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Szene 8

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Eine mittelgroße, etwas korpulente Frau näherte sich dem Haus. Der breite Vorgarten war durchquert, den Schlüssel trug sie bereits in der Hand. Nun die Haustür, dekoriert mit einigen etwas erotischen Schnitzereien, aufgeschlossen. Seltsame Stille herrschte im Eingangsbereich. Nur von ferne, aus dem Atelier, war leise Musik zu hören. Wohl aus dem Radio. Also war er doch zu Hause. Ich bin da, rief sie, ich bringe nur die Sachen in die Küche.

Dann öffnete sie die blaue Tür zu seinem Atelier. Die Musik wurde deutlicher und dann gerade unterbrochen durch einen Nachrichtensprecher. Das alles nahm sie nur am Rande auf, denn ihre Blicke suchten den Mann, den Bildhauer Walter

Seliger. Doch sie hängten sich auf an einem Durcheinander, das, trotz aller bisher gewohnten Unordnung im Atelier, feindselig wirkte. Umgestürzte Sockel, zerfetztes Papier, schwarz beschmierte Zeichnungen, zertretene Gipsbrocken. Hier musste einer gewütet haben, der irgendetwas gegen die Kunst oder gegen den Künstler selbst hatte. Nicht nur Zorn, sondern Hass, kalten Hass. Aber wer? Kurz blickte sie zur Außentür. Auch das noch. Eine eingeschlagene Fensterscheibe, Glassplitter auf dem Fußboden.

Walter? Walter, rief sie. Ihre Stimme war eindringlich, fast hilfesuchend. Entschlossen ging sie schnellen Schrittes zum Radio. Die Nachrichtensendung lief immer noch, und sie hörte den Namen Grasemacher, nahm das aber nicht bewusst auf. Sie schaltete den Apparat aus. Die letzte Nachricht hatte sie schon nicht mehr wahr genommen. Sie griff zum Telefon und tippte wie getrieben die Notrufnummer der Polizei. Ebenso rasch, aber mit sicherer und beruhigender Stimme, meldete sich die Polizeidienststelle. Hier ist eingebrochen worden, Tür kaputt, Figuren kaputt, alles durcheinander. Wer spricht denn da? Wer sind Sie? Ich bin doch die Muse. Ach Quatsch, ich bin Lisa Mallo. Ich bin das Modell und die Muse von Walter Seliger. Den kenne ich nicht. Und nun wurde unter geduldiger Hilfe mit etwas erregter Stimme klargestellt, dass Walter Seliger ein Bildhauer sei, den sie aber gerade jetzt nicht finden könne. Das habe er so an sich, dass er mal weg sei, ohne zu sagen wo und wie lange.

Wir schicken einen Wagen vorbei. Bleiben Sie dort, aber rühren Sie nichts an.

Lisa setzte sich auf den nächst erreichbaren Stuhl und knöpfte sich etwas die Bluse auf. Warm war ihr geworden und die Bluse saß einfach zu knapp. Das sah Walter ganz gerne. Aber jetzt fühlte sie sich wie befreit. Es tat ihr gut.

Leider durfte sie jetzt nicht aufräumen. Zumindest einige Zeichnungen hätte sie gern wieder glatt gestrichen. Bilder von ihr. Sie liebte es, wenn Walter sie genau musterte, gleichsam Maß nahm und wenn zarte, manchmal auch harte Striche den Umriss ihres Körpers auf dem Papier festhielten. Gerne hätte sie die kleine Gipsfigur aufgehoben und vielleicht wieder zusammengefügt. Besonders für sie hatte Lisa lange Modell gestanden. Sie stellte ihren völlig nackten Körper in wilder, nach vorn stürmender Bewegung dar.

Jetzt eine Zigarette. Aber vor drei Wochen hatte sie mit dem Rauchen aufgehört, und gerade heute fiel ihr das besonders schwer. Nein, keine Schwäche zeigen. Die Polizei würde ja auch gleich kommen.

Wo nur Walter wieder war? Er besaß immer solche Phasen. Nur Arbeit, wenn ein Auftrag zu erledigen war. Dann packte es ihn und er war kaum ansprechbar. Kein Besuch, kein Fest, keine Reise, er war dann auch kurz ab, einsilbig, wobei gerade er so gern erzählte.

Aber nach getaner Arbeit war er wie umgewandelt. Dann wurde er gesellig, besuchte gern Ausstellungen, traf Freunde.

Wo er sich jetzt wohl herumtrieb?

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