Читать книгу Lykanta - Oliver Speier - Страница 6

4 Einzug

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Mit diesen Worten zog sie mich den Gang entlang. Wir liefen ein gutes Stück und kreuzten mehrere Flure voller Türen. Schließlich stoppte Cassandra vor einer Tür und klopfte an. Als diese sich öffnete, erschien ein blasses, jugendliches Männergesicht. Der Flaum auf der Oberlippe hatte noch einen weiten Weg vor sich, um als Bart durchzugehen. Dem Kerl fielen fast die Augen aus dem Kopf als er Cassandra erblickte und er versuchte sich in einer ungeschickten Verbeugung, während er die Tür ganz aufriss. Seine Stimme klang so nervös wie sein ganzes Auftreten, als er zu sprechen begann. " Mistress Cassandra, was verschafft mir die Ehre eures Besuchs? "

Er blieb in gebückter Haltung stehen, den Blick fest auf den Boden gerichtet. Bei seinen gestelzten Worten fragte ich mich, ob Cassandra eine hohe Position bei den Vampiren innehatte. Sein Benehmen deutete stark darauf hin. Ich beschloss jedoch, mir vorerst keine Gedanken darüber zu machen. Statt dessen warf ich einen heimlichen Blick in sein Zimmer. Was ich davon sah, wirkte recht gemütlich, wenn auch die typische Unordentlichkeit eines Männerhaushaltes ersichtlich war. Die Möbel waren wahllos zusammen gewürfelt und es lagen allerhand Dinge auf Tischen und Möbeln herum. Er schien gelesen zu haben, denn ein Buch lag aufgeschlagen auf dem Bett und ein Glas mit, ich schluckte, Blut oder Rotwein stand auf dem Nachtkästchen. Eine Leselampe tauchte den Raum in behagliches Licht.

" Guten Abend Stefan. ", erwiderte Cassandra freundlich." Ich brauche ein Zimmer für, äh, Lykanta und dachte mir, du könntest uns sicher weiterhelfen. "

Bei meinem Namen hatte er kurz den Blick erhoben und mich erstaunt angeschaut, war jedoch sofort in seine demütige Haltung zurück gewechselt. Kaum hatte Cassandra ihren Satz beendet, kam Leben in ihn. Er griff nach einem dicken Schlüsselbund neben der Tür und trat zu uns auf den Gang. Dabei wollte er uns wohl nicht zu nahe kommen und Versuchte sich, der Wand entlang, an uns vorbei zu quetschen. Schuldbewusst machte ich einen Schritt nach hinten, um ihm Platz zu machen, Cassandra blickte mich daraufhin spöttisch an.

Als er vor uns im Gang stand, machte er nochmals einen Diener, ehe er sich umdrehte und vorauseilte. Dabei sprach er in eifrigem Tonfall. " Folgen sie mir meine Damen, ich habe da ein sehr schönes Zimmer, welches letzte Woche frei geworden ist, genau richtig für eine Lady. " Seine Worte machten mir mein Aussehen erneut bewusst. Mein derzeitiger Zustand ließ mich wohl eher wie eine abgetakelte Straßenhure dastehen. Momentan war mir jedes Zimmer recht, Hauptsache ich kam aus den Klamotten raus und konnte mich frisch machen.

Er bog in einen Nebengang ab und ich beschleunigte meine Schritte um nicht den Anschluss zu verlieren. Als ich um die Ecke bog, wäre ich fast in ihn hinein gelaufen. Nur ein Zurückweichen seinerseits, verhinderte es. Er stammelte eine Entschuldigung und auch mir rutschte ein " Huch sorry! ", heraus. Daraufhin blickte er mir zum ersten Mal direkt ins Gesicht und ich bemerkte einen erstaunten Ausdruck in seinem. Er senkte den Blick und machte sich ohne Worte mit dem Schlüssel an der Tür zu schaffen. Nach dem Öffnen trat er ein und machte eine einladende Handbewegung. Vor mir lag ein kurzer Gang mit zwei weiteren Türen. Eine war geschlossen, doch die andere stand weit offen und gab den Blick auf ein kahles Zimmer frei. Ein altes Bett und ein nicht minder alter Schrank, waren das erste, was ich zu sehen bekam. Beim Betreten des Zimmers entdeckte ich ein Fenster mit schäbigen Vorhängen, vor dem ein kleiner Tisch samt Klappstuhl stand.

Stefan bemerkte wohl mein Erstaunen beim Anblick des Fensters. Mit ausholender Bewegung deutete er um sich.

