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Wohnen wie im Paradies

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Kulturwandel ist angesagt, nicht nur in der Arbeit, sondern auch beim Wohnen. Wir Oldies, vor allem diejenigen unter uns, die alleinstehend sind, erproben gerade Alternativen des Wohnens, abseits des Daseins im Eigenappartement oder der Anmeldung im Pensionistenheim. Wir schließen uns zu Senioren-WGs zusammen, testen betreute Wohngemeinschaften sowie das Leben in Mehrgenerationenhäusern und beleben die Idee der Beginenhöfe wieder, wie in Bielefeld, wo Frauen zwischen 40 und 80 in ihren eigenen Wohnungen aber unter einem Dach leben. Die Beginen waren unabhängige, selbstständige Frauen im Mittelalter, die weder heiraten noch in ein Kloster eintreten wollten, sich aber karitativ engagierten.

Das französische Wohnprojekt „La Maison des Babayaga“ setzt ebenfalls auf die Selbstbestimmung älterer Frauen. Baba bedeutet in den meisten slawischen Sprachen alte Frau. Die Baba-Jaga ist angesiedelt zwischen Hexe, Muttergöttin, Heilerin mit Zauberkräften, Waldfrau. Das Altersheim „La Maison des Babayaga“ ist ein politisches Projekt, das auf vier Prinzipien beruht: Solidarität, Selbstverwaltung, Bügerinnenschaft, Ökologie. Die Idee dazu hatte Thérèse Clerc, eine der bekanntesten Feministinnen Frankreichs. 1995 entstand die „realistische Utopie“, ein Haus mit 25 Wohnungen für freie, engagierte, unabhängige alternde Frauen zu errichten, die Thérèse Clerc mit ein paar Freundinnen weiterentwickelte. Eine Art Gegenmodell zu herkömmlichen Pensionistenheimen, die von der Mehrheit der älteren Menschen in Frankreich abgelehnt werden. Im Alter von 65 leben 77 Prozent aller Frauen alleine, während 75 Prozent der gleichaltrigen Männer eine Partnerschaft haben. 2007 sollte in der Rue de la Convention in Montreuil, Seine-Saint Denis, der erste Spatenstich passieren, aber dann wurden versprochene Gelder zurückgezogen, weil dieses Haus „nur“ für Frauen konzipiert war, obwohl das Erdgeschoß Männern und Frauen für Kunst, Versammlungen, Diskussionen, Empfänge, Feste offen steht. Es ist sogar eine Universität für Ältere angedacht. „La Maison des Babayaga“ befindet sich nicht in abgeschiedener Naturlandschaft, sondern im Stadtzentrum, umgeben von U-Bahn, Geschäften, Kinos. Es wurde 2013 eröffnet.

„Es war ein langer, schwieriger Weg“, konstatiert Thérèse Clerc. Inzwischen sind andere französische Städte an dem Projekt interessiert, denn immerhin ist bereits heute ein Viertel der französischen Bevölkerung, ca. 17 Millionen, über 60, und bis 2050 werden die Über-60-Jährigen ein Drittel ausmachen.

„Paradies für Großeltern“ wird „Trabensol“ bei Madrid, Spanien, genannt, das im Sommer 2014 seinen ersten Geburtstag feierte. Es begann 2002. Eine Gruppe sozial aktiver Menschen erkannte, dass sie älter wurden und für diesen Lebensabschnitt einen Plan entwickeln sollten. Nach langen Diskussionen stand fest, sie bilden eine Kooperative und bauen ein Gemeindezentrum für ältere Menschen, das von diesen selbst verwaltet wird. Als erster Schritt wurde der passende Ort gesucht. Das war zur Zeit des Immobilienbooms in Spanien mit den hochgeputschten Grundstückspreisen nicht leicht. Dann stieß die Gruppe auf den Bürgermeister von Torremocha Jarama, einer kleinen Stadt nördlich von Madrid mit über 40 Handwerksunternehmen. Am Fuße des Berges entstanden Wohnungen für 54 Bewohnerinnen und Bewohner, Gemeinschaftsräume für Reiki, Akupunktur, Musik, Malerei, Videobearbeitung, ein „religiöser“ Raum für alle, um zu beten, zu meditieren oder Yoga zu praktizieren, ein 10.000 Quadratmeter großer Garten und ruhige Innenhöfe. Als Energiequelle wird in Trabensol Geothermie verwendet. Die Philosophie von Trabensol, eine Abkürzung von Arbeitersolidaritätsvereinigung, beruht auf der Ansicht, dass reiche, warme, positive Beziehungen das Leben ausmachen. Die Grundprinzipien heißen Solidarität, gegenseitige Hilfe, Koexistenz, Unabhängigkeit, Nachhaltigkeit, befriedigendes Leben, spätere Pflege.

