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Wie teuer ist der Satz „Ich liebe dich nicht“?
ОглавлениеBitte schieben Sie nicht gleich den Text beiseite. Was jetzt folgt, stammt keinesfalls vom Planeten Utopia. Schließen Sie die Augen. Wahrscheinlich ist Ihnen das, was nun erzählt wird, nie passiert ... Entweder weil Sie kein Mann sind, Ihre Frau immer noch so sehr mögen wie am ersten Tag (und sie Sie auch) oder aus irgendeinem Grund fiel damals einfach das Hochzeitsfest aus ...
Zunächst wäre die Frage interessant, was man eigentlich machen soll, wenn die Ehepartnerin nach neun Jahren Beziehung ohne große Aufregung mit dem Satz: „Ich liebe dich nicht“ eine ihr lästig werdende Diskussion beendet ...
Betrug? Weil sie vor langer Zeit einmal Ja gesagt hat und Ich will? Nein. Nennen wir es schlicht höhere Gewalt — ein Blitz, der immer dann und dort einschlägt, wo niemand mit ihm rechnet ...
In diesem Fall passierte das an einem Wochenende nach zwölf Stunden Dienst. Ich kam zu Hause an und die holde Gattin saß im Wohnzimmer vor der Flimmerkiste. In der Küche türmte sich das schmutzige Geschirr und mein Abendessen (sonst immer extra für mich warm gemacht) stand diesmal nicht in der Bratröhre. Wo war es denn? Unter dem Tisch befand sich ein halbvoller Kasten Bier und ich beschloss spontan, die sonst übliche Reihenfolge — erst essen und dann gemütlich zwei drei Flaschen trinken — heute einfach mal umzudrehen. Nach anderthalb Liter Hopfensaft war das Hungergefühl weg und ich ging ins Bett. Plötzlich stand Marion im Schlafzimmer und der Streit begann ...
Nicht sehr laut und natürlich ohne Handgreiflichkeiten. Ich zog mich wieder an und verließ dann nach ihrem Geständnis die Wohnung. In meinem Kopf hämmerten die vier Worte wie ein Maschinengewehrfeuer und auch die frische Luft draußen änderte wenig daran. Aus. Vorbei. Aus. Vorbei. Hartkern- und Leuchtspurgeschosse als explodierende Gedankensplitter. Der Anfang vom Ende ...
Zwei Jahre später in meiner Einraumwohnung. Im Brief der Anwältin stand, dass wir selbstverständlich den Trennungsunterhalt für die Nochehegattin herabsetzen werden. Warum? Bis vor einigen Monaten erstattete der Dienstherr die nach meiner Versetzung an eine andere Justizvollzugsanstalt entstandenen erheblich höheren Fahrkosten (im Beamtengesetz hieß das „Trennungsgeld“) und nun musste ich ohne Hilfe klarkommen. Einhundertdreißig Kilometer hin und zurück. Jeden Tag, wenn ich Schicht hatte. Früh, spät oder nachts. Natürlich war Marion und ihr Rechtsbeistand damit nicht einverstanden. Man wollte keinesfalls aufjene sechsundneunzig Euro im Monat verzichten, die ich nun weniger zahlte ...
Es wurde Klage eingereicht und ich machte mir darüber keine Gedanken. Schließlich stand an meiner Seite eine hochbezahlte Juristin, die stets den Eindruck erweckte, dass wir im Recht seien und nichts zu befürchten haben. Bis dann im Januar 2005 die Verhandlung am Amtsgericht eröffnet wurde. Eine Sitzung, die ich mein Leben lang nicht vergessen werde:
Los ging es mit der Frage, was mich eigentlich daran hinderte, mir eine Wohnung am Dienstort zu suchen. Als Privatperson hätte ich beinahe spontan geantwortet, dass meine Freundin hier in der Stadt wohnt und deshalb ein Umzug nicht in Frage käme. Die Anwältin legte dem Richter ein Schreiben vor, in dem mir die Rückversetzung an die alte Anstalt zum nächstmöglichen Zeitpunkt garantiert wurde. Das musste er akzeptieren. Alles andere nicht ...
