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5 Kantine des Grauens
ОглавлениеIch stand in unserer Firmenkantine und alle um mich herum tuschelten miteinander, wobei sie ab und an in meine Richtung deuteten. Als ich an mir herunterblickte, wurde mir auch sofort klar, warum.
Meine Kleidung hing zerrissen und dreckig an mir. Einer meiner Schuhe fehlte und mitten auf meinem Rock, zeigte sich ein riesiger nasser Fleck. Ich wollte ihn mit meinen Händen bedecken, doch plötzlich hielt ich in diesen ein großes Tablett, auf dem unzählige Pistolen lagen.
Das Getuschel wurde lauter und ich suchte hektisch nach einem Platz, um das Tablett abzustellen. Wie von Zauberhand waren jedoch alle Tische besetzt.
Während ich mich noch suchend umblickte, erklang hinter mir ein Rufen. " Sie hat eine Pistole, sie hat eine Pistole! "
Ich wirbelte erschrocken zu dem Rufer herum. Vor mir stand Matthias mit seinen zwei Gefolgsleuten, Bertram und Albrecht, welche begeistert in sein Geschrei mit einstimmten. Dabei waren deutlich ihre Fangzähne zu sehen, was jedoch niemanden im Saal zu stören schien. Statt dessen stimmten alle in ihr Rufen ein und bald schon dröhnte es laut durch den Raum. " Pistole, sie hat eine Pistole! "
Ich wollte laut rufen, dass die Pistolen ja nur auf dem Tablett lagen, doch dieses war verschwunden und ich hielt tatsächlich eine Pistole in der Hand. Schockiert versuchte ich sie fallen zu lassen, sie klebte jedoch wie festgewachsen an mir. Als ich wild herumfuchtelte, um sie loszuwerden, gerieten die Leute um mich herum in Panik und warfen sich unter die Tische. Bertram hingegen lachte brüllend auf.
Ich wirbelte zu ihm herum und zischte wütend. " Was ist daran bitte so lustig du Arschloch! "
Sein Lachen verstummte und er starrte mich wütend an. Mit tiefer Stimme knurrte er. " Wer Pistolen in die Kantine mitbringt, wird gefressen! "
Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, erklang lautes Knurren und Fauchen hinter meinem Rücken. Als ich mich umdrehte, um zu sehen woher die Geräusche kamen, stockte mir der Atem.
Sämtliche Leute waren verschwunden und an ihrer Stelle standen Werwölfe. Sie kamen langsam auf mich zu und streckten ihre Krallenhände in meine Richtung.
Mit einem Aufkeuchen taumelte ich vor ihnen zurück, direkt in pelzige Arme hinein. Ich kreischte auf, riss mich los und drehte mich schockiert um, sogar Matthias und seine Begleiter hatten sich in Werwölfe verwandelt und schnappten nach mir.
Aufschreiend rannte ich auf den Ausgang zu, doch das Ganze, war ein einziger Kampf. Ich kam kaum vom Fleck und der Schuh hatte einen ewig hohen Absatz, was mein Rennen in ein Humpeln verwandelte. Ständig spürte ich, wie Hände nach mir grapschten und drohten, mich zu Boden zu reisen.
Als ich den Ausgang erreichte, stellte ich zu meinem Entsetzen fest, dass ich nicht etwa im Flur, sondern auf der Damentoilette gelandet war. Es gab keine weitere Türe, als diejenige, durch die ich eben in den Raum gestürzt war. An ein Umdrehen war nicht zu denken, denn die pelzige Meute quoll eben durch sie herein. In Ermangelung eines Fluchtweges, stürzte ich zur nächsten Toilette und warf die Tür hinter mir zu.
Als ich den Riegel umlegen wollte, stellte ich mit Grauen fest, dass dieser abgebrochen war. Panisch stemmte ich mich mit dem Rücken gegen die Tür und wartete darauf, sie würde jeden Augenblick unter dem Angriff der Wölfe zersplittern und mein Schicksal wäre besiegelt. Doch auf der anderen Seite blieb es totenstill. Ehe ich mir Gedanken darüber machen konnte, erklang lautes Klopfen an der Tür.
