Читать книгу For that Moment - Nena Muck - Страница 17
ОглавлениеKapitel 11
Als wir losfahren, dröhnt direkt die Musik einer Rockband aus den Lautsprechern, doch zu meiner Überraschung macht er es sofort leiser.
»War ja klar!«, spotte ich.
»Was?«
»Dass du diese Art von Musik hörst!«
»Was hast du gegen die Musik?«, fragt er überrascht.
»Gar nichts! Ich hatte schon immer eine Vorliebe für Männer, die mich anbrüllen!«, necke ich.
»Spüre ich da etwa Sarkasmus?«
»Oh, nein! Ich würde es niemals wagen, den Meister der Ironie herauszufordern!«, gebe ich schnippisch zurück.
»Schön, dass wir uns wenigstens in einem Punkt einig sind! Ich habe hier gerade leider keine CD von Taylor Swift rumliegen. Sorry!«
Er zuckt bedauernd mit den Schultern.
»Oh, wirklich nicht? Das ist aber schade!«, scherze ich.
»Nein, mal ehrlich, es interessiert mich wirklich brennend, was du für gute Musik hältst? Ich meine abgesehen von irgendwelchen depressiven Schnallen mit Selbstmordgedanken!«
Nette Anspielung auf Billie Eilish.
Ich überlege einen Moment.
»Kann ich jetzt so genau gar nicht sagen!«
Ich schüttle leicht den Kopf.
»Wie, du weißt es nicht?«
Er runzelt die Stirn.
»Ich habe eigentlich keine bestimmte Lieblingsmusikrichtung oder ein Lieblingslied, zumindest fällt mir gerade keins ein! Obwohl doch …«
Ich halte einen Moment inne.
»Joseph Arthur-Honey and the Moon, das ist ein schönes Lied!«
»Kenn ich nicht!«
»Das tun die wenigsten, es kam damals in der ersten Folge einer Serie, die ich gern gesehen habe!«
»Welche Serie?«
Es ist mir für den ersten Moment etwas peinlich, weil ich sicher bin, dass er sich darüber lustig macht, doch ich habe sie wirklich geliebt, deshalb gebe ich es einfach zu. »OC-California!«
Ich ziehe die Augenbrauen zusammen und sehe verlegen aus dem Fenster, währender sich einen belustigten Laut nicht verkneifen kann.
Ich wusste es!
»Warum gerade die?«, will er wissen.
»Ich mochte die Geschichte einfach! Jemand mit großem Potenzial, dem das Leben aber schlechte Karten gegeben hat, bekommt eine verdiente zweite Chance!«
Ich zucke mit den Schultern und sehe ihn an.
Er wirkt nachdenklich. »Mmhh«, brummt er, »so läuft es im echten Leben aber nicht!«
Ich atme hörbar aus, wenn ich etwas weiß, dann das.
»Ich weiß! Genau dafür gibt es ja solche Serien und Bücher!«
»Wofür?«
»Um der ungerechten Realität zu entkommen! Ich habe einmal die komplette Serie an einem Wochenende durchgeschaut! Danach hätte ich schwören können, ich wäre ein Teil dieser Welt! Ich hatte das Gefühl, ich müsste nur aus dem Fenster schauen und würde den Strand sehen!«
Ich lache und im nächsten Moment könnte ich mir eine verpassen!
Hör auf, so ein Stuss zu reden!
»Hast du schon mal mit jemandem über diese Wahnvorstellungen gesprochen?!«, witzelt er mit gerunzelter Stirn, aber dafür mit einem breiten Lächeln und ich ziehe verlegen die Schultern hoch.
»Würdest du das denn wollen?«, fragt er nach einer kurzen Pause.
»Was?«
»Dort leben?«
Ich denke eine Sekunde darüber nach.
»Für immer?! Nein! Mir würden die Jahreszeiten fehlen!«
Er sieht mich an. »Ist das nicht eigentlich genau der Grund, warum die Leute in solche Länder wollen?!«, lacht er.
»Das ganze Jahr Sommer?!« Er sieht mich fragend an.
»Die Leute wollen prinzipiell immer nur das, was sie nicht haben! Aber wenn es immer Sommer wäre, wäre er nichts Besonderes mehr!«, sage ich entschieden.