Dann erfolgte die Berechnung des sogenannten „bereinigten Einkommens“ der Klägerin und ich schüttelte sprachlos den Kopf. Ihr wurde tatsächlich der Tabellenunterhaltsbetrag für beide Kinder vom Nettoverdienst abgezogen. An dieser Stelle durfte nicht unerwähnt bleiben, dass Franziska weder meine leibliche Tochter war noch jemals von mir adoptiert wurde. Außerdem zahlte ich Unterhalt für Oliver und auch das Mädchen erhielt vom leiblichen Vater jeden Monat pünktlich die Alimente. Und mir war während der Ehe nie aufgefallen, dass Marion tatsächlich regelmäßig so viel Geld auf die für unsere Kids angelegten Sparbücher brachte, wie ihr nun als angebliche Barleistung angerechnet wurde. Im Gegenteil. Meine Nochgattin scheute sich nicht davor, auch diese Konten restlos zu plündern, wenn wir kurz vor dem Zahltag manchmal völlig pleite waren ...
Des weiteren bekam Marion alle laufenden Kredite für ihre Möbel und das eigene Auto als ehebedingte Aufwendungen anerkannt, während meine geltend gemachten Belastungen als nicht glaubwürdig hingestellt wurden. Sie seien von mir lediglich „ins Blaue hinein“ angesetzt worden. Also musste ich schleunigst alle Bankunterlagen auftreiben, die das Gegenteil bewiesen ... Jedenfalls ging der Richter dann davon aus, dass meine Baldexfrau trotz ihres Jobs — rein theoretisch — keinen einzigen Cent verdiente. Ach Gott — die Ärmste. Diese „Feststellung“ wurde später vom Berufungsgericht natürlich korrigiert ...
Die größte Überraschung erlebte ich dann jedoch bei der Zustellung des Urteils. Da hieß es auf Seite zwei, dass die Klägerin der Meinung sei, ich könne mit einer Monatskarte für die Fahrt vom Wohnort zur Dienststelle (einhundertdreizehn Euro) bequem zur Arbeit kommen. Jede Stunde fahren Züge ... Und weiter hinten wurde behauptet: Der Beklagte hat diesbezüglich nicht vorgetragen, weshalb die kostengünstigere Variante des öffentlichen Verkehrsmittels bei ihm nicht in Frage kommen soll. Das war — streng betrachtet — keine
Lüge, denn dieses Thema wurde während der Verhandlung überhaupt nicht angesprochen. Sonst hätte ich dem Richter sofort erklären können, dass der Bahnhof in ... mindestens acht Kilometer vom eigentlichen Zielort entfernt lag. Busse fuhren zwar, aber keinesfalls regelmäßig. Und ab 20.30 Uhr bis zum Morgen blieb nur die Möglichkeit, ein Taxi zu nehmen. Wenigstens fünfzig Prozent meiner Dienste fanden am Nachmittag statt, wenn im Gefängnis für die Betreuung der Gefangenen das meiste Personal gebraucht wurde.
Diese Schichten endeten zwei Stunden vor Mitternacht. Letztendlich war die Variante „Reisen mit der Bahn“ genauso teuer, als wenn ich mit dem eigenen PKW fuhr. Auch das akzeptierte die nächsthöhere Instanz im zweiten Verfahren anstandslos.
Kurz und gut: Das erste Urteil forderte mich dazu auf, statt der freiwillig gezahlten einhundertfünfzig ab sofort fünfhundertdreiundzwanzig Trennungsunterhaltseuronen zu überweisen. Wenn es wirklich rechtskräftig geworden wäre, hätte Marion von mir für sich und Oliver mehr Geld bekommen, als sie mit ihrer Teilzeitbeschäftigung verdiente.
Da ein Mensch bekanntlich ohne Essen und Trinken nicht lange überleben konnte und auch das sparsamste Auto irgendwann doch nachgetankt werden musste, hatte ich keine andere Wahl:
Öffentliche Sitzung
des . Senats für Familiensachen
des .Oberlandesgerichts
Vergleich
1. Der Beklagte zahlt an die Klägerin Trennungsunterhalt wie folgt: für die Zeit vom 23. 7. 2004 bis einschließlich August 2005 noch einen Betrag von 2606 €. Ab September 2005 monatlichen Unterhalt in Höhe von 288 €, monatlich im Voraus bis zum 5. eines Monats.
2. Dabei gehen die Parteien von folgenden Grundlagen aus: Das Einkommen der Klägerin beläuft sich auf 663 €, davon wird ein Betrag von 75 € im Hinblick auf die Fremdbetreuung von Oliver abgezogen. Das Einkommen des Beklagten stellt sich auf 2003 €, hinzu kommt eine Steuererstattung von 165 €, abgezogen werden der Krankenversicherungsbeitrag von rund 71 €, die Kreditrate von 164 € sowie Fahrtkosten von 391 €; dabei gehen die Parteien davon aus, dass der Beklagte derzeit nicht umziehen muss und mit dem PKW zur Arbeit fahren kann; die ersten 30 km werden mit 0,25 €, die weiteren 35 km mit 0,09 € berücksichtigt, sodass sich bei 220 Arbeitstagen die Fahrkosten auf 391 € stellen; zieht man den Tabellenunterhalt für Oliver mit 282 € ab, ergibt sich ein anrechenbares Einkommen des Beklagten von 1260 €; die 3/7 Differenz der beiderseitigen Einkünfte macht 288 € aus.
3. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben.
vorgespielt und genehmigt
Wieso wurden bei der Ermittlung der Fahrkosten die Richtlinien des Oberlandesgericht Hamm zu Grunde gelegt und nicht die hier geltenden Regelungen? Das oblag dem Ermessen der vorsitzenden Richterin und des Gerichts. Es war das letzte Wort in dieser Sache und musste leider (mit zusammengebissenen Zähnen und einem trotzdem „freundlichen“ Lächeln) so akzeptiert werden ...
Angenommen, ich hätte damals den Trennungsunterhalt von zweihundertsechsundvierzig Euro bis zur endgültigen Scheidung weitergezahlt, dann wäre das gesamte Verfahren ein Jahr früher abgeschlossen gewesen (der ursprüngliche Termin war ja schon angesetzt und wurde wegen dem zu diesem Zeitpunkt noch offenen OLG-Entscheid verschoben). Das hätte höchstens einen Tausender mehr gekostet. Mit den zusätzlichen Anwaltsgebühren war nun unterm Strich für mich plötzlich die finanzielle Belastung vier mal so hoch, als wenn alles beim alten geblieben wäre ...
Schulterzucken? Was blieb mir anderes übrig?
Interessant war auch die Kostenregelung wegen der Sitzung vorm Amtsgericht. Weil wir einem Vergleich zugestimmt hatten, blieb die richterliche Entscheidung in Kraft. Das hieß, ich musste (obwohl mir ab dem 04. 11. 2005 für das Verfahren wegen Ehescheidung, Versorgungsausgleich und Ehegattenunterhalt Prozesskostenhilfe bewilligt wurde. Das eine hatte mit dem anderen ja nichts zu tun) innerhalb einer Woche den gesamten Betrag von vierhundertachtundneunzig Euro an die Gerichtskasse überweisen. Sonst drohte man mit Zwangsvollstreckung ... War das vielleicht besser, als gleich in die nächste Bank zu gehen und „Überfall“ zu schreien? Zum Glück gab es da noch einen anderen Ausweg ...
Natürlich konnte ich die Hälfte des Betrages von Marion zurückfordern. Aber wenn sie Schwierigkeiten gemacht hätte, wäre mir nichts anderes übrig geblieben, als erneut das Gericht einzuschalten. Gebühren hätten wieder im Voraus entrichtet werden müssen und der Richter bräuchte dann ganz bestimmt viel mehr Zeit als eine Woche, um die Angelegenheit zu klären ...
Zum Schluss möchte ich noch einen Vorgang erwähnen, der nur bedingt mit der Scheidung zu tun hatte. Im September 2005 meldete sich das Jugendamt der Stadt ... und teilte mir mit, dass meine große Tochter (aus der ersten Ehe) in Kürze ein Studium beginnen wolle. Deshalb sollte ich Verdienstnachweise einreichen, damit man dort ihren Unterhaltsanspruch berechnen konnte. Das machte ich auch ...
Unterhaltsache Friederike ...
Sehr geehrter Herr Martin,
anliegend übersende ich Ihnen Ihre Einkommensunterlagen und den Vergleich des OLG ... zurück. Entsprechend des beim OLG geschlossenen Vergleichs sind Sie zu Unterhalt an Ihre Tochter bereits rechtswirksam verpflichtet. Bitte überweisen Sie danach Ihren Unterhalt. Das Jugendamt kann zukünftig nicht mehr für Ihre Tochter tätig werden, da sie bereits das 21. Lebensjahr vollendet hat.
Mit freundlichen Grüßen ...
Also, es mag ja tatsächlich so sein, dass Friederike und Oliver übereinstimmende Erbanlagen haben (weil beide zu mir „Papa“ sagen dürfen, wenn sie wollen). Doch schon wegen dem Geschlecht und ihrem Altersunterschied dürfte eine Verwechslung eigentlich kaum möglich sein, oder?
Heute ist mein Konto kurz vor dem Monatsende mit einem dreistelligen Betrag im Plus und 2012 erlischt Marions Unterhaltsanspruch endgültig. Bei einer Ehedauer von weniger als fünfzehn Jahren sieht der Gesetzgeber stets eine zeitliche Begrenzung der Zahlungen vor ...