POCH, POCH, POCH.
Mit einem Ruck fuhr ich hoch. Grelles Licht knallte mir ins Gesicht und die Bettdecke klebte an meinem verschwitzten Körper.
POCH, POCH, POCH.
Das Klopfen war nicht verschwunden. Verstört blickte ich mich um und begriff langsam, dass ich geträumt hatte.
POCH, POCH, POCH.
Irgend etwas drückte von innen gegen meine Lippen. Irritiert öffnete ich meinen Mund und ein Zahn fiel heraus.
POCH, POCH, POCH.
Als sich mein Blick klärte, erkannte ich endlich wo ich war. Das Zimmer sah im Tageslicht nicht besser aus als in der Nacht.
POCH, POCH, POCH.
Endlich begriff ich, dass dieses Pochen von der Eingangstür her kam und wollte schon " Herein! " rufen. Gerade noch rechtzeitig wurde mir bewusst, dass ich nackt war. " Moment, ich komme gleich! ", rief ich und strampelte mich hektisch aus der Decke. So schnell ich konnte, schlüpfte ich in den Bademantel, riss mir das Handtuch aus den Haaren und eilte zur Tür.
Als ich sie mit klopfendem Herzen öffnete, erblickte ich Stefan, welcher mit einem Tablett vor mir stand. Dessen Anblick ließ mich sofort an meinen Traum denken. Auf seinem lagen jedoch keine Pistolen, sondern Toast, Marmelade, Wurst und Käsescheiben. Daneben standen zwei Kännchen und eine Tasse. Beim Anblick der Speisen gab mein Magen ein lautes Knurren von sich, was mir furchtbar peinlich war.
Lächelnd hob er das Tablett an. " Du hast fast den ganzen Tag verschlafen, da hab ich beschlossen, dir etwas vorbei zu bringen. "
Sprachlos starrte ich ihn an. Meine Reaktion verunsicherte ihn sichtlich, sein Lächeln erlosch und er trat einen Schritt zurück. Ich riss die Tür weit auf und winkte ihn herein. Dabei beeilte ich mich, ihn zu beruhigen. " Bleib da, ich war nur überrascht von deiner Freundlichkeit. Meine bisherigen Bekanntschaften hier, waren nicht gerade von Nettigkeit geprägt."
Sein Lächeln kehrte in sein Gesicht zurück, als er an mir vorbei ins Zimmer trat. Ich bemerkte, wie er dabei erneut soviel Abstand wie möglich zu mir hielt. Als er zum Tisch marschierte, klärte er mich auf. " Ja, ich hab davon gehört. Euer Zusammentreffen mit Matthias ist schon den ganzen Tag über das Hauptgesprächsthema hier in der Enklave. " Er stellte das Tablett auf den Tisch und machte verlegen einen Schritt zurück. Als ich zu ihm trat, wollte er sich in Richtung Eingangstür entfernen. Zu meiner eigenen Überraschung stoppte ich ihn mit den Worten. " Bleib doch! " Die Worte waren spontan aus meinem Mund gekommen. Sonst war ich Fremden gegenüber eher reserviert, vor allem bei Männern. Jetzt erwischte ich mich jedoch dabei, wie ich nur mit einem Bademantel bekleidet, einen jungen Kerl zum Frühstück einlud.
Er schien nicht weniger überrascht davon, als ich. Unsicher blieb er stehen und blickte sich suchend um. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich nur einen Stuhl hatte. Er löste das Problem indem er sich auf die Bettkante setzte, machte dabei jedoch den Eindruck, jeden Moment aufspringen zu wollen und die Flucht zu ergreifen.
Ich versuchte ihm die Nervosität zu nehmen und meinte. " Keine Panik, ich beiße nicht. ", als mir klar wurde, wie blöd sich der Satz anhörte, fügte ich hinzu. " Na ja, wenigstens noch nicht so bald. "
Ich schien die richtigen Worte gefunden zu haben, denn er schmunzelte und entspannte sich sichtlich.
