärgers ist der Wunsch, die oder der andere möge sich ändern, sich doch bitte schön unseren Vorstellungen anpassen, etwas freundlicher, ordentlicher, zuverlässiger, rücksichtsvoller, schneller, langsamer, weniger empfindlich und dergleichen mehr sein. Die Liste ließe sich endlos verlängern. Doch wäre wirklich alles gut, wenn Monis Mann ab sofort die Socken zum Wäschekorb trüge und die Handtücher ordentlich aufhängte? Aller Wahrscheinlichkeit nach gäbe es auch dann noch genügend andere Ärgernisse. Und geht es bei der ganzen Sache tatsächlich nur um Schmutzwäsche und ein ordentliches Badezimmer? Der eigentliche Auslöser des Ärgers sind ja nicht Socken oder Handtücher am falschen Platz, sondern das, was Moni hineininterpretiert, ihre Bewertung: dass Jens keine Rücksicht nimmt, sich darauf verlässt, dass sie hinter ihm herräumt, oder Ähnliches. »Wenn du mich wirklich liebtest, würdest du gern Knoblauch essen« heißt ein Buch des bekannten Philosophen Paul Watzlawick, der sich intensiv damit beschäftigt hat, wie jeder von uns seine eigene Wirklichkeit konstruiert, also auf typische Weise interpretiert (zum »Konstruktivismus« später mehr). Auf diese Weise taugt sogar Knoblauch als Liebesbeweis und eine schmutzige Socke als Kriegserklärung. Einen Gefallen tun wir uns damit nicht.

Wer sich regelmäßig ärgert und aufregt, schadet damit am allermeisten sich selbst. Man kann sich tatsächlich krankärgern, wie Ärzte wissen. Und dabei geht es nicht nur um Magengeschwüre, sondern auch um Verspannungen, Rücken- oder Kopfschmerzen, Bluthochdruck, Schlafstörungen oder Herzprobleme. Wenn wir uns ärgern, schüttet unser Gehirn Stresshormone (z. B. Adrenalin, Kortisol) aus. Geschieht das häufig und gelingt es uns nicht, den Stress wirksam abzubauen, werden wir krank. »Wer öfter ausrastet, ist früher tot«, schreibt die Wirtschaftswoche unter Berufung auf eine Metastudie von US-Forschern, die etliche Untersuchungen aus fünf Jahrzehnten zusammenfasst und einen Zusammenhang zwischen »intensiven negativen Emotionen« und einem erhöhten Risiko für Herzinfarkte, Schlaganfälle und andere ernste Erkrankungen herstellt.1 Das heißt natürlich nicht, dass jeder morgen umkippt, der sich heute zu viel geärgert hat. Es zeigt aber, dass ein Leben, in dem wir uns weniger über andere aufregen und uns seltener wünschen, sie wären anders, nicht nur schöner, sondern auch gesünder ist.

Warum es Bullshit ist, andere ändern zu wollen

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