Eisenhüttenstadt, 21. 01. 2007
Ab 1. Januar 2008 änderte sich das Unterhaltsrecht. Auch für Frauen, die Kinder unter sechzehn Jahren zu betreuen haben. Sie brauchen nun nicht mehr verheiratet gewesen zu sein, um für sich selbst Zahlungsansprüche gegen den Vater geltend machen zu können. Drum Männer aus deutsch Republico, lasst ab vom weiblichen Trikot, denn fünf Minuten die strahlt ihr, für Mutter und Kind dann zahlt ihr ...
Mitte 2008 wurde mir mitgeteilt, dass die Prozesskostenhilfe zurückerstattet werden muss, wenn es die wirtschaftlichen Verhältnisse des ehemals Bedürftigen zulassen. Fortan überwies ich fünf Monate lang je zweihundert Euro an die Gerichtskasse. Die bereits im Juli desselben Jahres angekündigte genaue Kostenaufstellung konnte wahrscheinlich wegen meinem Umzug nicht zugestellt werden. Deshalb bat ich das Amtsgericht im April 2009 schriftlich darum, den Brief an die neue Adresse zu senden.
Die Antwort kam prompt schon wenige Tage später. Statt der ursprünglich geforderten 1018,54 Euro verlangte man nun für Rechtsanwaltskosten (weitere Vergütung) noch einmal fast neun Hunderter. Im ersten Moment war ich beim Lesen der Zahlen völlig sprachlos und beschloss dann, einen Juristen aufzusuchen.
Es stellte sich folgendes heraus: meine Anwältin hatte damals wegen der gewährten Prozesskostenhilfe als Bezahlung für ihre Arbeit nur einen Teilbetrag vom Gericht erhalten und sollte nun den Rest bekommen. Des weiteres war die Rechnung insgesamt fehlerhaft. Wenn man die aufgeführten Positionen zusammenaddierte, ergab sich ein Differenzbetrag von 158,95 Euro zur Gesamtsumme. Das musste erst geklärt werden, bevor weitere Zahlungen geleistet werden konnten.
Am letzten Tag des Monats warf ich deshalb erneut einen Brief an das Gericht in den Postkasten. Die Antwort trudelte vierzehn Tage später bei mir ein. Man entschuldigte sich für den Rechenfehler und teilte mit, wie viel Geld ich der Justizkasse tatsächlich noch schuldete ...
Außerdem bat ich Marion schriftlich darum, mir ihre letzten zwölf Einkommensbescheide zuzuschicken. Warum? Seit längerer Zeit war bekannt, dass meine Exfrau einen neuen Lebensgefährten hatte. Er arbeitete in Österreich und wohnte bei ihr während seiner Aufenthalte in Deutschland; nahm inzwischen an jeder Familienfeier teil, renovierte mit dem Herrn Exschwiegerpapa die Wohnung und beteiligte sich finanziell am Kauf eines großen Flachbildfernsehers.
Als der Herr bei der offiziellen Jugendweihefeierstunde meines Sohnes an der Seite Marions auftauchte, war klar, dass er inzwischen zur Familie gehörte. Da stellte ich mir schon die Frage, ob meine Unterhaltsleistungen noch notwendig sind, um ihre Existenz zu sichern. Außerdem vollendet Oliver im Juni sein vierzehntes Lebensjahr und muss nicht mehr rundum betreut werden.
Seit der Scheidung sind drei Jahre vergangen und ich habe immer pünktlich gezahlt. Vor einigen Tagen klingelte mein Telefon. Marion wirkte ziemlich aufgebracht. Ihre Lohnabrechnung erhalte ich nur über einen Anwalt, meinte sie. Jetzt warte ich die von mir gesetzte Frist bis 30. Mai ab und mache mich dann auf die Suche nach einem neuen Rechtsbeistand.
