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Britta

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Es hatte durchaus Elemente in der Wohnung gegeben, die der Behausung einen persönlichen Anstrich und eine gewisse Wohnlichkeit verliehen hatten, doch diese waren mit meiner Freundin, bzw. richtiger: Ex-Freundin, vor ca. zwei Monaten ausgezogen.

Britta hatte sich zu diesem (für den Zustand der Wohnung definitiv nachteiligen) Schritt entschlossen, nachdem sich unser Zusammenleben zunehmend unharmonisch gestaltete.

Nach gewissen Startschwierigkeiten, die zum Teil der für mich ungewohnten Situation des Zusammenwohnens mit einer Frau geschuldet waren, hatten wir uns eigentlich über die Jahre ganz gut eingespielt. Wenn man es, wie ich, lange Jahre gewohnt war, allein bzw. in einer Studenten-WG zu wohnen, sind die Kompromisse, die eine Wohngemeinschaft mit einer Frau, noch dazu einer Vegetarierin, mit sich bringen, zunächst schwer zu akzeptieren. Der richtige Inhalt des Kühlschranks sowie die Hygienestandards in Bad und Küche waren hierbei nur einige der strittigen Punkte. Dass man sich bei einem Kompromiss immer zwischen den beiden Ausgangspositionen trifft, ist sicher richtig, allerdings war der Weg dorthin von meinem Standpunkt aus oftmals deutlich weiter als von ihrem. Allerdings bot das Zusammenleben auch unbestreitbare Vorteile (nein, nicht nur den Zustand der Wohnung betreffend), so dass ich mich letztendlich überraschend schnell mit der neuen Situation arrangieren konnte.

Die ernsthafteren Schwierigkeiten in unserer Beziehung hatten angefangen, als Britta erkannte, dass ihre Vorstellungen von einer gemeinsamen Zukunft als verheiratetes Ehepaar mit zwei Kindern (eine Tochter, Luise, und ein Sohn, Elliot) in einem Eigenheim (Reiheneckhaus) am Stadtrand sich mit meinen nicht zu 100% deckten. Um etwas präziser zu sein, muss ich gestehen, dass ich überhaupt keine Pläne unsere gemeinsame Zukunft betreffend hatte, die über den Status quo, mit dem ich insgesamt ganz zufrieden war, wesentlich hinausgingen. Außerdem war ich der Ansicht, dass man sich im zarten Alter von 38 Jahren nicht ohne Not schon diese Art von Verantwortung aufhalsen musste. Was war so falsch daran, sich der Annehmlichkeiten und Freiheiten zu erfreuen, die das Leben als unverheiratetes kinderloses Paar mit zwei akzeptablen Einkommen bereit hielt? Zwei- bis dreimal im Jahr Urlaub außerhalb der Schulferien, Ausschlafen am Wochenende, Stadionbesuche am Samstag, abends mal weggehen, wenn man gerade Lust dazu hatte, usw. sollte ich eintauschen gegen durchwachte Nächte, Jahresurlaub im Familienhotel zur Stoßzeit, Wochenenden im Zoo und Nachmittagskaffee mit anderen jungen Eltern? Und, was mit am schlimmsten wäre, Kombi fahren müssen? Sehr verlockend. Allein der Gedanke an das Traumszenario meiner Freundin verursachte mir Beklemmungen.

Ja, ja, ich weiß, all die Einschränkungen sind 1000-fach aufgewogen, wenn das kleine Wesen Dich einmal anlächelt / Papa sagt / usw., und ich hatte prinzipiell auch nichts dagegen, meine vorzeigbaren Gene der Nachwelt zu erhalten, aber in meinen Augen hatte das Alles noch reichlich Zeit. Um ganz ehrlich zu sein, fühlte ich mich auch noch nicht wirklich reif für diese Verantwortung. (Und Kombifahren? Nein, ehrlich nicht.)

Britta war hier dezidiert anderer Meinung und konnte sich auch mit meinem Kompromissvorschlag („Lass uns das in einem Jahr noch mal besprechen“) nicht anfreunden, vermutlich nicht zuletzt deswegen, weil sie diesen Vorschlag bereits im dritten Jahr in Folge hörte.

„Niko, wir müssen reden“, eröffnete sie mir daher eines Abends, als ich vom Büro nach Hause kam.

Natürlich weiß ich nicht, wie es Ihnen geht, aber meiner persönlichen Erfahrung nach kündigt diese Eröffnung nur ganz selten etwas Positives an. Zum Beispiel habe ich noch nie gehört:

„Niko, wir müssen reden, Du gehst viel zu selten mit Deinen Kumpels mal was trinken“, oder

„Niko, wir müssen reden, ich möchte dass Du Dir überlegst, ob Du nicht Gefallen an einem flotten Dreier mit meiner Freundin und mir fändest“.

