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Einleitung

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Dieses Buch möchte an die Fragestellungen interkultureller Philosophie heranführen. Es versteht sich nicht als eine klassische Einführung, weil die interkulturelle Philosophie kein klar umrissenes Themenfeld darstellt, in das man einführen könnte. Die interkulturelle Philosophie ist kein Teilgebiet der Philosophie, das sich gegen andere Teilgebiete, etwa die Ontologie, die Metaphysik oder die Ethik, abgrenzen ließe. So wie wir aus der Geschichte der Philosophie verschiedene ontologische, metaphysische und ethische Entwürfe kennen, so begegnen wir auch in anderen Kulturen eigenen ›Ontologien‹, ›Metaphysiken‹ und ›Ethiken‹. Die interkulturelle Philosophie handelt darum von der Philosophie im Ganzen. Das heißt nun aber, wie wir sehen werden, gerade nicht, dass sie die verschiedenen Teilgebiete der Philosophie nur um interkulturelle Positionen erweitern würde, etwa indem sie den aus der europäischen Tradition bekannten Metaphysiken die ›Lichtmetaphysik‹ eines as-Suhrawardīas-Suhrawardī oder andere ›Metaphysiken‹ aus anderen Traditionen zur Seite stellt. Das tut sie zwar auch, aber darin geht sie nicht auf. Ja, die eigentliche Problemhöhe interkultureller Philosophie ist damit noch gar nicht erreicht, sind die philosophischen Überlegungen und Entwürfe aus anderen Kulturen doch dann, wenn sie in einem bestimmten Teilgebiet der Philosophie berücksichtigt werden, immer schon durch den Rahmen kategorisiert, der das jeweilige Teilgebiet absteckt. Damit werden diese Überlegungen und Entwürfe aber schon durch das europäisch-westliche Denken vereinnahmt, bevor sie überhaupt selbst zu Wort gekommen sind. Darüber hinaus unterliegt jeder Rahmen, der ein Teilgebiet der Philosophie begrenzt, schon in der Geschichte der europäisch-westlichen Philosophie einem epochalen Bedeutungswandel und darf darum nicht ohne weiteres einfach vorausgesetzt werden. So bedeutet Metaphysik in der Antike etwas anderes als in der Neuzeit, weil sich die philosophische Blickrichtung bei der Begründung des Seienden nun nicht mehr auf das höchste Seiende richtet, sondern stattdessen auf das dem Seienden zugrunde liegende Subjekt. Nur deswegen lässt sich die neuzeitliche Philosophie als eine Kritik der antiken Metaphysik lesen. Antike und neuzeitliche Metaphysik lassen sich zwar durchaus ineinander übersetzen, aber sie gehören nicht gemeinsam in ein klar umrissenes Teilgebiet der Philosophie. ›Metaphysik‹ bedeutet jeweils etwas anderes. Das gilt umso mehr für Philosophien anderer Traditionen. Darum kann ›Metaphysik‹ auch keine sinnvolle Kategorie interkultureller Philosophie darstellen.

Selbst die Philosophie im Ganzen steckt das Bedeutungsfeld, innerhalb dessen philosophisches Fragen möglich und sinnvoll ist, nicht einmal für alle Zeiten ab, um es fortan nur noch zu bearbeiten. Stattdessen steht die Bedeutung von Philosophie im Prozess des Philosophierens immer selbst mit zur Debatte und unterliegt dementsprechend geschichtlichem Wandel. Philosophie bedeutet im Deutschen Idealismus etwas anderes als bei Thomas von Aquin. Darum können Fragen, die für Thomas drängend sind, im Deutschen Idealismus nachrangig erscheinen – und umgekehrt. Nur weil das so ist, weil die Bedeutung von Philosophie im Philosophieren immer wieder von neuem begründet wird, kann es in der Philosophie auch solch grundlegende Differenzen zwischen einzelnen Denkschulen geben, wie wir sie aus nahezu allen Zeiten kennen. Das heißt nun freilich nicht, dass die Bedeutung von Philosophie ins Belieben des Einzelnen gestellt wäre. Mitnichten. Stattdessen hängt sie am jeweiligen Gedanken, an dem, was ein Gedanke zu zeigen vermag, von welchen Prämissen er ausgeht – und immer auch daran, wie ein Gedanke die Problemhöhe früherer Philosophie aufzunehmen vermag.