" Schon klar, das alles macht jetzt keinen tollen Eindruck, aber die Wohnung ist groß und hat ein eigenes Bad samt Toilette. Man kann sich hier bestimmt sehr gemütlich einrichten und durch das Fenster hat man die Möglichkeit frische Luft ins Zimmer zu lassen. "

Hier hob ich eine Hand und fragte irritiert. " Ach, und was mach ich tagsüber, zu Staub zerfallen? "

Verdattert blickte er zuerst mich, dann Cassandra an, die hinter mir stand. Diese meinte schmunzelnd. " Du zerfällst nicht zu Staub in der Sonne! Sie ist zwar nicht gut für uns, aber solange du darauf achtest, nicht lange in ihr zu verweilen, geht das ganz gut. Besorge dir jedoch eine gute Sonnenbrille, denn deine Augen sind jetzt schon sehr empfindlich, was Sonnenlicht betrifft. "

Fragend blickte ich zu ihr. " Empfindlich? " Sie nickte. " Klar, wie hättest du dich sonst bei der Herfahrt, mitten in der Nacht, im Spiegel betrachten können, wenn deine Augen sich nicht schon verändert hätten. "

Sprachlos starrte ich die beiden an. Cassandra lächelte und drehte sich zu Stefan. " Ich denke sie nimmt das Zimmer. Besorge ihr bitte Sachen, damit sie sich frisch machen kann. Ich muss jetzt erst mal nach mir selber schauen. " Damit war für sie wohl alles geregelt, denn sie drehte sich um und verschwand ohne weitere Worte aus dem Zimmer. Wir beide blieben zurück und standen unsicher beieinander. Keiner wusste so recht was er sagen sollte. Es war Stefan, welcher das Schweigen brach. " Das Bad ist gleich nebenan. Ich bringe dir Handtücher und einen Bademantel, dann kannst du dich frisch machen. "

Ich lächelte ihn dankbar an, ehe mir meine Zahnlücke einfiel. Schnell klappte ich den Mund zu, doch es war schon zu spät. Ihm schien die Sache genauso peinlich zu sein, denn sein Blick huschte zur Seite. " Mach dir keine Gedanken deswegen, in ein paar Tagen sind alle neuen Zähne da, dann ist das Schlimmste überstanden. "

Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte und schwieg. Bevor es richtig peinlich wurde, setzte er sich in Bewegung und eilte zur Eingangstür. Dort drehte er sich noch einmal um. " Lege deine Sachen einfach vor die Badezimmertür, ich bring sie zum Reinigen, die Neuen lege ich daneben. ", mit einem kurzen Nicken verabschiedete er sich und zog die Tür hinter sich zu.

Als ich jetzt so alleine im Zimmer stand, wurde mir zum ersten Mal so richtig bewusst, was mir da heute widerfahren war. Eine Panikattacke erfasste mich und ich stürzte ins Bad. Im Gegensatz zum Rest der Wohnung war dieses recht modern hergerichtet. Weiße Fliesen an der Wand und graue am Boden. An einer Wandseite war eine Hängetoilette, daneben ein Waschbecken mit einem großen Spiegel darüber. Auf der anderen Seite stand eine Badewanne und dahinter eine separate Dusche.

Bei ihrem Anblick gab es kein Halten mehr für mich. Ich riss mir die dreckigen Klamotten förmlich vom Leib. Die Kleidung rollte ich so zusammen, dass die nassen Sachen innen lagen und legte sie, nach einem prüfenden Blick, vor die Badezimmertür. Beim Schließen der Tür bemerkte ich den Schlüssel und drehte ihn herum. Zwar glaubte ich nicht, das Stefan zu der Sorte Mann gehörte, der ins Bad kam, während ich nackt war, aber sicher war sicher.

Ich schlüpfte in die Dusche und drehte den Mischer auf. Die nächste angenehme Überraschung ließ nicht lange auf sich warten. Das Wasser war sofort warm und was noch wichtiger war, es kam mit Druck aus der Leitung.

Es regt mich jedes mal auf, wenn Duschen nur kraftlos vor sich hinplätschern. Haare waschen wird mit solchen Teilen zur Qual. So jedoch, stellte ich mich unter den Strahl und ließ das Wasser einige Minuten kraftvoll auf mich prasseln, ehe ich damit begann, mich so gut es ohne Seife ging, zu reinigen. Ich hätte ewig so stehen bleiben können, doch ich gab mir einen Ruck und drehte das Wasser ab.

Als ich aus der Dusche kam, war das Bad in dichten Nebel getaucht. Nackt wie ich war, eilte ich zur Tür und horchte daran. Da ich nichts hörte, drehte ich den Schlüssel und öffnete sie einen Spalt.

Sogleich bemerkte ich, das Stefan schon dagewesen sein musste. Meine dreckigen Klamotten waren verschwunden, dafür lag ein Handtuch, Bademantel und ein Duschgel neben der Tür.

