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KAPITEL 4 Vom Suchen und Finden

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Eines schönen Frühlingstages, wie es sie nur im Norden Deutschlands gibt, mit duftigen Schäfchenwolken, leichtem, warmem Wind und klarer Sonne, sammelte ich meine Freundin Angela an der S-Bahnstation auf und fuhr mit ihr wieder in die Vierlande auf der Suche nach einem Liegeplatz für mein künftiges Domizil. Ich hatte zwar noch kein Boot, aber da ich noch von der damaligen Hausbootsuche mit meinem Mann wusste, dass es deutlich schwieriger ist, einen Liegeplatz für ein Hausboot zu finden als das Schiff selbst, nahm ich zunächst diesen Schritt in Angriff.

Warum gerade in die Vierlande? Nun, hier ist die Elbe nicht so stark beschifft, es gibt viele Nebenarme, kleine Flüss­chen und eine Menge Sportboothäfen. Darum dachte ich, hier könnte es am ehesten einen geeigneten Liegeplatz geben. Etwas Seltsames passierte, als ich in diesen Stadtteil kam, der gar nicht mehr städtisch wirkt, sondern ganz und gar ländlich: Ich fühlte mich, als würde ich nach Hause kommen. Es war, als würde meine Seele aufatmen, als wäre ich angekommen. Ich verliebte mich auf der Stelle in die Landschaft. Und nun wollte ich erst recht hier einen Liegeplatz finden. Gemeinsam klapperten wir zahlreiche Häfen ab. Wir lernten unwillige Hafenmeister kennen, die ganz bestimmt keine Hausboote bei sich liegen haben wollten. Mancherorts stiegen wir über Zäune und riefen bei ausgehängten Telefonnummern an. Oft wurden wir weiterverwiesen, wir sollten doch mal hier oder dort nachfragen. Es war mühsam, aber auch hilfreich, direkt vor Ort gleich einen Eindruck vom jeweiligen Hafen und dem Umfeld zu bekommen. Und im Austausch mit Angela klärte sich meine Einschätzung meist schon nach wenigen Minuten. Einmal stolperten wir in ein unübersichtliches Hafengelände voller alter Schiffe, überall rosteten Metallteile vor sich hin. Doch am Ende des Hafens gab es einen Steg. Und an dem lag etwas ganz Wunderbares. »Jetzt schau dir das mal an«, sagte ich zu Angela, »da liegt ein alter niederländischer Kahn.« Diese Schiffe haben eine ganz bestimmte Form, einen flachen Kiel, einen sogenannten Plattboden, oft sind sie aus Holz gebaut und besitzen meist große Fenster. Sie sehen aus wie gemütliche Dschunken und wirken sehr einladend. Wir klopften an die Tür des ganz in Weiß und Blau gehaltenen Bootes und eine Frau öffnete die Tür.

»Moin, ich bin Nicola und auf der Suche nach einem Liegeplatz für ein Hausboot«, stellte ich mich vor.

»Na, dann kommt mal rein«, lud sie uns ein, »ich heiße Carina.«

Staunend betraten wir ihr Boot. Es war hell und geräumig, alte Möbel verliehen dem Ganzen eine urgemütliche Atmosphäre, ich wäre am liebsten gleich eingezogen. Bei Kaffee und Kuchen sprachen wir über das Leben auf einem Schiff.

»Ich möchte nie wieder an Land wohnen«, sagte Carina, »es ist hier so schön – wenn das Schiff schwankt, wenn ich aufs Wasser gucken kann. Wo soll ich so was in der Stadt kriegen?«

Sie konnte gut verstehen, dass auch ich aufs Wasser ziehen wollte.

»Aber Achtung«, lachte sie, »wenn du erst mal so gelebt hast, dann willst du nie mehr in eine normale Landwohnung zurück.«

Das Risiko wollte ich gern eingehen. Und in ihrem Hafen, in dem es auch noch andere Hausboote gab, war sogar ein Liegeplatz frei. Sofort stellte ich mir vor, wie es sein müsste, in dieser kleinen Community zu leben. Doch dann ließ ich meinen Blick schweifen: Bei näherer Betrachtung war die Bucht nicht wirklich schön, auf der anderen Seite gab es einen schmuddeligen Werftbetrieb, der offenbar viel Lärm verursachte. Noch dazu kam hier laut Carina nur ein Plattbodenschiff infrage, da der Hafen bei Ebbe trockenfiel, was außerdem Gestank verursachte. Alles nicht ganz optimal, befand ich, bedankte mich herzlich bei Carina, stieg mit Angela wieder ins Auto und steuerte weitere Häfen an.

Meist stießen wir auf Männer, denen sie gehörten. Manch einer dieser Hafenmeister war skeptisch und schien zu denken: Da kommen zwei Stadtpflanzen an, die sich eine spinnerte Idee in den Kopf gesetzt haben, denen werden wir die Flausen gleich mal austreiben. Aber wenn wir erst mal ein paar Worte gewechselt hatten, tauten sie meist auf und merkten, dass wir nicht ganz und gar unbedarft waren. Einer war sogar bereit, uns auf ein Hausboot zu lassen, das gerade gebaut wurde. Ich kletterte auf dem halb fertigen Ding he­rum, kritisch beäugt vom Hafenmeister.

»Wie ist das Schiff aufgebaut?«, fragte ich.

»Sandwichbauweise«, lautete die schmallippige Antwort, »dazwischen ’ne Dämmung, damit das Ding winterfest ist. Hat auch ’nen Antrieb, damit hast du ’ne Sportbootzulassung und kannst in jedem Hafen liegen.«

Aha, gut zu wissen, dachte ich, ein eher kleines Schiff mit Antrieb kann also überall liegen.

So trugen wir im Laufe des Tages viele Informationen zusammen und hatten am Ende drei Liegeplätze im Angebot. Immerhin.

Der Ausflug hatte eine Menge Spaß gemacht, noch dazu war er von Erfolg gekrönt gewesen. An diesem Tag kam mir das Ganze wie ein Abenteuer vor. Es war wie ein Gedankenspiel, das ich mit den Liegeplätzen, die ich im Angebot hatte, von A bis Z durchgehen konnte: Was wäre, wenn … Zu diesem Zeitpunkt noch aus der komfortablen Situation heraus, dass ich jederzeit hätte sagen können: »Ich lasse das Ganze sein und bleibe in meiner Wohnung.« Aber die Landschaft ging mir nicht mehr aus dem Sinn, das viele Wasser, das glitzernd in der Sonne gelegen hatte. Auch Carina, die schon so lange und ganz selbstverständlich auf ihrem Schiff lebte, spukte weiter durch meine Gedanken. So wollte ich auch leben. Ich musste nur noch das passende Schiff finden.

Hausboot Lotte, Kater Emma und ich

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