Danach richtete ich meine ganze Aufmerksamkeit erst mal dem Essen. Ich belegte die Toastscheibe dick mit Wurst und Käse. Der erste Biss war himmlisch und ich schluckte, ohne groß zu kauen. Trotz meiner Zahnprobleme klappte es ganz gut mit dem Essen, da das Toastbrot weich war. Als ich die Kännchen untersuchte, befand sich in einem Kaffee und im anderen Früchtetee.
Zum ersten mal seit ich zu essen begonnen hatte, meldete sich Stefan zu Wort. " Ich wusste nicht was du trinkst, also hab ich mal beides mitgebracht. "
Ich drehte mich zu ihm um. " Am liebsten grünen Tee, aber Früchte ist auch super, Danke. "
Erst jetzt wurde mir klar, dass ich ihm noch gar nichts angeboten hatte, also drängte ich ihn zuzugreifen, doch er lehnte dankend ab. " Ich hab schon zu Abend gegessen. "
Verblüfft fragte ich. " Wie spät ist es denn jetzt? " Umständlich zog er sein Handy aus der Hosentasche. " 17.45 Uhr ", meinte er nach kurzem Blick darauf.
Ich ließ meinen Toast auf den Teller sinken. Grob geschätzt, hatte ich fast fünfzehn Stunden geschlafen. Mein Blick wanderte zum Fenster, durch das noch immer grelles Licht ins Zimmer strahlte. Dieses Licht hatte mich glauben lassen, es wäre noch früher Morgen. Gerade als ich ihn darauf ansprechen wollte, fielen mir Cassandras Worte ein. Ich würde mir wirklich so schnell wie möglich, eine Sonnenbrille besorgen müssen, eine sehr starke.
Bei dem Gedanken an sie, kam mir auch meine Handtasche in den Sinn, die immer noch im Wagen lag. Spontan wendete ich mich zu Stefan und erwischte ihn dabei, wie er mich anstarrte. Schnell senkte er den Blick und wurde sichtlich rot im Gesicht. Ich tat so, als hätte ich nichts bemerkt und fragte statt dessen. " Ist Cassandra schon wach? "
Man sah ihm an wie erleichtert er war, weil ich ihn nicht auf sein Starren ansprach. " Ich habe keine Ahnung, ob Mistress Cassandra schon aufgestanden ist. Sie hat sich bis jetzt noch nicht bei mir gemeldet, soll ich nachfragen? "
Ich schüttelte den Kopf, wobei ich über seine Worte nachdachte. Er hatte sie erneut Mistress genannt, was mich zu meiner nächsten Frage veranlasste. " Sag mal, soll ich sie auch mit Mistress anreden? "
Nervös knetete er die Finger und suchte nach Worten. " Sie ist eine sehr mächtige Vampirin, also steht ihr der Titel mehr als zu, auch wenn sie keinen großen Wert darauf legt. Am besten wird sein, du fragst sie selber. " Während er sprach, blickte er mich nicht direkt an, sondern fixierte einen Punkt rechts von mir, dabei unterstrich er mit seinen schlanken Händen, gestenreich seine Worte. Als er endete, stützte er sich damit auf dem Bett ab, um gleich darauf irritiert zu seiner rechten Hand zu blicken. Er griff nach etwas und als er es hoch hob, erkannte ich meinen Zahn.
Spontan kniff ich meine Lippen zusammen. Meine Zahnlücken wahren mir peinlicher, als meine dürftige Bekleidung. " Oh, der muss im Schlaf ausgefallen sein. Wenigstens fehlt nur noch einer, dann sind alle vier Eckzähne ausgefallen und die Neuen können kommen.", beeilte ich mich zu sagen.
Stefan blickte zu mir herüber und meinte zögerlich. "Äh, also es fallen nicht nur die Eckzähne aus, sondern alle."
" ALLE? " Mein Aufschrei erschreckte ihn sichtlich. Er beeilte sich, mich zu beruhigen. " Ja, aber das geht ab jetzt recht schnell und das beste ist, jedes mal wenn einer kaputt ist, wächst ein neuer Zahn nach, ungefähr so, wie bei den Haien. "
Seine Worte setzten ein Kopfkino bei mir in Gang und ich sah mich schon mit Haifischzähnen herumlaufen. Ich rieb mir mit den Händen über die Oberarme, um die Gänsehaut zu bekämpfen, die sich dort gerade ausbreitete.