»Würdest du denn auf die Jahreszeiten verzichten wollen?«, frage ich ihn.
»Keine Ahnung! Ich habe noch nie darüber nachgedacht! Aber so ein Leben ohne Schneematsch, Blitzeis und Regen! Unvorstellbar!«, spottet er und ich sehe ihn an.
»Klar, wenn man immer nur die negativen Seiten sieht, ist das natürlich traurig!«
Er schnaubt angestrengt. »Jetzt zick doch nicht schon wieder rum!«
»Tu ich nicht!«, sage ich wie aus der Pistole geschossen und meine es auch so! »Es ist nur.«
»Nur was?«, fragt er wirklich interessiert, also fange ich an.
»Zum Beispiel der erste laue Tag nach einem ewig langen Winter, an dem man die dicke Jacke auszieht, weil man zum ersten Mal wieder die Wärme der Sonne spürt. Die Tage fangen an länger und heller zu werden und du wachst morgens gut gelaunt auf, weil du zum ersten Mal das Gezwitscher der Vögel hörst.
Oder der Herbst! Oh mein Gott, ich liebe den Herbst! Mal ganz ehrlich, gibt es etwas Schöneres, als durch einen sonnigen Herbsttag zu laufen?! Wenn unter den Schritten das Herbstlaub raschelt und die Sonne so tief durch die Bäume scheint, dass sie praktisch dafür sorgt, dass sie in diesem tiefen Rot leuchten.
Ich meine, das hat doch was …keine Ahnung, Magisches! Ganz zu schweigen von der Weihnachtszeit, ich meine, ich kann mir nicht vorstellen, dass bei 30 Grad Außentemperatur auch nur die geringste Weihnachtsstimmung aufkommt, oder?«
Ich lache und hole Luft, woraufhin ich mir sofort auf die Zunge beiße. Man hör auf zu labern!, stöhnt meine innere Stimme, aber dafür ist es jetzt zu spät!
Oh Gott, das hab ich jetzt nicht wirklich alles gesagt, oder?!
Ich wage es nicht, ihn anzusehen und mache mich innerlich auf einen vernichtenden Kommentar gefasst! Doch er kommt nicht!
Als ich vorsichtig zu ihm sehe, hat er den linken Arm an die Tür gestützt und den Kopf an die Faust gelehnt. Mit der rechten Hand umfasst er das Lenkrad und sieht mich an.
Ohne Hohn, ohne etwas Gelangweiltes oder Genervtes.
Er sieht mich einfach nur an.
Ich atme tief ein und versuche meine Unsicherheit mit einem Lachen zu kaschieren. »Das klang jetzt alles total bescheuert, oder?«
Ich vergrabe mein Gesicht in beiden Händen und schüttle den Kopf.
»Tut mir leid!«
Doch er reagiert immer noch nicht und langsam werde ich unruhig.
»Ich habe noch nie jemanden getroffen, der sich für so eine simple Sache so begeistern kann!« Okay, dieser Kommentar kam jetzt unerwartet, doch er redet weiter.
»Dieser Herbsttag, den du da gerade beschrieben hast«, bei dem Wort Herbsttag zieht er eine Grimasse, wird dann aber sofort wieder ernst.
»Na ja!« Er zögert einen Moment, zieht die Schultern hoch und sieht mich an. »Ich wäre sofort mitgegangen!«
Die Atmosphäre im Auto verändert sich schlagartig und ich hab das Gefühl mein Herz hat aufgehört zu schlagen und während sein Blick sich in meinen bohrt, ist die Spannung praktisch greifbar!
Dann wende ich den Blick ab und sehe aus dem Fenster.
Nach ein paar schweigenden Minuten frage ich schließlich:
»Wer war die Frau? Gestern im Krankenhaus?«
Immerhin bin ich nur hier, weil er versprochen hat, es mir zu erzählen! Rede dir das nur ein!
Er antwortet nicht, doch ich kann sehen, dass sein Oberkörper sich verspannt.
»Arbeitest du da?«
Stirnrunzelnd sieht er weiter nach vorn. »Sozusagen!«
»Sozusagen?«, hake ich nach.
»Scheiße, müssen wir jetzt darüber reden?«
Er bemüht sich wirklich, mich nicht anzuknurren.
