Читать книгу For that Moment - Nena Muck - Страница 12

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Kapitel 6

Die beiden sind auf dem Rücksitz eingeschlafen, obwohl er das Radio voll aufgedreht hat. Mir soll es recht sein, ich hab keine Lust mehr, mit ihm zu diskutieren.

Es ist nur eine kurze Fahrt bis zum Wohnheim und als wir angekommen sind, steigt er wortlos aus. Ich versuche, Hailee zu wecken, doch das dauert ihm wahrscheinlich zu lange, denn er lehnt sich zur Fahrerseite rein und drückt auf die Hupe. Beide schrecken auf.

»Raus jetzt!«, ruft er und die beiden steigen, ohne etwas zu sagen, aus.

Das Wohnheim ist moderner, als ich dachte. Es ist auf jeden Fall ein Neubau und umfasst bestimmt mehr als hundertfünfzig Studentenwohnungen. Die Eingänge sind in bestimmten Abständen getrennt und wir gehen alle in denselben.

Während Hailee und ich uns noch von Alex verabschieden, biegt er stumm in den Gang ab, der nach links führt.

Alex und Hailee umarmen sich ziemlich lang und ich freue mich für sie, habe aber gleichzeitig ein schlechtes Gewissen. Wenn ich nicht wäre, hätte das zwischen den beiden heute sicher nicht hier geendet.

Das Zimmer – oder besser gesagt die Wohnung – hat überhaupt nichts mit meiner Vorstellung einer Studentenbude gemeinsam.

Es ist ein riesengroßes Zimmer, mit einer Küchenzeile, einer Ecke für ihren Schreibtisch, einem Bad und als ich die Schuhe ausziehe, bemerke ich tatsächlich eine Fußbodenheizung.

So lässt es sich auf jeden Fall aushalten.

Ich entferne mein Make-up und putze mir die Zähne, zum Glück hatte Hailee noch eine Zahnbürste auf Reserve.

Anschließend benutze ich eine von ihren hundert Cremes, die sich als Wundercreme entpuppt. Sie ist wie ein Zauberstab und hinterlässt einen natürlichen Schimmer auf der Haut.

Ich sehe besser aus als vorher, die brauch ich ganz dringend auch.

Es ist halb fünf Uhr morgens und Hailee ist sofort eingeschlafen.

Ich versuche, die Augen zu schließen, doch ich merke nach zehn Minuten, wie zwecklos es ist. Es überrascht mich nicht, dieser Tag war wirklich nervenaufreibend und die Begegnung mit diesem Idioten liegt mir schwer im Magen. Der Red Bull und der zeitgleiche Hunger machen es nicht besser. Ich hätte in der Bar auch was essen sollen.

Als Hailee anfängt zu schnarchen, gebe ich auf und rolle mich vorsichtig vom Bett.

Nachdem ich mich wieder angezogen habe, schleiche ich aus dem Zimmer. Von hier bis zu der Bar, an der mein Auto steht, ist es nicht weit und ein kleiner Spaziergang tut mir sicher gut.

Doch dann halte ich inne, denn mir fällt ein, dass irgendwo hinter diesem Wohnheim ein wunderschönes Fleckchen Erde liegt.

Ich habe es entdeckt, als ich damals im Krankenhaus war.

Von dem Park aus führte ein kleiner versteckter Weg über eine wunderschöne Frühlingswiese direkt zu diesem atemberaubenden Aussichtspunkt. Man kann von dort aus über die gesamte Stadt schauen. Wenn ich einen Weg hinter das Wohnheim finde, müsste es dort irgendwo sein.

Selbstverständlich ist das gesamte Gelände von einer dicken, weißen Mauer umzäunt, was die Suche schwieriger gestaltet als gedacht.

An einer Stelle steht ein großer Abfallbehälter.

Wenn ich dort draufsteige, müsste ich es über die Mauer schaffen.

Ich drapiere mich, elegant wie ein Panther oder viel mehr wie ein müdes Faultier, über die Mauer und hoffe bei Gott, dass mich niemand dabei beobachtet.

Anschließend folge ich der Mauer auf der gegenüberliegenden Seite und komme zu einer Böschung, die durch Laubsträucher und kleine Bäume verdeckt ist.

Als ich mich durch diese hindurchgekämpft habe, gelange ich tatsächlich an diesen traumhaften Ort.

Es ist genauso schön wie in meiner Erinnerung.

