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2.2 Prognoseerstellung in der Praxis

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Mit Kriminalprognosen werden in den meisten Fällen Gefährlichkeits- oder auch Rückfallprognosen vorgenommen, die Aufschluss über die Wahrscheinlichkeit bzw. das Risiko einer erneuten Straffälligkeit geben.15

Bei einer Individualprognose wird eine einzelne Person betrachtet und ihr zukünftiges Legalverhalten prognostiziert. Die Prognose stellt Wahrscheinlichkeitsaussagen dar, die auf bisherigen Erkenntnissen über die betroffene Person basieren.

Kollektivprognosen dagegen dienen der Prognoseerstellung im Hinblick auf die allgemeine Kriminalitätsentwicklung in einer gewissen Bevölkerungsgruppe, einem Gebiet oder innerhalb eines Zeitraums.16

Bei Individualprognosen wird zwischen Frühprognosen und Rückfallprognosen unterschieden.

In strafrechtlicher Hinsicht haben Frühprognosen keine Bedeutung, da es sich hierbei um die Prognoseerstellung bei noch nicht strafrechtlich in Erscheinung getretenen Personen handelt. Frühprognosen werden häufig bei Kindern/Jugendlichen verwendet, bei denen die Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie irgendwann strafrechtlich in Erscheinung treten könnten. Sie dienen ausschließlich der Prävention. Der Zweck liegt darin begründet, rechtzeitig erzieherische Interventionen einleiten zu können, um ein späteres Abgleiten in die Delinquenz zu vermeiden. Ein Beispiel hierfür ist das in Nordrhein-Westfalen angewendete Präventionskonzept „Kurve kriegen“.

Rückfallprognosen beschäftigen sich mit der Frage, ob nach bereits begangenen Straftaten weitere Straftaten folgen werden.17

Eine Besonderheit der Rückfallprognose ist die Urteilsprognose, die auf Antrag des beurteilenden Gerichts vor der Verkündung einer gerichtlichen Strafe erstellt wird. Diese Prognose dient der Strafzumessung. Das Gericht prüft beispielsweise, ob eine Sanktion nicht auch zur Bewährung ausgesetzt werden kann.18

Eine weitere Besonderheit der Rückfallprognose stellt die Entlassungsprognose dar. Sie wird erstellt, wenn darüber zu entschieden ist, ob die restliche noch zu verbüßende Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Somit muss eine Prognose über das zukünftige Legalverhalten einer Person erstellt werden. Auch für Entscheidungen über eine anschließende Sicherheitsverwahrung wird eine Prognose benötigt.19 § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB nennt diesbezüglich explizit die Gefährlichkeit einer Person für die Allgemeinheit aufgrund zuvor begangener Straftaten.

Ist eine Person verurteilt, kann eine Vollzugprognose durchgeführt werden. Diese soll Aufschluss darüber geben, ob z. B. Lockerungen des Vollzugs der Freiheitsstrafe zielführend und möglich sind. Vollzugsprognosen werden regelmäßig gemäß § 11 Abs. 2 StVollzG erstellt.

Weiterhin ist hier noch die Entlassungsprognose zu erwähnen. Diese wird nach Verbüßen der Sanktion angewandt und soll Aufschluss über das wahrscheinliche Verhalten in Freiheit geben. Diese Prognoseart kann auch nach einem Teil der Sanktion angewandt werden, um festzustellen, ob eine Reststrafe in Form einer Bewährung gemäß §§ 57, 57a StGB verbüßt werden kann.

Letztlich wird eine Einweisungsprognose bei Angeklagten angewandt, bei denen der Verdacht besteht, dass eine Einweisung bzw. Unterbringung in ein psychiatrisches Krankenhaus, in eine Entzugsanstalt oder in eine Sicherungsverwahrung vonnöten sein wird.20

Weiterhin wird mithilfe einer klinischen Kriminalprognose eine Lockerungsprognose erstellt.21 Auf Anordnung des zuständigen Gerichts beurteilt ein Psychologe z. B. gemäß § 11 StVollzG oder gemäß § 67 StGB, ob eine Lockerung der Strafe erfolgen kann.22

Seit einer Änderung des „Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten“ vom 26. Januar 1998 (BGB1. I S. 160–163) ist ein neuer Aspekt bei den Anwendungsbereichen im Deliktfeld der Sexualstraftaten zu berücksichtigen. Dementsprechend ist bei Sexualstraftätern, die gemäß § 57 StGB vorzeitig entlassen werden könnten, eine klinische Prognose durchzuführen.23

Kriminalprognose und ihre Bedeutung für die Polizei

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