Читать книгу Solid Yol - Nick Finkler - Страница 3
Prolog
ОглавлениеIrgendwo in Europa schlich sich ein unscheinbares Wesen in den Körper eines Schiffsjungen, während hunderte Kilometer entfernt die Tür eines Zugabteils geöffnet wurde.
"Ach, sieh einer an! Janet. Die Welt ist klein.“
Ein sonnengebräunter Mann war herein gekommen, seine sanfte sonore Stimme galt der jungen Frau, die am Fenster des Abteils saß. Sie war allein und ihr schwarzes Haar fiel ihr locker über die Schultern. Ihre offenherzigen Augen blickten zu dem Mann, und sie schenkte ihm ein ehrliches Lächeln.
"Roman! Ja, das kann man wohl sagen“, entgegnete sie. "Setz dich doch.“
Während sie sich unterhielten, blickte Janet immer mal wieder aus dem Fenster. Draußen rauschten üppige Wälder vorbei und wechselten sich mit weiten, abgeernteten Feldern ab. Sie sprachen über die Familie, über Arbeit und kamen schließlich zum Thema Bekanntschaften.
"Ich kenne ja seit gut zwei Wochen diese Frau“, begann Roman. "Mit der treffe ich mich ab und zu mal, wir gehen was trinken oder ins Kino. Ist eigentlich ganz angenehm, und vor allem mal eine Abwechslung zu dem ganzen Stress in der Firma.“
Ein Bahnhof wurde angekündigt.
"Wohnt sie denn in der gleichen Stadt wie du?“ fragte Janet.
"Ja, zum Glück, aber am anderen Ende. Außerdem hat sie auch viel zu tun. Arbeitet irgendwo in der Werbebranche.“
"Das nenne ich wirklich Glück“, brachte sie ein melancholisches Lächeln zustande.
"Wieso?“ wollte er nun wissen.
"Ach, weißt du ... vor ungefähr anderthalb Jahren ist Harry, ein guter Bekannter von mir, weit weg gezogen. Und wir halten bloß noch über Briefe den Kontakt aufrecht.“
"Das heißt, ihr seht euch gar nicht mehr? Das tut mir leid. Wo wohnt er denn jetzt?“
"Gute Frage ... der Name der Stadt ist Tremskail Mahsrill.“
"Das klingt ja sehr exotisch. Afrika vielleicht?“
Die junge Frau schüttelte den Kopf, wobei ihr Haar wippte.
"Nein, das glaube ich nicht. Er schreibt immer wieder, dass es dort, wo er jetzt wohnt, sehr kalt sei.“
"Na, dann wird es Skandinavien sein. Oder Island vielleicht. Und da oben in Kanada haben sie doch auch oft so komische Namen für ihre Städte.“
"Mag sein. Aber soll ich dir mal erzählen, wie wir uns Briefe schreiben? Das glaubst du mir nie.“
"Erzähl schon, ich bin gespannt.“
Ein weiterer Bahnhof wurde ausgerufen. Draußen schimmerte die Oberfläche eines Sees durch die Blätter der Bäume. Janet beugte sich vor.
"Also, pass auf. Es fing damit an, dass eine rote Brieftaube an mein Fenster geflogen kam und einen Brief bei sich hatte."
"Eine rote Taube? Was meinst du damit?"
"Ich sag ja, es ist unglaublich. Ich meine damit, dass sie rotes Gefieder hat! Der Brief war von meinem Bekannten, und er schrieb mir, dass die Taube solange bei mir bleiben würde, bis ich eine Antwort abschicken könnte. Im Folgenden habe ich also dafür gesorgt, dass sie sich bei mir wohlfühlt, wenn sie kommt, und habe mich auch mit dem Schreiben beeilt, damit sie schnell zurückfliegen konnte. Und so läuft das bis heute.“
"Aber was ich nicht verstehe, mal ganz abgesehen von der roten Taube, warum benutzt ihr nicht den normalen Postweg? Das wäre doch viel einfacher, oder täusch ich mich?“
"Das ist es ja eben. Harry hat in seinem ersten Brief ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Briefe nicht auf herkömmlichem Wege zu ihm gelangen würden, weil die Post nicht bis zu seiner Stadt finden könnte.“
"Na, das muss aber ein merkwürdiger Ort sein, wo er jetzt wohnt.“
Janet nickte und sah wieder aus dem Fenster.
"Ja, manchmal glaube ich fast, er lebt in einer anderen Welt.“