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1. Einleitung

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Das Verlangen, in die Zukunft sehen und wissen zu können, welches Ereignis demnächst eintreten wird, liegt in der Natur des Menschen. Dieses Verlangen betrifft auch die Frage danach, ob eine kriminelle Person ihr ganzes Leben lang delinquent bleibt und Straftaten verüben wird oder ihre kriminelle Karriere beendet.

In Deutschland werden Beschuldigte einer Straftat nach dem Strafgesetzbuch und anderen mit Strafe bewährten Nebengesetzen sanktioniert. Wesentlicher Zweck einer Strafe ist hierbei, die Individual- und die Generalprävention, sowie die Resozialisierung. Nebst der sanktionierenden Wirkung von Freiheitsstrafen spielt jedoch auch der Schutz der Bevölkerung vor weiteren potenziellen Rechtsgutverletzungen durch den Straftäter eine entscheidende Rolle.1 Aus diesem Grund greift die Polizei und Justiz auf Kriminalprognosen zurück, um bei straffällig gewordenen Personen die Wahrscheinlichkeit eines zukünftigen Rückfalls sowie die allgemeine Gefährlichkeit des Täters zu beurteilen. Unter Kriminalprognosen sind Annahmen und Einschätzungen im Hinblick auf ein zukünftiges strafrechtliches Verhalten von Personen, sogenannten Delinquenten, zu verstehen, welche im Regelfall bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten sind.2 In diesem Zusammenhang wird die Kriminalprognose auch als Rückfallprognose bezeichnet.3 Diese Prognosen haben im Strafverfahren Einfluss darauf, welche strafrechtlichen Konsequenzen der Delinquent zu erwarten hat und welche Sanktionen festgesetzt werden. Hat dieser eine Freiheitsstrafe zu erwarten, kommt insbesondere die Beurteilung der Frage zum Tragen, ob die Voraussetzungen für eine Anordnung von freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung vorliegen.

Werden im Zuge von Haft und Unterbringung eines Straftäters Lockerungen und therapeutische Vollzugsmaßnahmen in Erwägung gezogen, ist vorerst eine Risikoanalyse und Gefährlichkeitseinschätzung der betroffenen Person vorzunehmen. Zielt eine Prognose darauf ab, Veränderungen an der Art des Vollzugs des Betroffenen zu bewirken, z. B. offener oder geschlossener Vollzug sowie Beurlaubungen, so ist die Rede von Lockerungsprognosen.

Die Anwendung von Kriminalprognosen verfolgt im Wesentlichen zwei Ziele, durch welche schlussendlich auch der Vollzug von Freiheitsstrafen gerechtfertigt wird: Ein zukünftig straftatfreies Verhalten des Betroffenen sowie der Schutz der Gesellschaft.4 Es ist zu berücksichtigen, dass die Freiheit menschlicher Willensentscheidungen Prognoseeinschätzungen Grenzen setzt oder diese gar unmöglich macht. Es besteht ein hohes Restrisiko eines Irrtums bei einer Kriminalprognose.5 Ein Restrisiko negativer Prognosebeurteilungen bleibt also nicht aus.6 Tatsächlich soll die Quote von unzutreffenden Kriminalprognosen wegen Gefährlichkeit in Gewahrsam gehaltenen Personen zwischen 60 und 70 % liegen. Obwohl diese nach einer Entlassung vermutlich nicht rückfällig werden würden, bleiben sie aufgrund beschränkter Einschätzungen jedoch weiterhin in Verwahrung.7

In der polizeilichen Praxis werden durch Polizeibeamte Kriminalprognosen hauptsächlich bei der Anregung von Anträgen zum Erlass von Untersuchungshaftmaßnahmen, bei der Bearbeitung von Delikten der Häuslichen Gewalt, bei der Durchführung und Anordnung von erkennungsdienstlichen Maßnahmen, bei der Erstellung von Merkblättern sowie bei Bedrohungslagen gestellt. Bei der Durchführung von Maßnahmen im Rahmen des KURS-Programmes gilt das Gleiche. Darüber hinaus sind bei der polizeilichen Prognoseerstellung auch allgemeine Prognosen zur Kriminalitätsentwicklung oder Phänomenentwicklung sowie operative/strategische Prognosefelder zu berücksichtigen.

Kriminalprognose und ihre Bedeutung für die Polizei

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