Anfang Juni 2009 bekam Marion Post. Sie sollte ihr Einkommen mittels Belege nachweisen und die Frage beantworten, in welcher Höhe sich ihr Lebensgefährte an Haushaltsund Mietkosten beteiligt. Die gesetzte Frist wurde dann einfach ignoriert und als ich fragte, ob als Reaktion darauf die Unterhaltszahlung eingestellt werden soll, meinte der studierte Mann:
„Um Gottes Willen, ihre Exfrau könnte den Betrag trotzdem pfänden, weil sie ein rechtskräftiges Urteil hat. Wir brauchen jetzt einen Zeugen, der weiß, wie viel Marion verdient und dies auch vor Gericht aussagt; dasselbe gilt übrigens auch für die Behauptung, dass jemand bei ihr wohnt. Sie wollen ihren Sohn da nicht mit reinziehen und müssen sich also etwas einfallen lassen.“
Na prima. Marion darf tun und lassen, was sie will und wird dafür nicht zur Rechenschaft gezogen, während ich nur ein einziges Recht habe, nämlich weiter brav die Knete zu überweisen. Wer macht solche Gesetze? Hat sich schon mal jemand Gedanken darüber gemacht, dass ich nur über den Selbstbehalt verfüge und trotzdem mehr als dreihundert Euro auf den Tisch blättern muss, damit ein Anwalt für mich tätig wird? Ich rief meine Mutter an und bat sie darum, eine ihrer Freundinnen in die Praxis zu schicken, wo meine Exgattin arbeitete. Sie sollte sich ein bisschen umhören.
„Meine Tochter ist auch Arzthelferin, hat ein Angebot bekommen und will nun vergleichen, welcher Lohn gezahlt wird, wenn man in dem Job Vollzeit macht.“
So in etwa. Wichtig war vor allem, dass Marion diese Frau nicht kannte. Außerdem sendete ich eine SMS an meinen Sohn: „Achte bitte mal darauf, ob Muttis Freund — wenn er da
ist — selbst die Wohnungstür aufschließt und teile mir das mit. Mama wird nichts davon erfahren.“
Man könnte den Herrn ja als Zeuge laden und Olivers Schlüssel zum Vergleich vorlegen. Wenn er ein ähnliches Teil an seinem Bund hatte, dessen Bart genauso aussah, dann wäre das schon ein aussagekräftiger Beweis dafür, dass er dort wohnt. Notfalls müsste als Bestandteil der Verhandlung bei Marion zu Hause ausprobiert werden, ob das Ding tatsächlich passt ...
Ich beschloss nach einer langen, schlaflosen Nacht trotzdem ein bisschen die Muskeln spielen zu lassen und schrieb einen einfachen Brief an meine Exfrau:
„ . da du nicht bereit bist, dein Einkommen zu offenbaren, stelle ich ab sofort die Unterhaltszahlung an dich ein. Mit freundlichen Grüßen .“
Das war ja nur eine Ankündigung und ich wollte vierzehn Tage abwarten, ob sie darauf reagiert. Bereits am 4. Juli rief Marion mich an und behauptete, die Bescheinigungen pünktlich bei ihrer Anwältin abgegeben zu haben. Sie sind aber nicht hier angekommen und mein Rechtsbeistand forderte die Dame nun auf, innerhalb einer Woche alle Dokumente vorzulegen. Sonst müssten wir eine Abänderungsklage einreichen.
Meine Mutter erklärte sich bereit, vor Gericht als Zeugin auszusagen. Oliver hatte ihr im Laufe der Zeit genug erzählt. Wie schon im vorigen Jahr will das Paar in Österreich Urlaub machen und der Junge möchte nun nicht mehr mitfahren. Er würde sich dort doch nur langweilen und jeden Tag seine Kumpel anrufen.
Anfang August bekam ich Post. Marions Anwältin forderte mich auf, den Unterhalt bis zum 15. des Monats zu überweisen. Die Einkommenserklärung ergab, dass ihre Mandantin durchschnittlich tausend Euro verdiente und längst Vollzeit arbeitete.
Außerdem sagte Oliver meiner Mutter, dass die gemeinsamen Ferien kurzfristig abgesagt worden waren. Angeblich musste Marions Lebensgefährte während dieser Zeit auf Montage gehen. Ich lächelte still vor mich hin. Unter diesen Umständen kam eine Abänderungsklage trotz der bekannten Tatsachen nicht mehr in Frage. Das Risiko, den Prozess zu verlieren, wäre einfach zu groß gewesen. Wir hätten einen Zeugen gebraucht, der nicht zur Familie gehört und trotzdem in der Lage wäre, zum Sachverhalt auszusagen. Und ein Privatdetektiv hätte sehr viel Geld gekostet. Außerdem wäre die gegnerische Partei vielleicht in Berufung gegangen, ich müsste bis zum Abschluss des Verfahrens weiterzahlen und würde
— egal wie das Urteil lautet — keinen einzigen Cent zurückbekommen.
