Читать книгу Das Lachen der Yanomami - Nina Hutzfeldt - Страница 11

8

Оглавление

Am nächsten Morgen wachte Jayden von seinem eigenen Niesen auf. Als er die Augen öffnete, entdeckte er über sich ein Blatt, das an einem Ast befestigt war und sich seiner Nase näherte. Erschrocken wandte er den Blick und sah einen kleinen Jungen, der ihn mit einem Blatt kitzelte und sich dabei freute wie ein Honigkuchenpferd.

»Hallo, du bist ja ein süßer Kerl«, sagte Jayden und wollte sich aufraffen.

Doch der Junge hielt im abwehrend das Blatt vor die Brust. Dabei sagte er etwas in einer Sprache, die Jayden nicht verstand. Dann sprang der Junge ins Wasser und schwamm flink wie ein kleiner Heuler auf die andere Seite. Ungläubig blickte Jayden ihm hinterher und als der Junge sich umdrehte und ihm zuwinkte, konnte Jayden nicht anders. Er watete ebenfalls ins Wasser. Er hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten, denn der Boden war schlickig.

»Warte auf mich«, rief Jayden, aber der Kleine flitzte in den Wald und versteckte sich hinter einem Baum. »Was mache ich hier überhaupt?«, fragte Jayden sich und blickte zurück zu seinem Schlafplatz. Kurz überlegte er, ob er nicht doch zurückgehen sollte. Er gehörte schließlich zu den Goldsuchern. Aber was hielt ihn da noch? Alle, bis auf Tomas, waren gegen ihn. Er war der Waschlappen zwischen den harten Kerlen. Aber konnte er den Freund seines Vaters zurücklassen? Die beiden waren zusammen im Krieg gewesen und Kameraden ließ man nicht zurück.

Während Jayden im Wasser stand, bemerkte er nicht, dass einige Fische auf ihn aufmerksam geworden waren. Der schmerzhafte Biss eines Piranhas ließ ihn aufschreien und flüchten. Da er den Fluss schon halb durchquert hatte, schwamm er auf die andere Flussseite, zu dem Jungen. Dieser hatte seine Finger in den Mund genommen und hüpfte aufgeregt am Wasser herum. Mit letzter Kraft zog Jayden sich aus dem Wasser. Der Piranha hatte ein Stück Fleisch aus seinem Unterschenkel gebissen. Blut tropfte aus der Wunde. Jayden brauchte dringend ärztliche Versorgung. Vor Schmerzen wurde ihm schwindelig und er legte sich hin. Der kleine Junge fühlte seine Stirn und lief davon.

Mehrere Minuten waren vergangen, als der kleine Junge mit einem großen Mann zurückkam. Dieser trug ebenfalls eine Ponyfrisur, wie Jayden später feststellte. Seine Oberarme waren mit Federn geschmückt und sein Penis war an einer Schnur hochgebunden. Der Mann trat näher und legte Jayden eine Hand auf die Stirn. Der kleine Junge zeigte dem Mann Jaydens aufgerissene Hose und folgte seinen schnellen Anweisungen. Jayden hatte Glück gehabt. Er hatte schnell reagiert, so dass der Piranha ihn nur leicht erwischt hatte. Trotzdem tropfte das Blut aus der Wunde. Ein Piranha fixiert zunächst seine Beute, schießt dann wie eine Kugel auf sie zu und beißt. Anschließend macht er eine Rüttelbewegung, mit der er ein Stück Fleisch entfernt. Jayden hatte sich zwischen Biss und Rüttelbewegung befreien können und so nur ein kleines Stück Fleisch verloren. Doch durch den Blutverlust war er sehr erschöpft. Er schloss die Augen.

Als Jayden die Augen wieder öffnete, lag er in einer Hängematte. Er erschrak, als er die vielen Ureinwohner sah, die ihn neugierig anstarrten. Die Männer standen um ihn herum, während die Frauen mit ihren Kindern auf dem Schoß saßen. Sein Blick glitt zu dem verwundeten Bein. Es war abgebunden und schmerzte höllisch.

Ein Mann, der Jayden bekannt vorkam, sagte etwas und kam auf ihn zu. Er hatte einen Krug mit Wasser und flößte Jayden etwas Flüssigkeit ein.

Die übrigen Männer traten dichter an sein Bett und hockten sich hin. Ein älterer Mann trug ein meterlanges Rohr, das er sich vor die Nase hielt. Jayden konnte an seinen kleinen, müden Augen erkennen, dass er durch das Rohr etwas zu sich nahm. Er fragte sich, ob es eine Droge war und schlief wieder ein.

