Читать книгу Meerhabilitation - Oana Madalina Miròn - Страница 11
Оглавление8 Hannes
Über der Innenstadt Wiens ging die Sonne unter. Ich sah auf die Uhr. Es war bereits früher Abend. Ich öffnete die Schublade meines Schreibtisches, nahm die halbleere Flasche Bourbon raus und goss mir einen Drink ein. Der Aschenbecher ging vor lauter Zigarrenstummeln über. Ich rauchte wie ein Schornstein. Der Rauchdunst hing in der Luft wie eine schwere Decke, die sich über den gesamten Raum ausgebreitet hatte. Ich rauchte eindeutig zu viel. Schon öfters hatte ich mir vorgenommen, das Rauchen ein wenig zu reduzieren, doch in meiner jetzigen Verfassung erschien mir dieser Gedanke einfach nur unmöglich.
Ich erhob mich von meinem Bürosessel und öffnete das Fenster. Ich brauchte wieder frische Luft, um wieder richtig denken zu können. Wahrscheinlich würde ich erneut eine Nachtschicht einlegen müssen…
Wieder mal.
So wie letzte Nacht oder die Nacht davor. Ich saß an der Quelle und kam trotzdem keinen Schritt voran. Ich spürte, wie allein der Gedanke nicht weiterzukommen und festzustecken, meine Wut aufkochen ließ. Ich spürte, wie sie sich säureartig aus dem Bauch heraus in meine Gedärme fraß. Stück für Stück, schön langsam …
Dafür war nur SIE verantwortlich!
Dieses undankbare Miststück! Wie konnte sie mich nur so derartig bloßstellen und mich einfach mitten in der Nacht verlassen?!! Ich hatte sie zu einer wohlhabenden Ehefrau gemacht, die auf ihren erfolgreichen Mann hätte stolz sein können. Und was tat sie? Mich zum Gespött der gesamten Abteilung machen. Ich weiß, dass sie hinter meinem Rücken reden. Ich sehe es. Ich spüre es. Jeder zerreißt sich das Maul über mich, doch selber sind sie kein Stück besser! Ekliges Pack!
Das würde meine Frau büßen müssen. Wenn ich Tessa wiederfinden würde, würde sie verstehen, was für einen unglaublich großen Fehler sie gemacht hatte.
Diese eigenartige Gefühlsmischung aus Verrat und gleichzeitig grenzenloser Liebe zu dieser Frau machte mich wahnsinnig. Ich fragte mich, wann sie aufgehört hatte, mir nicht mehr zu vertrauen? Ich liebte sie doch abgöttisch. Ja, hin und wieder musste ich ihr zeigen, dass es in meinem Haus bestimmte Regeln gab, die sie befolgen musste, aber es war doch zu ihrem Besten! In meinem Job sah ich tagtäglich brutale Morde an jungen Frauen, die meistens nie aufgeklärt wurden. Frauen, die zum Großteil selber schuld waren, angezogen wie Prostituierte! Kein Wunder, dass sie vergewaltigt und erdrosselt wurden. Nein! Tessa durfte so etwas niemals zustoßen! Ich wollte sie doch nur beschützen! Sie war doch alles, was ich hatte! Sie war meine große Liebe.
Ich ging wieder zu meinem Schreibtisch, setzte mich hin und loggte mich in unser System ein. Der Zugang zu diesen sensiblen und geschützten Daten war ein Segen. Nicht ganz legal, doch als Leiter der Kripo nahm ich mir das Recht einfach heraus. Diese Situation hatte schlichtweg Vorrang, alles andere war nun unwichtig geworden. Ich musste sie wieder zurückholen und ihr zeigen, wie wichtig sie mir doch war. Sie war meine erste Liebe, konnte sie das nicht erkennen?! Wenn sie sich doch nur an meine Vorgaben gehalten hätte, dann wäre unsere Ehe viel entspannter gewesen. Weniger Tränen, weniger blaue Flecken. Das alles wäre uns erspart geblieben!
»Tessa, wo hast du dich nur versteckt?«, sagte ich leise vor mich hin.
»Wo bist du Kleines? Keine Angst, ich hole dich wieder zurück nach Hause … Wo du hingehörst.«
Im Büro war es nun komplett dunkel. Die Nacht brach herein und meine persönliche Nachtschicht begann. Der Bildschirm war die einzige Lichtquelle, die den Raum in ein kaltes, schwaches Licht tauchte. Viele Stunden harter Arbeit lagen nun vor mir. Mir war es egal, wie lange ich brauchen würde, um sie aufzuspüren. Ich wusste, dass Tessa nicht wirklich weggelaufen war. Das musste mit Sicherheit eine Kurzschlusshandlung gewesen sein. Das meinte sie doch nicht ernst, ich kannte schließlich meine Frau! Sie brauchte mich mehr, als sie es sich eingestehen konnte. Sicherlich war sie jetzt irgendwo, wo sie niemand beschützen konnte. Mutterseelenallein und der Außenwelt vollkommen ausgeliefert. Das konnte ich nicht zulassen. Ich musste sie finden.