Dann holte die Exfrau zum Gegenschlag aus. Über ihre Anwältin wurde von mir verlangt, innerhalb von vierzehn Tagen das eigene Einkommen offen zulegen. Ich sollte schon mal neunundvierzig Euro mehr für Oliver zahlen und es stellte sich schnell heraus, dass die Forderung gerechtfertigt war. Nun kehrte endlich Ruhe ein.
Bald sind es noch vierundzwanzig Monate, bis meine Zahlungspflicht für Marion endgültig erlischt. Außerdem überweise ich den Betrag nicht mehr zum ersten Tag des Monats, sondern später. Das ist für mich die einzige Möglichkeit, den Protest darüber zum Ausdruck zu bringen, dass man als geschiedener Vater ausgenommen wird wie die Weihnachtsgans Auguste und praktisch nichts dagegen unternehmen kann.
Zum 1. Januar 2010 erhöhten sich die Alimente für Oliver erneut. Ich musste also nachzahlen und hatte eine außerplanmäßige Autoreparatur, die mehr als zweihundert Euro kostete. Deshalb war es nicht möglich, Marions Geld pünktlich zu überweisen. Der Anwalt riet mir Anfang Februar trotzdem, den Betrag schleunigst auf ihr Konto zu transferieren, sonst könnte die gegnerische Partei innerhalb von drei Tagen mein Einkommen pfänden und ich bekäme als Beamter richtig Ärger mit dem Dienstherrn. Wären wir noch verheiratet gewesen, dann hätte der Wagen doch auch in die Werkstatt gebracht werden müssen, oder?
Als ich im März die Unterhaltszahlungen für meine Exfrau von der Steuer absetzen wollte, verlangte das Finanzamt eine Unterschrift von ihr, obwohl das Einverständnis der Dame schon seit Jahren vorlag und die Kontoauszüge eindeutig belegten, dass ich wirklich jeden Monat in voller Höhe „geblecht“ hatte. Marion schickte den Bogen „U“ ohne Kommentar einfach so zurück und ich informierte meinen Anwalt darüber. Der drohte ihr mit einer Schadenersatzklage, denn dadurch würden mir etwa tausend Euro verloren gehen. Daraufhin unterschrieb sie das Formular doch und musste die entstanden Kosten selbst tragen. Erst dann reichte ich den nächsten Überweisungsschein ein.
Am 10. August 2010 geriet ich in eine Verkehrskontrolle und beim Ausfüllen des Strafzettels (mein Bargeld reichte nicht und im Personalausweis stand noch die alte Adresse) wurde gesagt, dass man jeden Umzug innerhalb von zehn Tagen der zuständigen Behörde anzeigen muss. Der Polizist lag fast richtig, denn das Gesetz sieht dafür einen Zeitrahmen von zwei Wochen vor. Bei Überschreitung dieser Frist können (?) empfindliche Bußgelder verhängt werden. Komisch; meine Exfrau und ihr Freund wohnen nun schon mehrere Jahre zusammen und er ist immer noch bei seinen Eltern gemeldet. Offensichtlich scheint das niemanden zu interessieren — nur ich bin der „Doofe“ und „darf“ weiter brav Unterhalt zahlen.
Einige Tage danach informierte mich mein Sohn darüber, dass Marion inzwischen eine neue Arbeit hat und mehr Geld verdient. Sofort schickte ich einen Brief als Einschreiben ab und bat um die Zusendung von aktuellen Gehaltsbescheinigungen. Die Anwältin der Exfrau meldete sich kurze Zeit später innerhalb der gesetzten Frist und bestätigte, dass ihre Mandantin einer anderen Erwerbstätigkeit nachgeht, weil sie dadurch die Möglichkeit hat, die Arbeitszeit von sechs auf acht Stunden zu erhöhen. Höhere Einkünfte seien jedoch noch nicht erzielt worden, da das erste Gehalt zum 31. August 2010 überwiesen wird. Man werde sich unaufgefordert an mich wenden, wenn das geschehen ist.
Es stellte sich dann heraus, dass Marion nun trotz Schichtdienst als Altenpflegerin im Monat gerade mal dreißig Euro Netto mehr bekommt und deshalb weiter in voller Höhe die im Urteil festgelegte Alimentationssumme beanspruchen kann. Weshalb hat sie als „alleinstehende“ Mutter mit Kind Steuerklasse Sechs? In der Verdienstbescheinigung waren außerdem die Vergütungen für Wochenendschichten und Nachtstunden noch nicht aufgeführt, da diese erst rückwirkend abgerechnet werden können.
„Bringen Sie morgen alle Unterlagen vorbei“ meinte mein Anwalt.