Nein sogar noch besser, denn die Sonne geht gerade auf und taucht das darunterliegende Tal in ein atemberaubendes Farbenspiel aus dunklem Violett bis hin zu zartem Rosa. Die Farben verschwimmen zwischen den dünnen Schleierwolken, hinter denen sich die orangefarbene Sonne für den Tag bereitmacht und beginnt jeden Zentimeter dieses unglaublichen Panoramas zu erleuchten.

Es ist ein Bild, welches man weder malen noch durch eine Beschreibung oder Fotografie wiedergeben kann. Es ist das Glücksgefühl, das einen durchströmt, der Geruch nach frischem Tau und das beginnende Vogelgezwitscher, was diesen Moment so einzigartig macht.

Eine kühle Sommerbrise jagt mir eine Gänsehaut über den Körper. Ich hätte mir von Hailee eine Jacke borgen sollen, was nicht nötig gewesen wäre, wenn dieser Arsch meine nicht weggeworfen hätte.

Ich schiebe den Gedanken an ihn beiseite, nicht jetzt! Nicht hier!

Ich verbinde die Kopfhörer, die ich von Hailees Schreibtisch gemopst habe, mit meinem Handy und setze mich an einen großen Stein, der aussieht, als wäre er dafür gemacht.

Ich atme tief durch und versuche einfach diesen Anblick zu genießen, während mir Billie Eilish das Lied Listen before i go vorsingt.

Ich weiß, es ist ein wehmütiges Lied, aber es passt einfach zu diesem Moment, denn manchmal bringt Musik das zum Ausdruck, was man selbst nicht in Worte fassen, aber auch unmöglich verschweigen kann.

Also mache ich es lauter und lehne mich an den Stein.

Meine Gedanken stehen fast still, als sich das Licht verändert und einen Schatten wirft. Ich drehe mich so schnell rum, dass ich mir mein Knie an dem Stein aufschlage. Autsch.

Mein Gesicht ist schmerzverzerrt, als ich nach oben schaue.

Das ist doch nicht wahr?!

Vince!

Er steht einfach da! Umsäumt von den unglaublichen Farben des Sonnenaufgangs, während das Orange hinter seinem Kopf dafür sorgt, dass er aussieht wie ein verfluchter Engel. Wie kann man so etwas Boshaftes nur in so etwas Schönem verstecken?

Er bewegt die Lippen und ich brauche einen Moment, um zu begreifen, warum ich ihn nicht höre. Obwohl eine Stummtaste in seinem Fall sicher nicht die schlechteste Idee wäre!

Ich ziehe die Kopfhörer aus dem Ohr und prompt folgt ein:

»Starr mich gefälligst nicht so an!«

Ich atme hörbar aus. »Kann ich dir irgendwie helfen?«

Er sieht mich mit zusammengezogenen Augenbrauen an.

»Was machst du hier?!«

Ich schüttle verwirrt den Kopf. »Wonach sieht es denn aus?!«

Er kommt auf mich zu und brummt: »Scheiße, es sieht aus, als würdest du dir den Tod holen!«

»Tja, meine Jacke wurde leider.«, doch bevor ich den Satz zu Ende bringe, streift er seine Lederjacke ab und legt sie mir über die Schultern. Im Ernst?!

Ich schaue ihn an, als wäre er ein Gespenst, das über mir schwebt.

Aber anstatt mich anzuschreien, dass ich aufhören soll ihn anzustarren, oder mir einen seiner vielsagenden, grimmigen Blicke zuzuwerfen, sieht er nur zurück. Sein Gesicht ist weich, genau wie seine Augen, sie sind noch viel schöner, wenn sie nicht ganz so bedrohlich wirken.

Überrascht von meinen eigenen Gedanken wende ich den Blick ab und er richtet sich auf.

»Deine Jacke wurde was?«, grinst er, aber nur halb so teuflisch wie sonst. Wie sonst? Du kennst ihn seit ein paar Stunden!

»Es wurde mir nahegelegt, dass es wohl besser wäre mich von ihr zu trennen!«, sage ich schließlich, ohne den Blick von dem Panorama abzuwenden.

Es ist so friedlich hier, ich möchte mich wirklich nicht streiten.

»Möchtest du allein sein?«

Wie bitte… was?

Ich sehe zu ihm hoch, sein Blick ist so intensiv, dass ich meinen sofort wieder auf den Sonnenaufgang wende.

»Okay, schon klar!«

Er dreht sich rum und will tatsächlich gehen?!

»Hey, nein. Quatsch, du musst nicht gehen!«, sage ich schnell.

Zu schnell. Verdammt.

Er macht eine dramatische Kehrtwende und kommt mit einem unbezahlbaren Lächeln auf mich zu. Was soll denn das?

