Читать книгу Hausboot Lotte, Kater Emma und ich - Nicola Eisenschink - Страница 8
KAPITEL 5 Château d’eau
ОглавлениеZunächst musste ich mir klarwerden, was ich mir eigentlich wünschte: ein neues Schiff oder ein altes zum Selbstausbauen? Dazu verschaffte ich mir im Internet einen Überblick über die Angebote und mailte sie an Angela weiter, um mich mit ihr zu beraten.
»Guck mal!«, schrieb ich und schickte ihr das Bild eines modernen Hausbootes. »Ist das nicht chic?«
»Toll«, fand auch sie, »aber ziemlich klein und ziemlich teuer.«
»Dafür ist es aber es technisch auf dem neuesten Stand, man kann damit fahren und es ist so gedämmt, dass ich im Winter nicht viel heizen muss.«
Wir stöberten weiter auf den verschiedenen Bootsplattformen und beim Vergleichen merkte ich, dass mein Herz doch bei den alten Schiffen höherschlug. Ich zeigte Angela ein altes niederländisches.
»Das ist ja gemütlich«, kam ich gleich ins Schwärmen. Es war ein Schiff mit Plattboden, das wirklich hübsch aussah, mit toller Raumaufteilung und durchdachter Technik. »Es gibt sogar eine kleine Terrasse.«
»Wenig Licht«, fand Angela, die sich schnell in die Details eingefuchst hatte und im Gegensatz zu mir alles mit kühlem Kopf begutachtete. »Da hockst du immer unter Deck und kannst nicht rausgucken. Willst du das?«
Der Blick auf den Preis erübrigte weitere Überlegungen.
Parallel zur Internetrecherche ging ich den Tipps nach, die ich bei der Liegeplatzsuche erhalten hatte. Ich fuhr zu Werften und schaute mir die schönen Schiffe an, die sie bauten und sogar fahren konnten, die sich aber als zu teuer entpuppten und letztlich nicht das waren, was ich wollte. Ich antwortete auf Kleinanzeigen, die Hausboote zum Verkauf anboten, kroch unter Deck durch düstere Dauerbaustellen, an denen schon viele Hausbootträumer herumgeschraubt hatten.
Einmal traf ich mich mit einem mürrischen Mann, lange Haare, Bart, schmuddelige Klamotten.
»Du willst also auf einem Hausboot wohnen?« Kritisch beäugte er mich von oben bis unten, als wäre ich eine von denen, die keine Ahnung haben und trendy wohnen möchten. Er selbst wollte mir ganz offensichtlich während der Besichtigung den Eindruck vermitteln, er sei ein echter Hausbootbesitzer. »Das Wohnen auf dem Wasser ist nicht für jeden was«, meinte er von oben herab. »Die Leute stellen sich das immer so cool vor, aber man muss auf vieles achten.«
»Auf was denn?«, bohrte ich nach.
»Erst mal musst du einen Liegeplatz haben«, belehrte er mich. »Mit einem Schiff wie diesem kannst du überall liegen, mit einem von diesen Ponton-Hausbooten wie am Eilbekkanal nicht. Dies hier ist ein echtes Schiff, das von jedem Hafen aufgenommen wird. Außerdem musst du dich um die Ver- und Entsorgung mit Wasser und Energie kümmern. Dieses Schiff hat große Tanks, damit ist das kein Problem.«
Doch sein Boot war keineswegs so perfekt, wie er mir weismachen wollte. Aber ich hatte inzwischen einen geschulten Blick. Es war eine Katastrophe, ein Fass ohne Boden, viel Arbeit, die ich allein neben meinem Job niemals hätte bewältigen und vermutlich auch finanziell nicht hätte stemmen können. An vielen Ecken des maroden Kutters hatte er schon herumgeschraubt, alles war düster, nirgends gab es einen Blick aufs Wasser. Ich stolperte über lose Kabelenden, rüttelte an der Verkleidung, die mir daraufhin entgegenpurzelte. Er hatte offenbar ohne Konzept mal hier, mal dort herumgebastelt.