Ich ziehe die Stirn in Falten, woraufhin sein Blick sofort auf die Falte zwischen meinen Augenbrauen fällt und er die Augen verdreht.
»Besteht denn die geringste Chance, dass du locker lässt, wenn ich es dir nicht erzähle?«
»Nein!«, antworte ich entschieden.
»Hatte ich auch nicht angenommen!«
Er atmet lachend aus und scheint einen kurzen Moment zu überlegen, wo er anfangen soll.
»Ich habe in meinem Leben ein paar Fehler gemacht und viele beschissene Entscheidungen getroffen!«
Sein Gesicht wirkt völlig emotionslos.
»Okay?!« Meine Stimme ist leise und sanft, er hebt unbekümmert die Schulter.
»Dafür muss ich jetzt bezahlen!« Sein Tonfall lässt keinen Zweifel daran, dass er jetzt fertig ist.
»Also …sind das so eine Art Sozialstunden?«, frage ich vorsichtig.
»Da sag noch mal einer, hübsch ist gleich dumm!«, scherzt er und ich bin so neugierig, dass ich die Tatsache übergehe, dass er mich gerade hübsch genannt hat. »Was hast du getan?«
Doch er schüttelt den Kopf.
»Ich finde, das reicht fürs Erste, so viel hast du dir verdient!«
Er grinst mich etwas verunsichert an.
Denkt er, ich würde ihn verurteilen?
»Mmhh!«, murmele ich unzufrieden.
»Wieso hast du nicht erwähnt, dass du einen Freund hast?«, fragt er völlig unvermittelt und es trifft mich wie ein Donnerschlag!
»So ein Themenwechsel ist nicht dein Ding, oder?«, necke ich ihn, doch er sieht mich nur erwartungsvoll an.
Ich bin mir sicher, dass er Daniel meint! Wie kommt er darauf?
Und vor allem, was sage ich ihm jetzt? Dass ich nicht allein wohnen kann, weil ich krank bin? Ganz sicher nicht!
Soll ich ihm sagen, dass er nicht mein Freund ist, sondern nur mein Mitbewohner? Aber wieso sollte ich ihm das erklären?
Vielleicht ist es gar keine schlechte Idee, ihn in dem Glauben zu lassen! Denn das hier kann und darf sowieso nie über eine Freundschaft hinausgehen! Wenn er glaubt, Daniel ist mein Freund, gibt es eine klare Grenze und auch wenn es mir gerade schwerfällt sie zu ziehen, ist es besser so!
»Es hat sich… einfach noch nicht ergeben!«
»Aha!«, sagt er überheblich.
»Was willst du damit sagen?«, frage ich etwas zu laut.
»Nichts!«, höhnt er mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Wie ist er denn so?«
Irgendwas scheint ihn wahnsinnig zu amüsieren.
»Er ist toll!«
Sein Grinsen wird breiter.
»Toll? Das ist alles? Mehr fällt dir nicht ein? Da hat dich das Herbstlaub mehr begeistert!«, ätzt er.
»Es geht dich einfach nur nichts an!«, blaffe ich zurück und schaue aus dem Fenster, ich werde bestimmt nicht zulassen, dass Daniel zum Opfer seiner fiesen Kommentare wird.
»Ach so, verstehe!«
Seine Worte strotzen vor Ironie.
»Ich wette, es ist so ein blonder Surfertyp mit blauen Augen und Sommersprossen im Gesicht!«
Er verstellt seine Stimme, als würde er über ein süßes kleines Kind reden, tut das aber voller Verachtung.
»Wahrscheinlich der Kapitän irgendeiner Sportmannschaft!«
Er verzieht das Gesicht.
»Hat alles, kann alles!«
Er sieht zu mir. »Na, bin ich nah dran?«
Der Spott in seinem Gesicht verletzt mich! Unmöglich, dass er all das auf den Punkt erraten hat. Er weiß es ganz genau! Aber woher?
Ich sehe ihn an, mein Blick ist wahrscheinlich völlig erstarrt und er fängt an, gehässig loszulachen. »Ich wusste es!«
Dann zieht er eine belustigte Grimasse.