Dieses Mal sollte keine Ausnahme bilden.

„Du weißt, dass ich sehr gern mit Dir zusammen bin“, sagte Britta.

„Ich dachte, dass unser Jahrestag der geeignete Zeitpunkt wäre, mit Dir noch mal darüber zu sprechen, wie es mit uns weitergehen soll.“

In diesem Augenblick fiel mein Blick auf den festlich gedeckten Tisch und ich bemerkte den verlockenden Duft des Auflaufs, der im Ofen vor sich hin brutzelte.

Verdammt, ich hatte den Jahrestag vergessen. Schon wieder. Das brachte mich in eine besonders ungünstige Verhandlungsposition. Die Tatsache, dass es sich um unser fünfjähriges Jubiläum handelte, das von Britta irritierenderweise als „runder“ Termin interpretiert wurde, machten meine Lage noch aussichtsloser. Schnell ging ich auf sie zu, umarmte sie und gab ihr einen Kuss.

„Alles Liebe zum Jahrestag, mein Schatz“, sagte ich.

„Hör zu“, fuhr ich hilflos fort, „es ist so, dass ich die Blumen im Büro liegengelassen hab...“

An dieser Stelle unterbrach sie mich lächelnd.

„Das kann doch mal passieren. Hauptsache ist doch, dass Du daran gedacht hast.“

Normalerweise hätte dieser Satz jämmerlich in Ironie ertrinken müssen, aber der Tonfall war überwiegend nachsichtig und höchstens mit einer ganz kleinen Prise Tadel versehen. Natürlich war ihr klar, dass ich unser Jubiläum vergessen hatte und sie wusste, dass ich es wusste. Jetzt, da ich feststellte, dass sie keine Anstalten machte, mir wegen dieses ungeheuren Versäumnisses die fällige Szene zu machen, verließ mich der letzte Mut und Panik begann in mir aufzusteigen. Normalerweise ließ sie solche Steilpässe nicht aus. Dass sie es hier doch tat, ließ Schlimmes befürchten.

„Wichtig ist doch, dass wir zusammen sind und ich möchte, dass es auch so bleibt.“

Ok, bisher waren die großen Geschütze stumm geblieben, aber die Eröffnung hatte machte mich nervös gemacht.

„Ja?“, fragte ich vorsichtig. „Geht mir ganz genauso. Was riecht denn da so verführerisch?“, fragte ich in dem verzweifelten Versuch, das verminte Gelände doch noch zu verlassen.

„Zum Essen kommen wir noch früh genug“, sagte sie, langsam etwas ungeduldiger werdend. „Wie Du weißt, werde ich dieses Jahr 32.“

An dieser Stelle ist ein kleiner Einblick in die weibliche Kommunikation hilfreich. Wie wir aus der Sprachwissenschaft wissen, enthält ein Aussagesatz in einer Konversation in der Regel neben der eigentlichen Aussage eine unausgesprochene Frage und eine unausgesprochene Aufforderung. Zur Verdeutlichung hier ein kleines Beispiel.

Person A: „Der Mülleimer ist voll.“

Ist Person A männlich, lautet die unausgesprochene Frage: „Warum haben wir keinen größeren Mülleimer?“ und die unausgesprochene Aufforderung: „Lass uns einen größeren Mülleimer kaufen!“

Ist Person A weiblich, lautet die Frage:

„Wie kannst Du nur so unaufmerksam sein und nicht bemerken, dass der Mülleimer voll ist? Ich schufte mir hier für Dich Tag für Tag in der Küche die Finger wund und Du bekommst es nicht einmal mit. Ist es wirklich zuviel verlangt, dass Du Dich auch mal für fünf Minuten an der Hausarbeit beteiligst, Deinen faulen Hintern vom Sofa hebst und den Müll runter bringst? Warum habe ich nicht auf meine Mutter gehört, als sie mich vor Dir gewarnt hat? Ist das der Dank dafür, dass ich Dir meine besten Jahre geschenkt habe? Womit habe ich das verdient? …“

Die Aufforderung lautet primär nicht etwa: „Bring endlich den Müll runter!“, sondern: „Lass Dir etwas einfallen, wie Du das wieder gut machen kannst!“ Im Grunde verdichten sich in der Kommunikation von Frauen mit Männern, die in einer Beziehung leben, die unausgesprochene Frage und Aufforderung schlussendlich sehr oft zum unausgesprochenen Vorwurf.

