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2. Die Kapverden und ihre Bewohner

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Für Wolfgangs Frauen war eine Beziehung in Polygamie nichts Außergewöhnliches. Wie noch etwas näher beschrieben ist waren solche Ehen also Vielweiberei, in der Heimat der Schwestern auf ‚Santo Antao’, der mit Abstand schönsten Insel des eigenständigen Staates Kapverden nichts Besonderes. Die klassische Form des Zusammenlebens von Männchen und Weiblein, nämlich die ‚Monogamie’, ist dort sogar eher die Ausnahme, Dazu aber später mehr.

Die Insel ist die westlichste der Inselgruppe und liegt auf der Höhe von Senegal und Gambia ca. 1.000 km westlich vom afrikanischen Festland im Bereich der sogenannten ’Sahelzone’. Ehemals waren die Inseln eine portugiesische Kolonie, wie man auch heute noch u. a. an vielen Gebäuden, der Sprache (Portugiesisch) und Vielem mehr sofort erkennen kann. Wer die Inseln besucht, wird sehr schnell feststellen, dass dort alle Uhren nicht nur wegen der Zeitverschiebung, trotz zunehmendem Tourismus auch im Jahr 2017 noch ganz anders gehen. Man spürt sofort, dass diese Menschen in sich ruhen, die Ruhe und Gelassenheit in sich haben, mit einer Uhrzeit nur sehr wenig anfangen können und frei nach dem Motto „Komme ich heute nicht, komme ich morgen oder übermorgen!“ ihr ganzes Leben gestalten und mancherorts - zumindest die Männer - auch die Arbeit nicht gerade erfunden haben. Zumindest kennen sie eine Hektik a la Europa nahezu überhaupt nicht, wenn man einmal von den beiden größeren Städten Praia und Mindelo absieht. Klar, das könnte man jetzt – je nach Standpunkt – allerdings durchaus auch negativ auslegen. Die Einwohner sind arbeitsam und fleißig, wenn sie denn überhaupt eine Arbeit finden. Herausragend ist jedoch ihre Genügsamkeit und Bescheidenheit. Weitestgehend sind sie alle gute, redliche und reelle Menschen. Betrügereien, Diebstähle und Kapitalverbrechen sind eher selten.

Auch das gehört mit dazu, wenn man die Bewohner der Inseln, von denen nicht alle bewohnt sind, näher kennen lernen will: Mehr als 20 % leben unter der Armutsgrenze, haben also gerade mal so viel, um nicht zu verhungern. An manchen Orten sind es sogar erheblich mehr. Ein weiterer sehr hoher Prozentsatz lebt an dieser Grenze, wobei Armut dort den Kampf um das tägliche Essen bedeutet. Diese Grenze liegt übrigens noch sehr viel weiter unter dem deutschen Sozialhilfe-Niveau, die es dort samt sozialen Sicherungssystemen a la Deutschland überhaupt nicht gibt. Reichtum beschränkt sich auf wenige. Die Preise haben allerdings fast Deutsches Niveau. Das verwundert nicht sonderlich. Der Grund: Es muss nahezu alles teuer eingeführt werden. Die meisten Männer und zunehmend die Frauen verlassen deshalb die Inseln. Meist sind es auf den ‚Inseln der Frauen’, wie man sie bezeichnet, die Mütter mit mehreren Kindern, die sich mit dem Existenzminimum, das ihnen vielleicht die Erzeuger ihrer Kinder halbwegs regelmäßig schicken, gerade noch über Wasser halten. Ein Europäer könnte davon niemals dauerhaft leben; die Menschen dort können es. Sie haben auch keine Alternative und sind doch zufrieden, obwohl ihre Steinhäuschen oft auf Bergen, an Abhängen, in karger, unwirtlicher Landschaft oder in der Wüste liegen. Die Männer machen den Frauen Kinder, gehen zur nächsten Frau und tun dort das Gleiche, wobei die Frauen das als völlig normal empfinden, weil es immer schon so war. Ehen sind, wie angedeutet, nicht der Regelfall, sie werden eher selten geschlossen. Viele leben mit einer Frau ohne Trauschein und viele führen eine (staatlich sogar anerkannte) sogenannte ‚Besuchsehe’, in der der Mann ganz nach Bedarf zur Frau kommt, sie vögeln darf und ihr dabei oft natürlich auch gleich noch ein Kind macht. Dafür bekommt sie von ihm so etwas Ähnliches wie ein paar Escudos Unterhalt. Die meisten Männer hauen danach einfach ab. Manchmal heiraten sie dort auch eine Kapverdierin, die es ebenfalls hinaus in die weite Welt in die reichen Industriestaaten gezogen hat. Allerdings sind nur ca. 15 % der Kapverdier überhaupt verheiratet.