Trabensol, Babayaga oder das Wohnprojekt „OLGA“ – Oldies Leben Gemeinsam Aktiv – in Nürnberg, sind interessante, visionär angelegte Ideen für neue Wohnformen im Alter. Aber oft führen auch kleine Schritte zu großen Veränderungen.

Was tun, wenn die Wohnung, das Haus zu groß geworden ist? Zum Beispiel in eine kleinere Gemeindewohnung übersiedeln, wie es die „Aktion 65Plus“ der Gemeinde Wien ermöglicht. Oder wir versuchen intergenerationelles Zusammenleben wie Linxin und Colette. Colette ist 91 und verfügt über eine geräumige Wohnung im Quartier Latin in Paris, in der sie alleine lebt. Linxin ist 24, kommt aus China und studiert in Paris. Als Student eine preiswerte Wohnung zu finden, ist in Paris genauso schwer wie in anderen teuren europäischen Städten. Warum also nicht junge Menschen, die ein Zimmer suchen, und ältere Menschen, die mehr Zimmer haben als sie bewohnen können, zusammenbringen? „Le Logement intergénérationnel“ ist eine von mehreren französischen Organisationen, die sich auf die Vermittlung jung/ alt spezialisiert haben. In der Schweiz und in deutschen Städten gibt es bereits ähnliche Zweck-WGs. Die Studenten wohnen bei Senioren und helfen dafür im Haushalt. Pro Quadratmeter Wohnung ist eine Stunde Hilfe im Monat vorgesehen, dazu kommt noch eine Beteiligung an Heizung, Strom, Wasser.

Oder warum nicht das Modell Zeitvorsorge ausprobieren, damit Ältere, die der Unterstützung bedürfen, weiterhin zu Hause leben können. Diejenigen unter uns, die noch gut beisammen sind, also „die Zeitvorsorgenden“, unterstützen die Hilfsbedürftigen unter uns im Alltag und erhalten dafür Zeiteinheiten auf einem individuellen Konto gutgeschrieben. Diese abgearbeiteten Zeiteinheiten können sie später, bei eigenem Bedarf, gegen entsprechende Leistungen neuer Zeitvorsorgender eintauschen. Das Stadtparlament von St. Gallen, Schweiz, hat der Umsetzung des Zeitvorsorgemodells zugestimmt, die Stiftung Zeitvorsorge soll die jeweiligen Zeitguthaben koordinieren. Ähnliches probiert ein Verein in Oberösterreich auf der Basis des Tauschhandels in den Bereichen Nachbarschaftshilfe, Zeitvorsorge, Wirtschaftsnetz. Wer anderen eine Stunde hilft, also eine Stunde arbeitet, erhält eine Gutschrift von einer Stunde auf seinem Zeitkonto und kann damit wieder eine Stunde Hilfe beziehungsweise Arbeitsleistung beziehen. Vielleicht ist die Kritik nicht unberechtigt, dass in diesem Fall auch Zeit eine Art Währung ist und dass möglicherweise Freiwilligenarbeit und Nachbarschaftshilfe zurückgehen. Andererseits sollten wir Modellen wie diesen zunächst einmal Chancen zum Ausprobieren geben und überlegen, wie sich die Vorteile neuer Ideen mit dem erwiesenen Nutzen von alten Konzepten zu einem sinnvollen Ganzen kombinieren lassen.

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