Ich sehe ihn skeptisch an, als er sich direkt neben mich setzt.

»Was ist denn los, Maria? Verwirrt dich irgendwas?«

Auch wenn er mich Maria genannt hat, seine Stimme ist so freundlich und gut gelaunt, dass es mir beinahe Angst macht. Was hat er vor?

»Ja, du!«, gebe ich zu.

»Wieso das denn?« Da ist das teuflische Grinsen wieder, aber auch das wirkt irgendwie… anders!

»Vor ein paar Stunden hast du noch gesagt, dass du mich nicht ausstehen kannst und jetzt setzt du dich freiwillig zu mir?.«

Mein Tonfall ist immer noch skeptisch.

»Also zunächst mal, hast du mich ja gerade praktisch angefleht hierzubleiben!« Er zieht selbstverliebt die Augenbrauen hoch.

»Oh, da ist er ja wieder!«, unterbreche ich ihn, während ich trotzig ein Stück wegrutsche. »Und ich hab mir schon Sorgen gemacht!«

Er schaut belustigt auf den Platz, der nun zwischen uns entstanden ist und rückt ohne mit der Wimper zu zucken nach.

»Dir ist doch klar, dass das hier mein Stein ist! Und du wirst hier lediglich geduldet! Also schlage ich vor, dass du lieber etwas netter zu mir bist!« Er kratzt sich übertrieben am Kinn.

»Dein Stein?«, frage ich belustigt.

Er nickt und deutet auf die untere Stelle des Steins. Ich fasse es nicht, dort sind tatsächlich seine Initialen eingeritzt.

V. K

»Oh mein Gott!«, fange ich an zu lachen.

Er hebt zufrieden die Schultern und lacht ebenfalls. Es ist kein böses, gehässiges Lachen, sondern ein echtes? Ist es echt?

»Wieso bist du auf einmal so nett zu mir?« Ich muss es einfach fragen.

»Weil du gerade mal keine sture Zicke bist!« Er stößt mir leicht den Ellenbogen in die Seite.

»Mmhh!«, brumme ich.

»Du bist also öfter hier?« Ich deute auf die Gravur, doch er zuckt nur vage mit den Schultern, während er weiter geradeaus schaut.

Nach ein paar Sekunden sieht er mich an.

»Müsstest du um diese Zeit nicht längst im Bettchen sein, Maria? Ich meine, alkoholische Getränke und durchzechte Nächte mit wildfremden Männern!« Er schüttelt übertrieben den Kopf. »Das sieht Daddy bestimmt gar nicht gern!«

Er will mich herausfordern, aber ich bin zu müde und erschöpft.

»Könntest du das lassen?«

»Was denn, Maria?«, neckt er mich.

»Genau das! Du weißt, dass ich es nicht mag, wenn du mich so nennst!«

Er grinst vor sich hin. »Dann war dir Maria-Magdalena lieber?«

Er beißt sich auf die Unterlippe, um nicht lachen zu müssen.

Er kann es nicht lassen!

»Vergiss es einfach!«

Ich stehe so ruckartig auf, dass es mich selbst überrascht, aber nicht halb so sehr, wie die Tatsache, dass er mich am Handgelenk zurückhält. Seine Berührung jagt ein Kribbeln über meinen gesamten Arm.

Als er zu mir nach oben sieht, blitzt etwas in seinen Augen auf, was ich nicht deuten kann und er lässt sofort los.

»Es tut mir leid!«, murmelt er kaum hörbar.

»Na, wie schmeckt denn dieser Satz aus deinem Mund?«, frage ich stichelnd.

»Wie Essig!«, gibt er spöttisch zurück und haut auf die Stelle neben sich, um mir damit zu sagen, dass ich wieder Platz nehmen soll.

Und auch wenn es eine Million Gründe gibt, warum ich genau das nicht tun sollte, setze ich mich.

Wir beobachten gemeinsam die aufgehende Sonne, deren Anblick von Sekunde zu Sekunde atemberaubender wird, als plötzlich mein Magen knurrt. Und zwar mehr als hörbar.

Peinlich!!

»Verdammt, was war das?«, setzt er sich lachend auf.

»Mein Magen!«, antworte ich verlegen.

»Dein Magen?«, zieht er mich auf. »Großer Gott, das klang, als würde jede Sekunde ein wütender Grizzly aus der Böschung springen!«

Und er fängt wieder an, herzhaft zu lachen.

Es ist echt und beinahe kindlich. Es klingt wirklich wunderschön.

For that Moment

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