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KAPITEL 7 Aneignung

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Noch einmal musste ich mich in Geduld üben, denn ich konnte mein Schiff nicht sofort in Besitz nehmen. Der Vorbesitzer musste für die Übergabe erst aus Thailand anreisen. Er selbst und seine Frau hatten das Boot von Leuten übernommen, die es sich zu einem Sommersitz umgebaut hatten. Auch sie selbst hatten es lediglich im Sommer genutzt, als schwimmendes Wochenendhaus quasi. Aber es war ihnen offensichtlich ans Herz gewachsen, der Mann hatte Tränen in den Augen.

»Hier ist der Schlüssel«, sagte er. »Jetzt gehört die Château d’eau Ihnen!«

Und dann war ich zum ersten Mal allein auf dem Schiff. An einem windigen Frühlingstag saß ich im Blaumann auf meinem, ja, meinem Vorschiff und blickte über die Elbe. Fühlte mich ganz seltsam. Ich konnte es kaum fassen. Ich griff zum Handy.

»Ich sitze in meinem neuen Zuhause«, informierte ich meine Eltern.

»Und wie fühlt es sich an?«, wollten sie wissen.

»Einfach großartig! Ich gucke mir jetzt erst mal alles richtig an.«

Zunächst lief ich, stolz wie ein Großgrundbesitzer, durch alle Räume, die nun mir gehörten, schaute in Schränke, öffnete Schubladen. Alles war voller Sachen: alte Kleider hingen noch in den Schränken, die Schubladen unter den Betten waren voller Bettzeug, in den Küchenschränken standen Töpfe, Pfannen und Geschirr, im Badezimmer fand sich Schminkzeug … Es fühlte sich noch fremd an, aber in mir kribbelte es vor lauter Vorfreude. Begeistert machte ich mich an die Arbeit und räumte all den alten Plunder weg, nahm mein Schiff in Besitz.

Ich schaute mir an, was es zu tun gab. Sehr viel war es eigentlich gar nicht. Die Möbel und all den Plastik-Deko-­kram der Vorbesitzer musste ich loswerden, danach würde ich renovieren müssen: Wände streichen, das war’s. Denn das Schiff war schon so, wie ich es haben wollte, umbauen musste ich nicht. Die Raumaufteilung: perfekt. Die mit Bootslack gestrichenen Kiefernplanken auf dem Boden: super. Die Küche: komplett. Betten: vorhanden und überaus gemütlich. Schon bei der Besichtigung hatte ich gedacht, dass ich das Schiff genau so ausgebaut hätte. Je öfter ich nun dort war, herumwerkelte und Pläne schmiedete, wie alles einmal aussehen sollte, merkte ich, dass ich tatsächlich die richtige Entscheidung getroffen hatte. Immer wieder schoss mir der Gedanke durch den Kopf: Irgendwer muss meine Wünsche geahnt und das Schiff so traumhaft ausgebaut haben. Meinen Eltern, die sich zwar die Fotos angesehen hatten, nun aber eine Live-Beschreibung wünschten, erläuterte ich das Schiff haarklein am Telefon:

»Wenn ich koche, kann ich direkt aufs Wasser gucken!«

»Das klingt ja großartig! Vom Bett aus auch?«

»Ein bisschen, der Blick geht auf den Steg, aber dahinter ist natürlich auch Wasser.«

»Traumhaft. Und sonst so?«

»Also Bad, Toilette, Küche und die beiden Schlafzimmer sind ziemlich klein. Im Bad kann man sich kaum einmal um sich selbst drehen …«

»Fühlst du dich da nicht beengt?«

»Nein, überhaupt nicht, das ist alles total gemütlich. Die Betten sind von drei Wänden umgeben, wie ein Alkoven. Gegenüber sind Einbauschränke, in denen ich meinen ganzen Plunder verstauen kann. Sehr praktisch.«

»Da brauchst du ja gar keinen Keller oder Dachboden.«

»Na ja, den könnte ich schon gut gebrauchen, aber so was gibt’s ja eh nicht auf einem Schiff, ich muss wohl noch viel wegwerfen.«

»Und das Wohnzimmer?«

»Das ist einfach das Größte, im wahrsten Sinne: fast vierzig Quadratmeter! Ganz hell, mit einer Tür zur Terrasse, ich kann vom Sofa aus die Elbe sehen!«

Und genau dort saß ich nun und telefonierte mit meinen Eltern: auf meinem Sofa mit Elbblick und schaute mich um.

»Die Möbel sind ziemlich scheußlich, hier stehen riesige Ledersofas, die sind zwar weiß, aber viel zu mächtig für den Raum, die will ich nicht haben. Außerdem etliche schwarze Regale und lauter Krimskrams und scheußliche Deko. Das muss alles weg.«

»Wohin willst du denn damit?«

»Die Möbel will ich verkaufen, vielleicht kriege ich so noch ein bisschen Geld für den Umzug zusammen.«

Zu guter Letzt habe ich sie alle verschenkt, niemand wollte die klobigen Ledersofas, die seltsam geschwungenen Beistelltischchen, die überall verteilten Tierfelle und die Deko-Metallvögel.

Dann waren wie in jeder Landwohnung auch an Bord des Schiffes noch die normalen Renovierungsarbeiten zu erledigen. Ausräumen, Saubermachen, Streichen.

»Kann ich dir helfen?«, fragte am Telefon meine Freundin Monika, die immer zur Stelle ist, wenn es etwas zu tun gibt. »Du weißt, ich kann super renovieren. Außerdem will ich unbedingt sehen, wie du wohnen wirst.«

»Klar kann ich deine Hilfe brauchen, wir können zusammen streichen«, lud ich sie ein.

Ich besorgte Pinsel, Rollen und meine Lieblingsfarbe: Maigrün.

»Wie findest du die Farbe?«, fragte ich Monika, als sie zu mir kam.

»Na ja«, meinte sie etwas zögerlich, »schon ziemlich leuchtend! Mir wär das zu bunt.«

Aber ich war ganz begeistert. Ich wollte den langen Flur damit streichen und damit für einen freundlichen Empfang sorgen. Also schwangen wir die Pinsel und es sah auch wirklich toll aus. Den Pausenkaffee genossen wir selbstverständlich auf dem Vorschiff. Monika war sofort verliebt in mein zukünftiges Zuhause. Sie hatte bei meinen Überlegungen im Vorfeld die Vor- und Nachteile sorgfältig mit mir abgewogen. Hatte gemeint, es sei ziemlich mutig, einfach all das schöne Geld in einen Haufen Stahl auf dem Wasser zu investieren. Doch auch sie hatte gefunden, dass ich diesen Weg wohl gehen müsste, sonst würde ich keine Ruhe finden. Ich hätte mir nun mal in den Kopf gesetzt, auf dem Wasser zu leben. Nun solle ich das auch umsetzen.

»Du hast alles richtig gemacht«, sagte sie nun.

Und genauso fühlte es sich auch an.

Hausboot Lotte, Kater Emma und ich

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