Trotz des epochalen Bedeutungswandels und der zahlreichen Differenzen zwischen den verschiedenen Denkschulen und -traditionen lässt sich deshalb dennoch mit gutem Recht von einer zusammenhängenden Geschichte der Philosophie von ihren Anfängen bei den Vorsokratikern um 600 v. Chr. bis zur Gegenwart sprechen. So wie sich die Bedeutung von Metaphysik, Ontologie, Ethik und allen anderen Bereichen der Philosophie im Laufe der Geschichte zwar wandelt, dabei aber immer die alten Bedeutungen aufgenommen und im Lichte neuer Einsichten anders und besser zu begründen versucht werden, so bezieht sich auch die Philosophie gerade dadurch, dass sie sich im Ganzen wandelt und erneuert, immer wieder auf ihre eigenen Anfänge und versucht, alle bisherige Philosophie noch zu unterfangen und in den neuen Ansatz in veränderter Form mit aufzunehmen. Das heißt nun freilich nicht, dass die Philosophie das antike Denken nur noch entfaltet und nicht aus der eigenen Tradition ausbrechen kann. Sie kann und tut das beständig. Aber nicht so, dass sie das bisher Gedachte einfach ignoriert und einen Ansatz entwickelt, der völlig zusammenhanglos und ohne jeden Bezug zu aller früheren Philosophie ist. Stattdessen beweist das Denken seine eigene Freiheit gerade darin, früher Gedachtes zu kritisieren und tiefer zu gründen – und das immer auch im Austausch mit dem Denken anderer kultureller Traditionen.

Allerdings ist es von entscheidender Bedeutung zu sehen, dass der Blick auf die Zusammengehörigkeit der Philosophie seit der griechischen Antike nicht scharf genug ist, um den verschiedenen geschichtlichen und sachlich differenten Ansätzen der Philosophie im Einzelnen gerecht zu werden. Es kommt deshalb sehr darauf an, die jeweilige Betrachtungs- und Fragedimension zu wahren. Die Bedeutung des Deutschen Idealismus ist in der Dimension eines geschichtlichen Zusammenblicks der Philosophie nicht in der ihr eigenen Höhe darstellbar. Umgekehrt lässt sich dieser Zusammenblick in der Dimension einzelner Denkansätze nur dann leisten, wenn diese Ansätze die Zusammengehörigkeit des philosophischen Denkens eigens bedenken.

Die Unterscheidung der Dimensionen ist für die interkulturelle Philosophie wichtig. Einen Austausch zwischen den Kulturen gibt es auf allen möglichen Ebenen. Gerade die Philosophie des Deutschen Idealismus ist von Denkern zahlreicher Kulturen aufgegriffen und bearbeitet worden. Ähnlich wie für die ›Lichtmetaphysik‹ as-Suhrawardīas-Suhrawardīs bereits angedeutet, ist auf dieser Ebene selbstverständlich ein philosophisches Gespräch zwischen den Kulturen möglich. Damit es zu einem interkulturellen Gespräch wird, müssen in ihm aber auch die kulturellen Dimensionen mit zur Sprache kommen, d.h. es darf nicht nur um verschiedene Auslegungen des Deutschen Idealismus gehen, sondern es muss zugleich um die Verschiedenheit der zugrunde liegenden Denkerfahrungen und Philosophietraditionen gehen, die in den verschiedenen Auslegungen anklingen. Die Philosophie wird darum erst dort interkulturell, wo sie sich im Ganzen durch das Gespräch mit anderen Kulturen betreffen lässt und nicht darauf beharrt, den Bedeutungsrahmen eines philosophischen Gesprächs immer schon voraussetzen zu können.

Interkulturelle Philosophie

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