„Dann sage ich Ihnen, ob und wie viel Sie jetzt noch zahlen müssen. Ach so, noch was . Sie sind umgezogen?“
Ich bestätigte das und sagte ihm, dass jeden Tag knapp siebzig Kilometer zurückgelegt werden müssen, um zur Arbeit zu kommen. Mein Versetzungsantrag an die JVA . läuft seit Mai diesen Jahres und ist bis heute nicht abschließend entschieden worden, trotzdem sich dort schon mehrere Leute gemeldet haben, die unbedingt wegen der kürzeren Entfernung in Neugrosshausen eingesetzt werden wollen. Vorsichtshalber erinnerte ich ihn daran, welche Probleme es damals bei der Verhandlung wegen Trennungsunterhalt gab, als Marions Rechtsbeistand von mir verlangte, eine Wohnung in der Nähe des Dienstortes zu beziehen.
„Ihre Exfrau ist erwachsen; da sind die Auflagen für den Zahlungspflichtigen nicht mehr ganz so streng wie bei Kindern. Ich rufe Sie am Montag an.“
Vergeblich wartete ich dann darauf, dass das Telefon klingelt. Es hätte doch wenigstens ein Teil der Summe für September überwiesen werden müssen, damit die gegnerische
Partei keine Möglichkeit hat, mein Konto zu pfänden. Aber tief im Innersten sagte ich mir auch:
„Na und? Marion darf lügen und betrügen, dass sich die Balken biegen und ich soll immer nur tatenlos zusehen? Meine Freundin hat wie schon in den letzten beiden Monaten am Ersten von mir als Anteil für die Miete und Verpflegung fünfhundert Euro bekommen und wenn der Tank leer ist, bleibt das Auto eben stehen. Dann muss der Dienstplaner entweder auf meine Person verzichten oder jemanden schicken, der mich jeden Tag fährt.“
Mitte Oktober kam ein Brief als Abschrift, in dem festgestellt wurde, dass ich nun keinen Aufstockungsunterhalt mehr zahlen muss. Die gegnerische Seite sollte sich innerhalb von sieben Tagen dazu äußern, sonst hätte mein Anwalt wegen Abänderung des Urteils geklagt.
Natürlich entschuldigte man sich sofort dafür, dass (aus Versehen, na klar) die erste Gehaltsbescheinigung mit der Steuerklasse Sechs eingereicht worden ist und legte die nächste Abrechnung ordnungsgemäß vor. Jetzt ging es noch darum, dass der Exfrau im Laufe der Jahre wegen meiner Zahlungen ein Steuernachteil von etwas mehr als tausend Euro entstanden sei, den ich ihr ersetzen soll (die Ärmste musste wegen dem höheren Einkommen mehrere Male Geld ans Finanzamt abdrücken). Wie bitte? Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zu dem Thema stimmt nicht immer überein und man müsse sich deshalb erst genau erkundigen, welche Richtlinien hier gültig sind. Außerdem könnte es sein, dass die Fahrkosten nur zum Teil anerkannt werden, aber selbst dann würde unterm Strich höchstens ein ganz kleiner Betrag herauskommen, den ich noch an Marion zu überweisen habe ...
Sehr geehrter Herr Martin,
ich komme zurück auf die bislang geführten Besprechungen und die geführte Korrespondenz. Nach dem mir ihrerseits zur Verfügung gestellten Unterlagen und den vorliegenden Verdienstbescheinigungen der Frau Martin, wird die mittlere Differenz zwischen beiden Einkommen € 328,51 betragen. Bei Zugrundelegung der 3/7tel Methode verbleibt immer noch ein Unterhaltsanspruch in Höhe von 140,75 €. Nach dem gegenwärtigen Stand der Rechtsprechung sind Ihre Aussichten, in die Berechnung auch die Fahrkosten für die Fahrten zwischen Ihrer neuen Wohnung und der Arbeitsstelle hineinzunehmen, mit hoher Wahrscheinlichkeit aussichtslos.
