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Kapitel 4

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Auch für Wilhelm änderte sich einiges zum Guten - er musste nicht mehr mit seiner Mutter die harte Arbeit am Feld und im Stall verrichten, er ging zur Schule und hatte am Nachmittag etwas nie Gekanntes - Freizeit nannte man das neuerdings. Er konnte tun, was er wollte - mit seinen Freunden spielen, Fernsehen oder - was er fast am liebsten tat - hinüber in den Gasthof gehen, seiner Mutter beim Kochen zusehen und natürlich von allem zu kosten.

In dieser Zeit war es auch, als er eines Tages mit seiner Mutter im Postbus ins benachbarte Ötztal fuhr, um seine Tante Zita, die dort arbeitete, zu besuchen. In Sölden sah Wilhelm das erste Mal in seinem Leben einen richtigen, lebhaften Wintersportort. Als er aus dem Fenster des Busses blickte, während sie durch das Dorf fuhren, bekam er seinen Mund vor Staunen gar nicht mehr zu. Schon damals, es musste so um 1969 gewesen sein, hatte Sölden mehr Gästebetten als Einwohner. Wilhelm hatte noch nie so viele Leute mit so fröhlichen Gesichtern gesehen, alle strömten lachend und schwatzend mit ihren Schiern auf den Schultern und den schweren klobigen Schischuhen an den Beinen durchs Dorf. Sie verschwanden in riesigen Hotels, lauten Bars oder feinen Restaurants. In eines der letzteren führte ihn dann Zita. Sie arbeitete dort als Köchin und zeigte stolz ihrer Verwandtschaft aus dem Pitztal ihren Arbeitsplatz. Als Wilhelm die große, blitzsaubere Küche aus glänzendem Edelstahl und die dampfenden Töpfe auf dem Herd sah, als er den köstlichen Geruch von gerade fertiggebackenem Apfelstrudel einsog, wusste er, dass er soeben seine Berufung gefunden hatte. Er bewunderte die Geschäftigkeit der Köche. Einer nach dem anderen tat seines dazu, um schließlich der Kellnerin einen Teller zu reichen, auf dem ein Kunstwerk aus Speisen, Beilagen und Garnierungen arrangiert war. Wilhelm starrte wie hypnotisiert und vergaß fast darauf, die ihm angebotenen Häppchen zu verkosten. Er fühlte sich wie im Schlaraffenland und wollte gar nicht mehr mit seiner Mutter in ihr graues, kaltes, ödes Tal zurück. Aber er musste, schluchzend wurde er wieder in den Postbus gezerrt und zwei Stunden später waren sie wieder in Neurur. Aber er hatte einen Entschluss gefasst: Er wollte Koch lernen und sein eigenes Restaurant eröffnen - nicht im Pitztal, sondern irgendwo, wo es aufregender war, wo immer lachende Menschen um ihn herum waren und er die Kälte des Tales und seiner Mutter nicht mehr ertragen musste. Sein Heimatdorf kam ihm plötzlich so langweilig und dunkel vor, dass er am liebsten gleich mit der Kochlehre irgendwo in der Fremde angefangen hätte. Doch er musste zuvor noch fünf Jahre Schule hinter sich bringen, was ihm wie eine Ewigkeit vorkam.

Er verbrachte nun jede freie Minute bei seiner Mutter in der Küche des Gasthofs und schaute ihr zu, wie sie Tiroler Greaschtel – Gröstel - verschiedene Knödel, Gulasch, Wiener Schnitzel, Kaiserschmarrn, Apfelmus, verschiedene Strudel und so weiter und so weiter zauberte.

Die untätige Zeit im Gasthof und das oftmalige Verkosten der Köstlichkeiten wirkten sich auf Wilhelms Erscheinung aus - er wurde richtig dick. Mit 14 Jahren wog er schon 90 Kilo - und das bei einer Körpergröße von 1,55 m. Wilhelm selbst störte das reichlich wenig, er fühlte sich wohl in seiner Haut und war in dieser Küche, in der er mit seiner Mutter zusammen sein und seiner Lieblingsbeschäftigung - dem Essen und Kochen - frönen konnte, glücklich.

In der Schule wurde er zum Außenseiter - als den „fetten Willi“ verspotteten ihn bald alle. Auch das belastete ihn eher wenig - er wusste, dass er bald dieses Tal und diese engstirnigen Gesellen verlassen und in der großen weiten Welt (wenn es auch nur das weite Ötztal wäre) seinen Traum verwirklichen würde.

MANGOKNÖDEL

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