Zwei Tage vergingen, in denen Jayden nicht aus den Augen gelassen wurde. Nachdem er sich etwas erholt hatte, konnte er die Rundhütte, in dem ein ganzes Dorf Platz fand, verlassen. Er nannte sie liebevoll sein »kleines Zirkuszelt«.

Die Baumstämme auf dem Dorfplatz bildeten einen Ort der Gemeinschaft. Er spielte mit den Kindern »Hoppe, hoppe Reiter«. Die Kleinen stellten sich immer wieder aufs Neue an, um es noch einmal zu spielen. Dabei zogen sie ihn an den Brusthaaren, denn da die Ureinwohner glatthäutig waren, kannten sie so eine Behaarung nicht. Alles Neue musste bestaunt, angefasst und lautstark diskutiert werden, auch wenn Jayden nicht ein einziges Wort verstand. Zu den Mahlzeiten bekam Jayden von den Frauen Bananenbrei in einer Kürbisschale gereicht. Es schmeckte süßlich und war eines der besten Gerichte, die Jayden in den letzten Monaten gegessen hatte. An den Abenden bemalten sich die Männer mit schwarzer oder roter Farbe. Entweder war ihre Haut mit Ringen verziert oder es zogen sich Wellen über den gesamten Körper. Federn schmückten die Oberarme und manchmal auch die Beine. Dann wurde wild getanzt, was manchmal mehrere Stunden dauerte. Jayden hatte noch Mühe, das Gewicht auf sein krankes Bein zu verlagern, so dass er als stiller Beobachter auf einem der Baumstämme saß.

Dabei beobachtete er die jungen Frauen und rief sich eine Szene aus seiner Vergangenheit ins Gedächtnis. Skye und Faith waren nach einem Fest von der Schule nach Hause gekommen. Sie trugen bunt bemalte Kleider, waren im Gesicht bemalt und ihr Kopf wurde von Federn geziert. Sie klingelten und als Molly öffnete, liefen sie mit wildem Geschrei durch das Haus auf Jayden zu. Er saß mit einem Glas Wein auf dem Sofa und war gerade dabei einzudösen, als er von zwei Indianerinnen attackiert wurde. Erschrocken schnellte er aus der Couch hoch und der Wein aus seinem Glas ergoss sich über Couch und Teppich. An diesen Moment klammerte Jayden sich fest, denn es war einer der wunderschönen Tage gewesen, an denen nichts wichtiger war, als mit der Familie vereint zu sein. Nicht einmal Molly hatte zu dem Weinfleck auf der Couch etwas gesagt. Sie setzte sich einfach neben ihren Mann und lachte, während die beiden Krieger ihre Gefangenen fesselten.

Ein junges Mädchen, holte ihn aus seiner Erinnerung in die Wälder von Amazonien zurück.

»Hallo«, sagte Jayden verblüfft und lächelte das Mädchen an. Sie musste sicher schon siebzehn oder achtzehn sein, wenn nicht älter. Vielleicht sogar verheiratet? Jayden wusste es nicht. Er spürte nur ihre Finger auf seiner Haut. Sie trug ihm rote Pflanzenfarbe auf, die als Schmuck oder auch als Schutz gegen Insekten diente. Jayden ließ die Einbalsamierung über sich ergehen. Die Farbe fühlte sich erst kalt auf der Haut an.

Jayden lächelte das Mädchen an. Sie war ziemlich klein und schmal für ihr Alter, dachte er und schmunzelte. »Ich heiße Jayden«, stellte er sich vor und legte seine Hand auf den Brustkorb. »Jayden«, wiederholte er seinen Namen.

Doch das junge Mädchen kniff nur die Augen zusammen. Sie öffnete leicht den Mund.

»Jayden«, sagte er erneut.

»Ja..y...d...en«, brachte das Mädchen hervor.

»Ja, ganz richtig. Ich heiße Jayden und wie heißt du?« Jayden zeigte mit dem Finger auf das Mädchen.

Aber sie verhielt sich nicht so, wie Jayden es erwartet hatte. Sie senkte den Kopf und wandte sich von ihm ab. Verstanden hatte sie ihn sicher nicht, denn niemand hier sprach seine Sprache.

Erst später sollte Jayden erfahren, warum sie so abweisend zu ihm gewesen war.

Das Lachen der Yanomami

Подняться наверх