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Allaire, 20. März 1895

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Ich habe mich im Bett aufgerichtet und Mutter hat mir mein Buch, Tinte und Feder und ein Tablett als Unterlage gegeben. Ich muss aufpassen, die frischen Laken nicht mit der Tinte zu bespritzen. Mutter sitzt neben der Wiege und sieht den Mädchen beim Schlafen zu. Ich habe sie vor einer Stunde gestillt. Ich brenne darauf, meinem Tagebuch alles zu berichten. Ein Brief an Victor ist schon seit heute Morgen fertig und geht am Abend auf die Kutsche nach Allaire. Ich brauche nicht lange zu überlegen und beginne mit dem Morgen des 17. März. Dieser Morgen war nicht anders als an den Tagen zuvor. Ich habe nichts Ungewöhnliches gespürt, als wir durch den Park gingen. Ich hatte in der Nacht sehr gut geschlafen, was in den letzten Wochen nicht immer der Fall war, aber die Nacht vom 16. auf den 17. war sehr gut, als wenn mein Körper Kraft sammeln wollte. Der Spaziergang fiel mir leicht. Als wir den See erreicht hatten, flog aber plötzlich ein Schmerz durch meinen Körper. Es ging so schnell vorbei, wie es heftig war, ich konnte noch nicht einmal aufschreien. Ich ging vorsichtig weiter, vorsichtiger als sonst. Mutter fiel es erst auf, als wir schon die Abzweigung in den Wald genommen hatten. Ich musste stehen bleiben, als erneut eine Wehe kam. In diesem Moment war mir bewusst, dass es heute passieren würde. Ich freute mich sogar. Es waren vielleicht noch fünfhundert Meter bis zum Sanatorium, durch den Wald und den Rest durch den Park. Mutter und ich sind weitergegangen. Ich war davon überzeugt, es zu schaffen. An dem Findling machten wir noch einmal halt. Ich stützte mich mit der flachen Hand an den kalten Felsen und da durchfuhr mich erneut eine Wehe. Ich wusste sofort, dass ich nicht weitergehen konnte. Mutter erstarrte ganz kurz, sah mich an, es waren nur Sekunden und dann begann Mutter zu laufen, sie lief das letzte Stück aus dem Wald heraus auf die Parkfläche. Ich hörte sie um Hilfe schreien. Ich spürte auch, wie mir eine warme Flüssigkeit an den Beinen herunterlief. Ich weiß nicht, wie lange es dann noch dauerte, wie lange es dauerte, bis ein Mann mit einer Decke mich erreichte. Mutter kam auch hinzu. Sie wollten mich auf der Decke forttragen, zum Sanatorium, aber sie stellten fest, dass es zu spät war. Ich sank neben dem Felsen auf die Decke nieder. Ich erkannte Dr. Delanis und Schwester Catherine. Mutter hielt mir die Hand und ich dachte noch, dass ich jetzt wohl Schwester Armelle bräuchte, dass es ohne meine Hebamme nicht gehen würde. Es ging so schnell, ich empfand einen heftigen Schmerz, aber es war nicht schlimm, ich konnte es ertragen. Ich sah, wie sie mein Kind in eine Decke wickelten. Dann spürte ich auch schon, wie sie mich auf eine Bahre legten, mich zu allen Seiten abstützten und eilig zum Sanatorium brachten. In einem Zimmer, das jetzt als Kreißsaal diente, wurde ich gewaschen. Sie zogen mir die Kleider aus und dann kam wieder dieser Schmerz, ich weiß nicht mehr wie oft. Dann war es vorbei, die Schwester gab mir meine Kinder in die Arme, beide, meine beiden Mädchen. Dr. Delanis nickte mir zu, Mutter hielt noch immer meine Hand. Schwester Armelle ist erst viel, viel später gekommen, Stunden später, sie hat ihren Einsatz verpasst, aber ich bin nicht böse darum, es war ja auch meine Schuld. Ich habe noch am selben Tag die Namen meiner Kinder bestimmt, Julie und Thérèse Jasoline. Ich bin sehr stolz und Victor wird es auch sein.

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