»Sag mal, machst du das alles vorm Verkauf noch fertig?«, wollte ich wissen.
»Nee, das musst du schon machen. Kannst du das überhaupt?«
»Klar kann ich das, aber du hast hier ja einen ziemlichen Schrotthaufen, alles angefangen, nichts weitergemacht und alles ohne Sinn und Verstand«, gab ich – ebenso hochnäsig – zurück. »Das ist nicht das Richtige für mich, ich weiß ja gar nicht, was ich da später noch für Schäden finde.«
»Dann eben nicht. Du siehst das Potenzial des Schiffes eben nicht.«
Das sah ich in der Tat nicht. Schmunzelnd verabschiedete ich mich von dem Schrat, sollte er sein Schiff doch jemand anderem verkaufen.
Was ich im Laufe der Zeit merkte, war, dass ich auf keinen Fall in einem dunklen Loch unter Deck sitzen wollte. Nein, ich wollte unbedingt das Wasser sehen. Schließlich fand ich im Internet einen Architekten in Oldenburg, meiner Geburtsstadt, der alte Seecontainer zu Wohnungen und Häusern umbaute. Also machte ich bei einem Elternbesuch einen Termin mit ihm in seinem Büro, das sich ebenfalls in einem alten Container befand – ein tolles Ding, ich war ganz begeistert. Irgendwie erschien mir die Verbindung Hausboot/Seecontainer logisch und dazu noch schön.
»Wenn Sie daraus ein Hausboot machen wollen, brauchen Sie einen großen Ponton, damit er stabil genug ist«, meinte der Architekt. »Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie dafür einen Liegeplatz finden, der groß genug ist. Das ist illusorisch. Aber man kann das Ganze wahlweise auch in eine alte Schute setzen.«
Er erklärte mir, das seien antriebslose große Schiffe, die von anderen Schiffen geschleppt würden. Der Container könne so auf diesen Kahn gesetzt werden, dass ich unten einen Keller hätte, obendrauf würde dann mein Haus thronen. Das hörte sich wahrlich königlich an.
Ich fuhr also zurück nach Hamburg mit dem Vorsatz, mich auf die Suche nach einer Schute zu machen. Doch bald schon wurde klar, dass diese Lösung, selbst mit einem gebrauchten Kahn, ziemlich teuer werden würde: mehrere Hunderttausend Euro. So viel Geld hatte ich nicht zu erwarten. Langsam neigte sich das Jahr dem Ende zu, mit den ersten Herbststürmen wurde es ungemütlich draußen. Aber inzwischen wusste ich immerhin, was ich wollte: Es sollte ein altes, möglichst fertig umgebautes Schiff werden.
Da fand ich bei eBay Kleinanzeigen unter dem Suchbegriff »Wohnschiff« Bilder und folgende Beschreibung: »Château d’eau zu verkaufen. Jahrgang 1959, ehemaliges Hafenarbeiterschiff, umgebaut zur Sommerresidenz, Heizung vorhanden, vollständig möbliert.« Sah ganz gut aus, das Ding. Die Fenster wirkten ein bisschen klein, vermutlich wenig Licht also. Aber je länger ich die Fotos betrachtete, desto reizvoller erschien mir dieses Schiff. Im Prinzip schien es alles zu haben, was ich mir wünschte: Es war ziemlich groß, zweiundzwanzig mal fünf Meter, keine winzige Butze also wie die neuen Ponton-Hausboote, die ich mir hätte leisten können und in denen man nichts unterbringen konnte. Und es war ein Schiff mit einer Geschichte, etwa so alt wie ich, das gefiel mir. Ich schrieb hin und vereinbarte einen Termin. Was hatte ich schon zu verlieren? Es war November, es schneite.