Ich schnappte mir das Zeug und legte Handtuch samt Bademantel aufs Waschbecken. Danach stieg ich mit dem Duschgel nochmal unter die Dusche. Als ich eine knappe Viertelstunde später aus ihr heraustrat, fühlte ich mich endlich richtig sauber.

Ich rubbelte mich trocken und schlüpfte in den Bademantel, welcher der Größe und Farbe nach wohl sein eigener war, was mich jedoch nicht weiter störte. Zuletzt wickelte ich mir das Handtuch um die Haare, wobei ich das Haarband welches sich in meiner Handtasche befand sehnlichst vermisste.

Da ich keine Schuhe hatte, tapste ich barfuß zurück ins Wohn- und Schlafzimmer. Als ich dort frische Bettwäsche liegen sah, hatte ich Stefan endgültig ins Herz geschlossen. Ich bezog das Bett, danach setzte ich mich darauf und überlegte wie es jetzt weitergehen sollte. Dabei betastete ich mit der Zunge meine Zähne. Mein Mund fühlte sich mittlerweile schon recht wund an und der untere rechte Eckzahn wackelte deutlich.

Mir fielen Cassandras Worte ein und da ich sowieso nichts zu tun hatte, beschloss ich gleich mal zu testen was es mit meiner neuen Sehkraft so auf sich hatte. Ich stand auf und begab mich zum Lichtschalter neben der Tür. Als das Licht erlosch, war ich zuerst recht enttäuscht, ich konnte kaum etwas erkennen. Ich wollte den Schalter eben wieder umlegen, da änderte sich meine Wahrnehmung schlagartig. Zwar konnte ich alles nur in Schwarz und Grautönen erkennen, dafür aber so deutlich, dass ich wohl problemlos eine Zeitung hätte lesen können. Im Bereich des Fensters meinte ich sogar leichte Farbnuancen auszumachen.

Ich verbrachte einige Minuten damit, wie ein kleines Kind, das Licht an und auszuschalten, nur um immer wieder aufs neue über den Effekt zu staunen, wenn sich meine Augen auf diese Nachtsicht umstellten. Neugierig wie gut diese Sicht wirklich war, begab ich mich ins Bad und schloss die Tür hinter mir um auch das letzte Licht, welches durch das Fenster gedrungen war auszublenden.

Ich vermochte ein "Boah" nicht zu unterdrücken. Hier konnte ich zwar nur noch grobe Umrisse meiner Umgebung erkennen, hatte jedoch keine Probleme mich zurechtzufinden. So langsam fand ich es gar nicht mal übel, ein Vampir zu sein.

Ich tapste noch einige Zeit durch die dunkle Wohnung, doch schließlich verlor auch dies seinen Reiz. Schließlich marschierte ich zurück ins Bad und schaltete das Licht ein. Nachdem sich meine Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten, betrachtete ich mich im Spiegel.

Ich sah etwas blass aus und mein Gesicht hatte sichtbare Prellungen. Cassandras Biss am Hals war noch deutlich zu sehen, ansonsten deutete jedoch nichts darauf hin, dass ich nun ein Vampir war. Schließlich bemerkte ich doch noch einen Unterschied. Meine Augenfarbe hatte sich verändert, früher hatte ich einen Mischmasch aus grau, blau und grün. Jetzt jedoch blickten mir stahlgraue Augen entgegen, was mir um ehrlich zu sein, durchaus gefiel. Zuletzt öffnete ich meinen Mund und betrachtete die Zahnlücke. Sie sah noch schlimmer aus als ich befürchtet hatte und der untere Eckzahn hing in einem unmöglichen Winkel im Mund. Kurz entschlossen griff ich nach ihm und zog daran. Schneller als gedacht hielt ich ihn zwischen meinen Fingern. Leicht geschockt betrachtete ich ihn kurz, um ihn danach auf die Ablage zu legen. Mein anderer Zahn lag noch im Auto, ich würde morgen nach ihm fragen. Irgendwie wollte ich sie nicht einfach wegwerfen, nachdem sie so viele Jahre ein Teil von mir gewesen waren.

Aufseufzend löschte ich das Licht und ging ins Wohnzimmer. Zuhause hatte ich im Bett immer Jogginghose, Socken und ein langes Shirt an, nun jedoch würde ich nackt schlafen müssen, was mich doch störte. Nachdem ich den Stuhl neben das Bett gestellt hatte, legte ich den Bademantel darauf und schlüpfte unter die Decke. Zwar rechnete ich fest damit, lange Zeit nicht einschlafen zu können, doch der Schlaf kam schneller als gedacht.

Lykanta

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