Um mein Unbehagen zu überspielen, meinte ich flapsig. " Tja, wird wohl auch besser so sein. Stell dir mal einen Zahnarzt vor, wenn ich mit einem abgebrochenen Eckzahn dort auftauche und sage. 'Die Krone aber bitte recht spitz, damit ich kraftvoll zubeißen kann!' "
Stefan prustete los und auch mir stahl sich ein Lächeln ins Gesicht. Als mir meine Zahnlücken bewusst wurden, erlosch es jedoch augenblicklich.
Stefan hatte meine Reaktion bemerkt und wurde schnell wieder ernst. Er deutete auf meinen Mund. " Es gibt da eine Möglichkeit, das Ganze zu beschleunigen. "
Misstrauisch blickte ich ihn an. " Und wo liegt der Haken dabei? " Er schluckte ein bis zweimal, ehe er fortfuhr. " Ich kann mir gut Vorstellen, dass dir mein Vorschlag eklig vorkommt, aber du müsstest nur Blut tri.."
" Nein, auf keinen Fall! " Meine Antwort, mit der ich ihn unterbrach, kam laut und bestimmt.
Er wollte erneut zum Sprechen ansetzen, doch ich gab ihm keine Gelegenheit dazu. " Tut mir leid Stefan, mir ist klar, dass ich früher oder später Blut trinken muss! Ich werde den Zeitpunkt jedoch, so weit es geht, nach hinten verschieben! "
Er zuckte die Schultern. " War ja nur ein Vorschlag, zudem ist das Zeug auch nicht gerade billig. "
Jetzt wurde ich neugierig. " Ihr müsst das Blut kaufen? Ich dachte ", hierbei schaute ich ihn fragend an und machte eine beißende Geste mit dem Mund.
Stefan hob eine Augenbraue und meinte belehrend. " Hier in diesem Stützpunkt, sind wir in etwa fünfzig feste Vampire und im Schnitt sind dreißig Durchreisende anwesend. Was würde deiner Meinung nach passieren, wenn jeder von ihnen auch nur einmal pro Woche einen Menschen beißen würde? " Abwartend blickte er mich an.
Unsicher antwortete ich. " Äh, wir hätten zu viel Vampire nach einem Monat? "
Stefan schüttelte energisch den Kopf. " Nein, durch einen Biss wird man noch lange nicht zum Vampir, aber stell dir mal vor wenn jeden Monat zirka dreihundert Leute mit Bisswunden zum Arzt gehen. Wie lange würde es deiner Meinung nach dauern, ehe die Behörden auf uns aufmerksam würden? "
So hatte ich es noch gar nicht betrachtet. Bei genauem Nachdenken hätte ich selber darauf kommen können, ich hatte ja selber noch eine deutlich sichtbare Bisswunde am Hals.
Es war also nicht so wie in den Büchern, wo einfach über die Wunde geleckt wurde und diese wie von Zauberhand verschwand. Wobei die Bücher in mehreren Dingen unrecht hatten. Der beste Beweis, war der Teller vor mir und das Sonnenlicht welches grell ins Zimmer knallte.
Cassandra war noch nicht aufgetaucht und somit hatte ich weder Klamotten, noch meine Handtasche. Als ich Stefan auf mein Problem ansprach, schnellte er empor.
" Was Mistress Cassandra angeht, kann ich momentan wenig tun, doch ich kann mal bei Ivan und seinen Ghulen nach deiner Handtasche fragen. "
Schockiert blickte ich ihn an. " Ghule! Du meinst solche wie in den Filmen, Leichenfresser? "
Er nickte. " Muss eklig für dich klingen, doch die Jungs sind eigentlich recht harmlos. Sie haben die Technik unter sich, halten unseren Fuhrpark in Schuss und beseitigen, äh, Sachen. "
Mir war augenblicklich klar, was mit 'Sachen' gemeint war und ich beschloss gar nicht genauer nachzufragen. Statt dessen gab ich ihm eine Beschreibung meiner Handtasche und er flitzte los.