»Eure Kinder werden sicher ganz entzückend!«
Diese Worte treffen mich bis ins Mark, genau wie immer, wenn jemand das Wort Kinder in Bezug auf mich in den Mund nimmt.
Es ist ein wunder Punkt und jedes Mal, wenn ihn jemand drückt, beschwört er damit die Schatten herauf, die mich in die Tiefe reißen und mir all das zeigen, was ich niemals haben werde und vor allem warum.
»Ich sagte es bereits, es geht dich überhaupt nichts an! Wenn du also wirklich auf eine Freundschaft hoffst, hör auf mit dem Scheiß, ich meine es ernst!«, sage ich zwischen zusammengebissenen Zähnen und schaue aus dem Fenster.
Nach einem zehnminütigen Schweigen habe ich mich wieder runtergefahren. Ich war wirklich erstaunt darüber, dass keine weiteren bissigen Bemerkungen von ihm kamen, um mich anzustacheln.
Eigentlich wartet er doch nur auf so etwas?! Aber es kam nichts!
Ich werde einfach nicht schlau aus ihm.
Mein Blick fällt vorsichtig zu seiner Seite, doch er starrt nur nach vorn. Seine Fingerknöchel treten weiß hervor und seine Kiefermuskulatur zuckt. Er ist sauer! War ja klar, wahrscheinlich kostet es ihn allerhand Überwindung mir keinen ätzenden Kommentar um die Ohren zu hauen. Dann sehe ich mich in seinem Auto um, es ist chaotisch, überall liegen Klamotten, Schuhe, Hefter und eine Kamera?
»Wofür ist die Kamera?«, frage ich und hoffe, dass er einlenkt.
Ich sehe, dass es ihm unendlich schwerfällt, seinen Stolz runterzuschlucken, doch er sagt: »Zum Fotografieren!«
Und ein klitzekleines Lächeln spielt um seine Lippen, es scheint seine Laune wirklich zu heben, wenn er mich auf die Palme bringen kann.
»Was du nicht sagst!«, spotte ich. »Und wofür hast du sie mitgebracht?«
»Zum Fotografieren!« Seine Mundwinkel zucken.
»Geht es dir jetzt besser?«, lache ich.
»Sie sieht ziemlich professionell aus!« Ich hole dramatisch Luft.
»Vincent King!« Mein Tonfall klingt euphorisch und gespielt überrascht. »Ist das etwa ein Hobby von dir?«
Er versucht, sich ein Lachen zu verkneifen, schafft es aber nicht.
»Nein!«
Er tut, als wäre es ihm völlig gleichgültig, das glaube ich aber nicht!
»Natürlich nicht, dann müsstest du ja zugeben, dass du dich noch für etwas anderes interessierst als nur für dich selbst!«
Ich versuche mit einem neckenden Tonfall die Schärfe aus dieser Bemerkung zu nehmen und beuge mich lachend ein wenig nach vorn, um in sein Gesicht sehen zu können.
»Und das wollen wir doch nicht!«
Ich strahle ihn an und er versucht, emotionslos nach vorn zu sehen, wobei er wirklich kläglich versagt, denn das leichte Lächeln kann er nicht mehr verbergen. Vielleicht ist doch noch nicht alles verloren!
Ich greife nach der Kamera und er herrscht mich an.
»Lass deine Finger von meinem Kram!«
Ich atme unecht aus. »Wenn das so weitergeht, kannst du mich auch gleich hier rauslassen!«, herrsche ich ihn an und meine es ernst.
Er sieht zu mir und eine Sekunde später durchbricht ein Klicken unser Schweigen.
»Was war das?« Ich sehe zur Tür, ich weiß genau, was das war.
»Das nennt sich Kindersicherung! Passenderweise!«
Das scheint ihm wirklich Spaß zu machen.
»Ich will ja nicht, dass du noch auf dumme Ideen kommst!«
»Wäre heute wahrscheinlich nicht meine Dümmste!«
Okay, das war schon wieder gemein und ich versuche es mit einem spielerischen Klaps auf seinen Oberarm abzuschwächen.
Er sieht mich mit einem ›Hast du das gerade wirklich gemacht‹-Blick an und schüttelt dann lachend den Kopf.
»Worauf hab ich mich hier nur eingelassen?«
Witzig.
Genau dasselbe frag ich mich auch.