Mit dem bereits besprochenen Schriftsatz der Gegenseite vom November 2010 macht Frau Martin den Ausgleich der durch sie gezahlten Steuern geltend, die aufgrund des sogenannten Realsplittings ihr zum Nachteil gereichen. Nach überschlägiger Berechnung wird der Nachteil zwar nicht, wie von ihr angegeben, 1.300 €, aufjeden Fall aber in etwa 1.000 € betragen. Durch die Wahrnehmung des Realsplittings sind Sie gesetzlich verpflichtet, den steuerlichen Nachteil ihr gegenüber auszugleichen. Der monatlich anzurechnende Betrag dürfte sich auf etwa 80 bis 90 € belaufen. Damit wird sich Ihre reale Zahllast bei etwa 220—230 € Aufstockungsunterhalt weiterhin belaufen. Im Falle einer Klageerhebung wird das bedeuten, dass wir zwar eine Herabsetzung des Unterhalts auf ca. 140 € monatlich durchsetzen könnten, jedoch wird im Gegenzug Ihre geschiedene Ehefrau mit dem Steuerausgleich aus dem Realsplitting aufrechnen, so dass wir am Ende zu dem Ergebnis in etwa kommen, bei dem wir derzeit sind. Eine Änderung zu Ihren Gunsten von 10 bis 20 € monatlich ist nicht wesentlich, so dass Sie am Ende hier Gefahr laufen, durch eine Klageabweisung den Prozess insgesamt zu verlieren.
Nach den gegenwärtigen Einkommensverhältnissen würde ich von einer Klageerhebung abraten. Wir kommen in der Sache tatsächlich nur dann weiter, wenn Ihnen der Nachweis gelingt, dass der Lebensgefährte Ihrer Exfrau sich dauerhaft in der Wohnung aufhält. Auf diese Problematik habe ich in der Vergangenheit bereits mehrfach hingewiesen.
Das Kostenrisiko für ein Klageverfahren beläuft sich in der
I. Instanz auf 1.248 €. Das bedeutet, dass für den Fall, dass Sie den Prozess verlieren, auf Sie weitere Kosten in dieser Höhe zukommen, die von Ihnen allein zu tragen wären.
Sollten Sie sich dennoch zur Klageerhebung entscheiden, werde ich selbstverständlich Ihre Interessen bestmöglich vertreten. Meine Kanzlei zählt jedoch nicht zu denen der Zunft, die mit aller Macht Prozesse anstreben, um Gebühren zu produzieren. So lange eine eheähnliche Lebensgemeinschaft Ihrer Exfrau nicht stichhaltig nachgewiesen werden kann, halte ich eine Klageerhebung, wie bereits oben angedeutet, für äußerst risikohaft.
Ich bitte kurzfristig um Ihre Entscheidung.
., 11. Januar 2011 Mit freundlichen Grüßen . Rechtsanwalt
Wenn tatsächlich eine Abänderungsklage sinnlos sein soll, dann stellt sich doch die Frage, warum meine Exfrau seit fünf Monaten ihre „Füße stillhält“. Sie hat seitdem keinen einzigen Cent Unterhalt von mir bekommen und verfügt über ein rechtskräftiges Urteil. Wer diese Erzählung aufmerksam gelesen hat, weiß inzwischen, dass es wichtige Gründe dafür geben muss, warum die gegnerische Partei bisher auf Pfändungen verzichtet. Wir bräuchten laut Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Brandenburg eine zwanzigprozentige Änderung der Summe, also würde es um etwa sechzig Euro gehen, die sich allein schon dann ergeben, wenn aktuelle Gehaltsbescheinigungen abgefordert werden. Marion geht am Wochenende arbeiten und macht Wechselschichten. In der Bescheinigung für September war gerade mal ein Sonntag abgerechnet, also verdient sie netto mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit mehr, als bisher angenommen wird. Außerdem wurde ab Anfang des neuen Jahres mein Krankenkassenbeitrag erhöht. Aber noch viel wichtiger scheint nun die Tatsache zu sein, dass Marions
Lebensgefährte vor einigen Monaten aus der gemeinsamen Wohnung auszog und seitdem dort nicht wieder aufgetaucht ist. Oliver erzählte etwas von einer Geliebten in Österreich. Der Herr wäre für uns ein erstklassiger Zeuge, falls es tatsächlich zur Verhandlung kommt ... Jedenfalls leuchteten die Augen meines Anwaltes auf, als wir darüber sprachen. Warum soll ich jetzt noch aktiv werden, wenn nichts passiert?
16. April 2012. Die sechs Jahre nach Rechtskraft der Scheidung sind vorbei. Nun besteht keine Gefahr mehr, dass meine Exfrau wegen der nicht geleisteten Unterhaltszahlungen einen Pfändungsbeschluss beantragen kann. Eigentlich hätte man schon damals eine Abänderungs- und Schadenersatzklage einreichen müssen, um den dafür vorgesehenen Rechtsweg formal einzuhalten. Doch zum Schluss wäre ich auf allen Kosten sitzen geblieben, da geringverdienende alleinerziehende Mütter vom Gesetz nun mal besonders geschützt werden.