„Findest Du mich zu dick?“, heißt demnach im Klartext:

„Du sexistisches Chauvinisten-Schwein, nur weil ich nicht den typischen Männer-Phantasien entspreche, die ihr uns mit Hilfe der Medien aufzwingen wollt und die uns Frauen zu bloßen Lust-Objekten Eurer krankhaften Vorstellungen degradieren, hast Du kein Recht mich so herzlos zu behandeln. Im Übrigen siehst Du auch nicht aus wie Brad Pitt.“

Aber ich bin kurz abgeschweift, zurück zur Unterhaltung.

„Wie Du weißt, werde ich dieses Jahr 32.“

(Unausgesprochener Vorwurf: „Hoffentlich vergisst Du meinen Geburtstag nicht auch noch.“)

„Langsam möchte ich schon gern wissen, ob es Dir mit uns genauso ernst ist wie mir.“ (Unausgesprochener Vorwurf: „Du liebst mich nicht! Jedenfalls nicht so sehr, wie Du müsstest!“)

Frauen verfügen über unzählige Talente. Eines der ausgeprägteren davon ist die Fähigkeit, in uns Schuldgefühle dafür zu wecken, dass sich unsere Sicht der Dinge von der ihren unterscheidet.

„Äh, was genau stimmt denn nicht mit uns, so wie es jetzt ist?“, fragte ich zaghaft.

„Meinst Du nicht, dass es nach fünf Jahren langsam Zeit ist, sich zu entscheiden, gemeinsam den nächsten Schritt zu gehen?“

Suggestivfragen haben eine spezielle Wirkung auf mich. Sie provozieren fast automatisch die Antwort, die die Frage nicht vorsieht.

„Eigentlich nicht“, antwortete ich daher, ohne ausreichend darüber nachgedacht zu haben. Brittas Gesichtsausdruck ließ nur zwei Schlüsse zu. Entweder hatte sie gerade festgestellt, dass ich ihre lachsfarbene seidene Lieblingsbluse versehentlich mit der Kochwäsche gewaschen hatte, oder meine Antwort gefiel ihr nicht besonders.

„Irgendwie hatte ich mit so was gerechnet“, sagte sie.

„Du willst einfach nicht erwachsen werden. Deswegen will ich es Dir ganz leicht machen, weil ich glaube, dass Du eigentlich nur einen kleinen Schubser brauchst. Sag mir einfach hier und jetzt, ob wir dieses Jahr noch heiraten wollen, oder wir beenden die ganze Sache einfach.“

„Äh, noch vor dem Essen?“

Mein feines Gespür für Brittas Stimmungslagen verriet mir, dass ich wieder nicht die gewünschte Antwort gegeben hatte. Die fast unmerkliche Farbänderung ihrer blauen Augen, die immer eine Nuance dunkler wurden, wenn sie wütend war und der verhärtete Zug um ihren Mund sagten mir, dass ich es diesmal wohl übertrieben hatte. Das und die Tatsache, dass sie wortlos die vegetarische Lasagne aus dem Ofen nahm, sie samt Auflaufform in den Müll warf, ihre Jacke aus der Garderobe riss und beim Verlassen der Wohnung die Tür so zuknallte, dass der Putz von der Decke rieselte.

„Wir werden ja sehen, wie Du ohne mich zurechtkommst! (*)“, brüllte sie noch laut genug, um sie durch die geschlossene Tür (diejenige zwei Etagen über uns) mühelos zu verstehen.

(*): Zu meiner Verwunderung ist bei allen Mädchen, mit denen ich mal was hatte, die Überzeugung felsenfest verankert, dass Jungs ohne weibliche Obhut faktisch nicht lebensfähig sind und nach kürzester Zeit unausweichlich der völligen Verwahrlosung anheim fallen. Und das, obwohl ja im Falle des Zusammenlebens penibelst darauf geachtet wird, dass alle anfallende Hausarbeit so genau wie irgend möglich auf beide Parteien aufgeteilt wird und obwohl, sorry Mädels, keine der erwähnten jungen Damen auch nur annähernd so gut kochen konnte wie ich. Oder bügeln. Eure Weigerung, uns Jungs so zu verhätscheln, wie wir es von Mama gewohnt waren, hat uns eben zwangsläufig selbständig werden lassen. Allerdings hat diese panische Angst der Frauen, als unmündiges Heimchen am Herd dazustehen, im Grunde dazu geführt, dass das Zusammenleben oft zu einer Zweck-WG mit gelegentlichem Sex degradiert wird.

War ja klar

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