Sehr freundlich, sanftmütig und fleißig sind sie, sagt der Reiseführer. Das Land ist, abgesehen von den Inseln Sal und Boa Vista, momentan nur äußerst bedingt für den Tourismus erschlossen und vor allem auch für Abenteuerurlauber und für Leute interessant, die eine weitgehend noch unverfälschte, ursprüngliche Landschaft bevorzugen. Man sollte darauf eingestellt sein, dass es dort weitgehend in den Quartieren keinen mitteleuropäischen Standart gibt. Ausnahmen, wie man sie in den großen Hotels zum Beispiel auf Sal oder Boa Vista und in Mindelo und Praia findet, bestätigen diese Regel. Moment: Das ändert sich in rasanten Schritten überall. Und man sollte ohne ortskundige Begleitung vor allem auf den genannten Inseln immer darauf gefasst sein, dass man unliebsame Überraschungen erleben kann und die Polizei seltsamerweise bei Allem, was nach Arbeit aussieht, mit Bequemlichkeit reagiert und schwerhörig bis begriffsstutzig sein kann. Vorsicht: Nicht jeder Schwarze ist auch ein Kapverdier. Auch viele Senegalesen treiben sich auf den Inseln herum. Die Möglichkeiten der Trickverbrechen sind vor allem auf Boa Vista, Sal und in den ‚Städten’ auch auf den Inseln bekannt. Viele Häuser und kleine Gehöfte sind nur zu Fuß zu erreichen. Nach europäischem Verständnis befahrbare Straßen, die geteert sind, gibt es nur wenige. Alles ist gepflastert. Das Hauptverkehrsmittel für die Touristen ist das Aluguer, das Sammeltaxi, das es auf jeder Insel gibt. Auf mehreren Inseln herrscht angeblich permanent katastrophale Wassernot. Auch der Strom wurde in der Vergangenheit verschiedentlich immer wieder mal stundenweise abgeschaltet, weil die Versorgung nicht so recht klappte. Selbst das Duschen kann eine Rarität sein und sollte verschiedentlich rechtzeitig angemeldet werden. Wer zu Mittag oder Abend essen will, sollte das ebenfalls am Tag vorher bestellen und generell die Öffnungszeiten der Lokalitäten im Kopf haben.

Auf den Kapverden ist die Welt weitgehend fast noch in Ordnung, wenn man bedenkt, dass man ja eigentlich 'benachbart' zu Afrika ist. Die Inseln sind in ihrem Aussehen sehr unterschiedlich. Auf einem Teil der Inseln ist die Wüste vorherrschend und nur an wenigen Stellen spärlicher Bewuchs. Fogo wird vom momentan untätigen Vulkan beherrscht. Lediglich Santo Antao, die nördlichste Insel, ist eine grüne Insel und hat auch weitgehend ausreichend Wasser. Für Urlauber, die Luxus und Erholung suchen, sind die Inseln weitgehend ungeeignet; auch der Abenteuerurlauber, Wanderer usw. wird nur teilweise das finden, was er sich vorstellt.

Die Menschen sind dort allerdings noch ‚unversaut’, echt und ehrlich. Für sie zählt etwas anderes sehr viel mehr, als unsere ‚Lebensqualität, Lebensform und Lebensziele’. Sie leben, sind mit dem, was sie haben, zufrieden und schauen weitgehend nicht, wie sie zu immer noch mehr kommen können. Die geschilderte hohe Arbeitslosigkeit, und folglich teilweise große Armut, lässt Kapverdiern auch keine andere Möglichkeit, als sehr genügsam zu sein. Verhungern muss dort allerdings heute, wie sehr viele in vergangenen Jahrhunderten, niemand mehr. Es reicht gerade für die meist vielen Mäuler einer Familie. Vorherrschend sind die ‚Ureinwohner’, die ehemals als Sklaven auf die unbewohnten Inseln kamen.

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